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Die Zukunft trägt Nadeln

Warum ein Neuenrader Waldbauer auch heute noch auf 80 % Nadelholzanteil setzt

Nach Stürmen und Käfern muss der Sauerländer Waldbauer Matthias Müller einen Teil seiner Flächen wieder aufforsten. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, warum er dabei vor allem auf Nadelholz setzt.

Lesezeit: 8 Minuten

Matthias Müller (52) ist Waldbauer mit Leib und Seele. Zusammen mit seiner Frau Barbara führt er einen Betrieb im sauerländischen Neuenrade, Märkischer Kreis. Wir treffen die Müllers bei einem Besuch im späten Winter.

Der Betrieb verfügt über 32 ha Ackerfläche. Vor rund sechs Jahren verließen die letzten Mastschweine den Stall. Schwerpunkte sind heute die 80 ha Forstfläche und vor allem 20 ha intensive Weihnachtbaumkulturen, für die Müllers in der Region bekannt sind.

Bis zum Sturm Kyrill im Winter 2007 war die Baumartenverteilung sehr klassisch für die Region: 90 % Fichte, 5 % Lärche und 5% Laubholz. Der Orkan warf etwa 45% der Fichten um. Insgesamt waren es damals rund 6.000 fm an Schadholz.

Wir dachten, wir machen hier weiter so wie bisher

Selbstkritisch sagt Matthias Müller heute: „Wir haben besonders auch ältere Bestände verloren, wir hätten sie bereits mit ca. 30 cm Mittendurchmesser, also im Alter von 60 bis 70 Jahren ernten sollen.“ Damals war der Forstwirt fest davon überzeugt, dass der Wind der Feind Nummer 1 seiner Bestände sei.

Eine gute, 5 ha große Fläche wurde für Weihnachtsbäume genutzt, die restlichen Bereiche bepflanzte der Betrieb vor allen wieder mit Fichte und etwas Lärche. Es gab zwar immer mal kleinere Schäden durch Borkenkäfer. Doch durch sehr schnelle Entnahme konnte der Betrieb das Ganze in Grenzen halten.

„Wir dachten, wir machen hier weiter so wie bisher, aber lassen die Fichte nicht mehr so alt werden sondern ernten sie mit ca. 60 Jahren“, fasst Matthias Müller die damalige Sicht zusammen. Dass es 11 Jahre später sehr viel schlimmer kommen sollte, ahnten die Müllers 2007 noch nicht.

Klimawandel und Schadinsekten neue Feinde 

In den Jahren 2018 bis 2020 kamen Wärme und extreme Trockenheit zusammen. Die Fichten konnten sich nicht mit ihrem Harz gegen den Käfer wehren, und die Schadinsekten erreichten durch die für sie günstigen Bedingungen dreieinhalb Generationen im Jahr.

Der Betrieb liegt „nur“ 420 bis 470 m über NN, so dass es vor allem in den Jahren 2020 und 2021 zu großen Schäden kam. Die gesamte Schadholzmenge erreichte schließlich 10.000 fm, davon entfallen rund 6.000 fm allein auf das Jahr 2021.

Geschälte Stämme eingelagert

Im Jahr 2020 war der Absatz von Fichtenholz sehr schwierig, die Preise rauschten in den Keller und erreichten teils einen Wert von nur 5 bis 10 €/fm (Auszahlungspreis der Selbstwerber über alle Sortimente). Weil Matthias Müller nicht bereit war, dafür sein Holz abzugeben, schälte er Stämme und lagerte rund 300 fm unter provisorischen Blechdächern ein.

Dort liegen sie noch bei unserem Besuch. Der Betrieb möchte das Stammholz jetzt zeitnah vermarkten. Sollte sich kein Säger als Abnehmer finden, werden daraus Kaminholzscheite. Auch dann erwartet der Betriebsleiter einen höheren Deckungsbeitrag als im Schadensjahr.

China kam zur rechten Zeit 

Besser sah die Vermarktung der Stämme im Jahr 2021 aus, als im Betrieb die größere Menge Käferholz anfiel. Zu diesem Zeitpunkt war der Export nach China angesprungen und der Auszahlungspreis der Selbstwerber lag im Schnitt bei 50 €/fm. Wenn sich die Exportmöglichkeit nicht ergeben hätte, stünden heute noch tote Bäume auf den Flächen, ist sich Matthias Müller sicher.

Weil der Betriebsleiter seine Bestände immer sehr sorgfältig kontrolliert und befallene Bäume direkt entfernt hatte, konnte er rund 17 % des Fichtenbestands retten. Die Bäume stehen nach zwei kühlen, feuchten Jahren ordentlich da. Trotzdem wird er in Saison genau auf Bohrmehl an den Bäumen achten.

Wie sollte es auf den Schadflächen weitergehen?

Man merkt Matthias Müller an, was so eine Situation mit einem Vollblut-Waldbauern macht: „Schon im ersten Jahr haben wir damit begonnen, die Flächen direkt wieder zu bepflanzen. Es war mir sehr wichtig zu sehen, dass es weitergeht.“

Das meiste Käferholz hat der Betrieb in der Kalamität per Harvester noch grün geerntet. Die Zweige legte die Maschine auf den Rückegassen ab. Eine zusätzliche Baggerräumung der Flächen war nicht erforderlich. Die jüngeren Schadflächen, etwa ein Viertel, hat der Betriebsleiter mulchen lassen, um die Pflegemaßnahmen später zu vereinfachen.

Mit Nadelholzmischung in die Zukunft 

Bei der Baumartenwahl setzt der Betrieb vor allem auf Nadelhölzer. Meist in Mischung wachsen nun Lärche, Tuja, Grüne Nobilis sowie Küstentanne und etwas Hemlocktanne auf den Flächen. Dazu kommen an ausgewählten Stellen Mammutbaum und Fichte aus willkommener Naturverjüngung. Der Betrieb sieht für die Fichte nach wie vor Potenzial, aber nur bei früher Nutzung. Der Forstwirt toleriert sie aber nicht auf sonnigen Felsköpfen oder in staunassen Bereichen.

Insgesamt liegt der Nadelholzanteil bei 80 %. Ist das nicht gegen den Trend, wollen wir von dem Betriebsleiter wissen. Matthias Müller sieht das Ganze betriebswirtschaftlich: „Unsere Familie lebt vom Wald, er muss einen Ertrag bringen. Ich bin davon überzeugt, dass auf unserem Standort Nadelholz die wirtschaftlichere Lösung ist. Es bringt zeitnah einen Ertrag. Ich glaube, dass wir in 30 Jahren wieder ins Plus kommen.“

Bis vier Arten auf einer Fläche

Die Bäume wachsen – bis auf eine Ausnahme – nicht in Reinbeständen, um das Risiko zu splitten. Meist sind es drei bis vier Arten auf einer Fläche. Dazu kommen Laubholzarten, vorwiegend aus Naturverjüngung aber auch gepflanzt. Naturverjüngt sind vor allem Kirsche, Eiche, Ahorn und Buche. Bei der Buche nimmt Müller ausschließlich die Naturverjüngung mit. Er pflanzt diese Baumart nicht mehr, weil er sie für zu trockenheitsanfällig hält.

Dazu bringt der Betrieb Erle, Baumhasel und Marone ein. Wo es passt, wächst der Birkenaufschlag weiter, Weide nimmt der Forstwirt aber konsequent zurück.

Gute Erfahrungen mit der Küstentanne

Küstentanne hat der Betrieb auch in einem Reinbestand gepflanzt. Das hat einen besonderen Grund: Im Jahr 1967 hatte der Vater von Matthias Müller je 1 ha Küstentanne (in Mischung mit Douglasie und Lärche) sowie Hemlocktanne gepflanzt. Die Bestände sind heute 57 Jahre alt und stehen sehr gut da.

Die Küstentannen haben heute einen Mittendurchmesser von teils über 45 cm. Als das Fichtenholz sehr knapp war, haben die Müllers bereits einige Stämme vermarktet und dazu annähernd einen Preis nah dem üblichen Fichtenholzpreis erreicht. Heute bewegt sich der übliche Preis aber eher auf Höhe von Fichtenholz in Klasse D.

Für Matthias Müller spricht aus wirtschaftlicher Sicht einiges für die Küstentanne: „Sie erreicht bei uns den doppelten Zuwachs der Fichte, ist kaum schneebruchgefährdet und wird bisher nicht vom Käfer befallen.“ Derzeit ist die Vermarktung meist nur im Bereich Paletten- bzw. Verpackungsholz möglich, eine Zulassung als Bauholz hat die Küstentanne bisher nicht.

ZüF-Saatgutbestand zertifiziert

Der Küstentannenbestand der Müllers ist als ZüF-Saatgutbestand (Zertifikat für überprüfbare Forstherkünfte) anerkannt und wird auch entsprechend beerntet. Im vergangenen Jahr hat der Betrieb deshalb einen 1,2 ha-Reinbestand für denselben Zweck gepflanzt (Verband 2,5 x 1,7 m) – natürlich mit Nachkommen der eigenen Mutterbäume.

Ansonsten ist die Küstentanne als Mischungspartner in den anderen Beständen vertreten. Man merkt den Müllers an, dass sie eine Schwäche für die robuste Küstentanne haben.

Interessant: Die Hemlocktanne

Die Hemlocktanne wächst ebenfalls schneller als die Fichte. Auch sie erreicht nur Preise auf D-Niveau einer Fichte. Ihre Stärke, sich intensiv zu verjüngen, kann durchaus auch zum Nachteil werden, findet Matthias Müller. Man sieht jedenfalls unter den Hemlocks dicht bestockte Wegesränder. Insgesamt räumt der Betriebsleiter der Hemlocktanne weniger günstige Eigenschaften als der Küstentanne ein, vor allem weil sie nicht so gut verwurzelt und damit gefährdeter gegen Windwurf ist.

Farn und Dornen halten Arbeiter auf Trab

Mittlerweile stehen die neu begründeten Bestände recht gut da. Die Bäume sind zwischen 0,5 und 1,5 m hoch und demnächst nicht mehr durch die Begleitvegetation gefährdet. Hauptprobleme verursachen der Adlerfarn und Brombeeren.

Derzeit beschäftigen die Müllers einen Mitarbeiter mit einer halben Stelle, der vor allem beim Aufforsten und in der Pflege aktiv ist. Neben der guten Arbeitsleistung ist der Mitarbeiter auch eine Motivationshilfe für den Betriebsleiter angesichts der großen Ausmaße der Waldschäden. Unter dem Strich sind die Müllers mit den Zustand der aufgeforsteten Flächen und dem Anwuchs gut zufrieden.

Intensive Jagd unerlässlich

Sehr großen Wert legt Matthias Müller auf einen angepassten Wildbestand. Zusammen mit einen benachbarten Stück verfügen die Müllers über eine Eigenjagd. Vor allem gibt es Rehwild, dann und wann zieht Damwild durch. Dazu kommt Schwarzwild.

Derzeit jagen die Müllers sehr intensiv. Was in der Schusszeit vor die Flinte kommt, wird erlegt. „Wir achten derzeit überhaupt nicht auf Trophäen, was mein verstorbener Vater wahrscheinlich nur schwer verstanden hätte. Vielleicht können wir später wieder selektieren, aber derzeit geht das nicht.“ Im letzten Jahr haben sie auf insgesamt 167 ha 23 Stück Rehwild erlegt. Das Fleisch vermarktet der Betrieb selbst, zu einem großen Teil als Grillwurst im Weihnachtsbaumgeschäft.

Windrad im Wald geplant

Mit sieben anderen Waldbesitzern plant der Betrieb Windkraftanlagen auf einem Hochplateau. Für den Forstfamilie wäre das eine weitere Einnahmequelle, bis die Bestände in ein nutzbares Alter kommen. Matthias Müller ist verhalten optimistisch, dass die Anlagen genehmigt werden: „Wenn es optimal läuft, drehen sich 2029 die Rotoren.“ 

Wie soll es mit dem Betrieb der Familie weitergehen, wollen wir zum Schluss von Matthias und Barbara Müller wissen: „Unser Sohn hat Interesse an der Forstwirtschaft. Aber er ist erst 14 Jahre alt. Er soll selber entscheiden, welchen Weg er einmal einschlagen wird. Wir möchten den Betrieb möglichst fit für die Zukunft machen.“

Matthias Müller fügt hinzu: „Es ist mir bewusst, dass einige unserer Maßnahmen von der aktuellen Lehrmeinung abweichen. Das nehme ich in Kauf. Ich maße mir nicht an, genau zu wissen, ob das jetzt der richtige Weg ist – aber für unseren Betrieb erscheint es mir richtig.“

 

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