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Aussitzen ist keine Option: Prof. Grethe fordert Mut zur politischen Gestaltung

Steigende Anforderungen an Tier-, Klima- und Umweltschutz müssen mit einer wettbewerbsfähigen Landwirtschaft in Übereinstimmung gebracht werden. Wie das gehen soll, erklärt Prof. Grethe.

Lesezeit: 12 Minuten

Der Agrarökonom Prof. Harald Grethe, Co-Direktor von Agora Agrar und Hochschullehrer an der Berlin Humboldt-Universität, über seine Erwartungen an die nächste Bundesregierung, die Umsetzung des Prinzips „öffentliches Geld für öffentliche Leisten“ und die Chancen einer konsensorientierten Agrarpolitik. Im Gespräch mit dem Presse- und Informationsdienst AgE.

Herr Prof. Grethe, Sie haben im vergangenen Sommer anlässlich der Veröffentlichung der umfassenden Agora-Studie zur Zukunft der Landnutzung in der EU davon gesprochen, es brauche einen Schub für den Agrarsektor, und die Voraussetzungen dafür seien günstig. Nicht mal ein halbes Jahr später sind die äußeren und inneren Bedrohungen nicht kleiner geworden, ist die Unsicherheit in Wirtschaft und Gesellschaft weiter gewachsen. Stehen Sie noch zu Ihrer optimistischen Einschätzung?

Prof. Grethe: Ja, denn der gesellschaftliche Fokus auf die Land- und Forstwirtschaft hat sich in jüngster Zeit nicht ohne Grund verstärkt: Beide Sektoren sind wichtig für die Erreichung zahlreicher gesellschaftlicher Ziele, wie etwa die Produktion von gesunden Nahrungsmitteln und Biomasse für die Bioökonomie oder den Schutz der Biodiversität sowie Klimaschutz und Tierwohl. Damit haben Land- und Forstwirtschaft als Erbringer wichtiger Nachhaltigkeitsleistungen eine zentrale gesellschaftliche Rolle.

Das ist herausfordernd für viele, die in der Branche tätig sind. Wichtig ist, dass gesellschaftliche Leistungen der Land- und Forstwirtschaft stärker als bisher entlohnt werden, damit sie von den Menschen, die dort ihr Einkommen erwirtschaften, auch erbracht werden können. Das birgt neue Chancen – wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen.

Was macht Sie zuversichtlich, dass hieraus auch politische Gestaltung resultiert?

Prof. Grethe: Wir haben in der letzten Legislaturperiode sowohl in der EU als auch in Deutschland gesehen, dass eine Polarisierung des Politikfeldes große Risiken birgt. Es braucht evidenzbasierte Lösungen, die gemeinsam mit dem Sektor erarbeitet und umgesetzt werden und wirtschaftliche Chancen eröffnen.

Klimakrise ist ja nicht weg

Umwelt- und Klimathemen sind in der öffentlichen Wahrnehmung ebenso wie in der politischen Diskussion in den Hintergrund getreten: Vorübergehende Erscheinung oder längerfristiger Trend?

Prof. Grethe: Umwelt- und Klimaprobleme verschwinden ja nicht. Im Gegenteil: Die Klimakrise wird in Deutschland immer erlebbarer, insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft. Die Anpassung an den Klimawandel ist für beide Sektoren von zentraler Bedeutung und, anders als in anderen Sektoren, auch wichtig für ihren Beitrag zur Klimaneutralität. Nur eine angepasste Land- und Forstwirtschaft ist produktiv, und Produktivität ist wichtig für die Kohlenstoffbindung. Zudem sind die Klimaneutralität, aber auch andere Umweltziele gesetzlich verankert – Aussitzen ist keine Option.

Welche Auswirkungen wird das für die agrarpolitische Diskussion haben?

Prof. Grethe: Sowohl in Deutschland als auch in anderen EU-Ländern haben wir die Erfahrung gemacht, dass Landwirtinnen und Landwirte für gesellschaftliche Nachhaltigkeitsziele gewonnen werden müssen. Das gelingt nur mit einer konsequent an diesen Zielen ausgerichteten und gut erklärten Politik, die Beiträge zu den Nachhaltigkeitszielen in konkrete wirtschaftliche Chancen übersetzt.

Klimapolitik muss Leistungen der Landwirte entlohnen

Wie gehen Sie, wie geht Agora Agrar damit um?

Prof. Grethe: Für viele andere Wirtschaftssektoren sind die Pfade zur Klimaneutralität seit Langem beschrieben. Für Land- und Forstwirtschaft ist dies komplexer, weil neben Klima auch andere Ziele wie Biodiversität und Tierwohl berücksichtigt werden müssen.

Wir haben im vergangenen Herbst eine Studie veröffentlicht, die mögliche Beiträge der Land- und Forstwirtschaft zu verschiedenen Nachhaltigkeitszielen beschreibt und Handlungsoptionen aufzeigt, wie sich diese Beiträge in wirtschaftliche Chancen übersetzen lassen. Dazu gehören zum Beispiel eine Klimapolitik, die die negativen Emissionen der Forst- und Landwirtschaft entlohnt und zu mehr Biomassenachfrage für die stoffliche Nutzung beiträgt, die staatliche Honorierung der Erbringung von Gemeinwohlleistungen aber auch die Gestaltung der Rahmenbedingungen, die zu einer verstärkten privatwirtschaftlichen Honorierung solcher Leistungen beitragen können.

Ernährungssicherheit hat in der europäischen Öffentlichkeit jahrzehntelang keine Rolle mehr gespielt. Das hat sich geändert. Ist die Ernährungssicherheit in Europa bedroht?

Prof. Grethe: Ernährungssicherheit ist als Schlagwort zurückgekehrt – aber die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln steht in der EU nicht in Frage. Die EU ist ein Gunststandort und die Selbstversorgungsgrade sind bei den allermeisten Produkten hoch. Dennoch ist Ernährungsarmut ein Problem, das viele EU-Haushalte betrifft. Dies ist allerdings vor allem eine Frage des Einkommens, nicht der grundsätzlichen Verfügbarkeit.

Welche politischen Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen?

Prof. Grethe: Mit Blick auf Ernährungsarmut braucht es Ernährungs- und Sozialpolitik: Auch in einkommensschwachen Haushalten müssen sich Menschen gesund und nachhaltig ernähren können. Die Agrarpolitik ist relevant, um steigende Anforderungen an den Tier-, Klima- und Umweltschutz mit einer wettbewerbsfähigen Landwirtschaft zu vereinbaren. Denn Verlagerungseffekte wären den Zielen meist nicht dienlich und würden zu Einkommensverlusten in der EU-Landwirtschaft führen. Deshalb ist es wichtig, Gemeinwohlleistungen zu honorieren, sodass Landwirtinnen und Landwirte insgesamt ein angemessenes Einkommen erzielen können.

GAP: Rückbau oder Reform?

Der agrarpolitische Schwerpunkt der nächsten Jahre wird die Weiterentwicklung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik sein. Die Erwartungen bewegen sich zwischen Rückbau wegen Finanzknappheit, Weiterwursteln und großem Reformschritt. Womit rechnen Sie?

Prof. Grethe: Ich kann nicht in die Zukunft schauen. Aber ich halte es angesichts eines begrenzten EU-Budgets und konkurrierender Ziele für wichtig, die GAP konsequenter als bisher an gesellschaftlichen Zielen auszurichten. Schon seit langem ist der Sektor in der Defensive, und das Budget der GAP pro Hektar sinkt.

Das Prinzip „Geld für Fläche“ ist einfach nicht überzeugend. Es wird regelmäßig in der Öffentlichkeit skandalisiert und schwächt sowohl die GAP als auch die Landwirtschaft in der gesellschaftlichen Debatte. Stattdessen muss es um „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ gehen. Hinter diesem Prinzip kann man sich selbstbewusst versammeln und für ein angemessenes Budget eintreten.

Lebensmittelherstellung als öffentliche Leistung?

Der Deutsche Bauernverband hat sich dafür ausgesprochen, mittelfristig aus der Basisprämie auszusteigen. Das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ scheint konsensfähig zu sein. Neuerdings gibt es innerhalb des Berufsstands und der Politik die Forderung, die Produktion von Nahrungsmitteln als öffentliche Leistung einzustufen und zu honorieren. Wie bewerten Sie das?

Prof. Grethe: Dieser Konsens, Ausstieg aus der Basisprämie und Fokussierung auf „öffentliches Geld für öffentliche Güter“ ist eine der großen Errungenschaften der ZKL. In der EU ist ein solcher Konsens noch nicht erreicht. Die Produktion von Nahrungsmitteln pauschal als öffentliches Gut einzustufen, halte ich nicht für sinnvoll.

Nahrungsmittel werden am Markt entlohnt, und die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist in der EU nicht gefährdet. Allerdings ist es wichtig, Politik verlässlich zu gestalten. Bei vielen Landwirtinnen und Landwirten erlebe ich Sorge, ob die Entlohnung öffentlicher Leistungen langfristig verlässlich sein wird. Diese Sorge kann ich nachvollziehen, gerade auch angesichts des schwierigen Ringens um die Einführung von Tierwohlprämien. Es ist Aufgabe der Politik, dieses Vertrauen aufzubauen.

Agrarpolitik ist keine Sozialpolitik

Geben die Ergebnisse des Strategischen Dialogs in der EU Rückenwind für eine wirksame GAP-Reform?

Prof. Grethe: Ja, denn die Ergebnisse des Strategischen Dialogs empfehlen, das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Güter“ auszubauen. Teilergebnisse bergen aber auch die Gefahr des Festhaltens an überholten agrarpolitischen Vorstellungen.

In welcher Hinsicht?

Prof. Grethe: Die Formulierung der „landwirtschaftlichen Einkommenspolitik“, die stärker auf „bedürftige Landwirte“ fokussieren müsse, ist problematisch. Es geht nicht um die persönliche Bedürftigkeit – Agrarpolitik ist keine Sozialpolitik. Ich halte den Begriff der „Bedürftigkeit“ auch für schädlich für den Sektor, er macht Landwirtinnen und Landwirte tendenziell zu Opfern. Das ist nicht gut.

Was schlagen Sie vor?

Prof. Grethe: Die Begründung für Agrarpolitik sollte stattdessen sein: Landwirtinnen und Landwirte erbringen vielfältige Leistungen, die nur teilweise am Markt honoriert werden. Wir müssen als Gesellschaft viele dieser Leistungen honorieren, weil wir sonst nicht erwarten können, dass sie erbracht werden.

Und natürlich darf und soll mit der Produktion öffentlicher Güter auch Einkommen erwirtschaftet werden. Das sollte auch offen ausgesprochen werden.

Allzu oft wird die technische Definition der „Kompensation von Mehrkosten und entgangener Einkommen“ öffentlich verwendet und davon gesprochen, es dürfe keine „Anreizkomponente“ geben. Das ist in der Sache schon heute falsch: Mit der Erbringung öffentlicher Leistungen kann schon heute zum Beispiel mit Agrarumweltmaßnahmen Einkommen erwirtschaftet werden. Dies gilt es auszubauen.

Lehren aus der bisherigen Agrarpolitik

Die Ampelkoalition ist Geschichte, eine neue Koalition wird vermutlich auch in der Agrar- und Ernährungspolitik auf Neustart setzen. Welche Lehren sollte eine neue Koalition aus der Agrarpolitik der Bundesregierung in den vergangenen drei Jahren ziehen?

Prof. Grethe: Wir brauchen evidenzbasierte Lösungen für realweltliche Probleme und Mut zur politischen Gestaltung. Solche Lösungen müssen wirtschaftliche Chancen für die Land- und die Forstwirtschaft eröffnen. Und sie müssen vermittelbar und umsetzbar sein. Dazu gehört auch, unnötige Bürokratie zu vermeiden.

Was ist das Wichtigste, was eine neue Koalition in diesem Politikbereich anpacken müsste?

Prof. Grethe: Vier Dinge halte ich für prioritär:

Erstens, eine Düngepolitik, die auf einzelbetriebliche Nährstoffbilanzierung setzt und Detailregelungen für Rote Gebiete, Düngeplanung und Dokumentation entschlackt.

Zweitens, eine Moorschutzpolitik, die die Wiedervernässung mit Prämien und der Entwicklung von nassen Wertschöpfungsketten zur wirtschaftlichen Chance macht.

Drittens, die Weiterentwicklung von Tierwohlprämien und Haltungskennzeichnung mit dem Ziel, Verbesserungen in der Breite des Sektors zu erreichen.

Und viertens, eine proaktive Gestaltung des EU-Rahmens; von der GAP über die Klimapolitik für die Landnutzungssektoren bis hin zu einem Rahmengesetz für nachhaltige Ernährungssysteme.

Ignoranz der Empfehlungen als verpasste Chance erkannt

Sehen Sie eine Chance, dass Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft von der nächsten Bundesregierung aufgegriffen werden?

Prof. Grethe: Ich sehe Chancen, denn diese Empfehlungen sind bereits zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft ausgehandelt und werden der neuen Regierung „auf dem Silbertablett gereicht”. Sie sind zudem zum Großteil wissenschaftlich solide und praktikabel – eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.

Wie groß ist die Gefahr, dass sich die politisch Verantwortlichen die Rosinen aus dem Empfehlungsstrauß herauspicken, dem Geist der Papiere aber nicht gerecht werden?

Prof. Grethe: Viele Politikerinnen und Politiker haben nach meinem Eindruck erkannt, dass die sehr begrenzte Umsetzung der Ergebnisse der Borchert-Kommission und der ZKL eine verpasste Chance war. Es dient auch nicht dem Vertrauen in die Politik, solche Kommissionen einzuberufen, aber die Konsensfindung nicht durch mutige politische Gestaltung zu honorieren. Ich habe daher die Hoffnung, dass sich die kommende Koalition nicht aufs Rosinenpicken beschränkt.

Was muss eine neue Koalition tun, damit verloren gegangenes Vertrauen in die Handlungsfähigkeit von Politik wieder entstehen kann?

Prof. Grethe: Ich halte die erste Empfehlung der ZKL für zentral: „Eine neue Kultur der Zusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.“ Wenn dazu noch der Mut käme, langfristig die richtigen Anreize zu setzen und auf manche Mikrosteuerung zu verzichten, wäre viel gewonnen.

Staatliche Tierwohlprämie noch nicht verloren

Sie waren maßgeblich an den Vorschlägen der Borchert-Kommission zum Umbau der Tierhaltung beteiligt. Sind die Vorschläge noch umsetzbar?

Prof. Grethe: Der wesentliche Kern, also die schrittweise Anhebung der verpflichtenden Tierwohlstandards bei vollem Kostenausgleich durch staatliche Tierwohlprämien, ist nach wie vor umsetzbar. Dies ist auch notwendig, um in der Breite des Sektors voranzukommen und um vor allem jungen Nutztierhalterinnen und Nutztierhaltern Perspektiven zu geben, damit sie in den Umbau investieren.

Welche Anpassungen wären notwendig?

Prof. Grethe: Die Borchert-Kommission hatte ursprünglich eine freiwillige Tierwohlkennzeichnung empfohlen. Jetzt haben wir eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für Schweinefleisch. Ich würde jetzt an der verpflichtenden Kennzeichnung festhalten, sie aber so weiterentwickeln, dass sie besser mit der privatwirtschaftlichen Kennzeichnung kompatibel ist, weitere Verarbeitungsstufen umfasst und flexibler beim sogenannten Downgrading ist, also der Möglichkeit, Fleisch aus tierfreundlicheren Haltungsstufen auch in niedrigeren Stufen zu vermarkten, wenn es die Marktlage erfordert.

Die Mehrwertsteuer ist wieder in der Diskussion, allerdings anders, als die Borchert-Kommission vorgeschlagen und die ZKL 2.0 zuletzt bekräftigt hat. Geben Sie dem Vorschlag, die ermäßigte Mehrwertsteuer auf tierische Produkte anzuheben, noch eine realistische Chance?

Prof. Grethe: Es gibt wesentlich zielorientiertere Instrumente, einkommensschwache Haushaltsgruppen zu entlasten, als eine generelle Reduktion der Mehrwertsteuer für Lebensmittel: das System der sozialen Grundsicherung und die Einkommensteuer sowie gezielte Transfers, etwa mit dem Mechanismus des Klimageldes.

In Bezug auf die Tierwohlfinanzierung wird jede Bundesregierung, die deutlich mehr Tierwohl nicht nur in Marktnischen, sondern in der Breite des Sektors umsetzen will, die Frage beantworten müssen, wie sie dies finanzieren will. Theoretisch wäre eine Finanzierung aus dem laufenden Haushalt möglich.

Aus Klimaschutzgründen wäre es aber auf jeden Fall sinnvoll, tierische Produkte gegenüber pflanzlichen Produkten relativ teurer zu machen. Dies wäre durch die Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes erfüllt. Gleichzeitig wäre es auch möglich, den Steuersatz für ausgewählte pflanzliche Produkte zu verringern.

Am Prinzip der Borchert-Kommission festhalten

Braucht es eine neuerliche Borchert-Kommission?

Prof. Grethe: Es gibt noch viele offene Fragen, für die ein breiter Konsens wichtig wäre. Insofern sollte am Prinzip der Borchert-Kommission festgehalten werden: Die Politik braucht den engen Austausch zwischen und mit zentralen Stakeholdern und das Ringen um Konsens. Damit eine neue Stakeholder-Kommission diese Rolle ausfüllen kann, bräuchte es allerdings das klare Ziel einer neuen Bundesregierung, in Sachen Tierwohl in der Breite des Sektors voranzukommen und die Bereitschaft, politisch zu gestalten.

Agora Agrar betont in seiner Nachhaltigkeitsstudie das Potenzial, durch einen Abbau der Nutztierbestände in Europa und eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte zur Klimaneutralität beizutragen. In der Realität geht die Tierhaltung vor allem in Deutschland zurück, während beispielsweise in Spanien Bestände aufgebaut werden. Wie kann verhindert werden, dass die hiesige Landwirtschaft zur Verliererin der Klimapolitik wird?

Prof. Grethe: Der Aufbau von Beständen zum Beispiel in Spanien bis 2023 ist keine Folge der Klimapolitik, die wir ja bisher für die Landwirtschaft kaum haben – weder in der EU noch in Deutschland. Mittelfristig brauchen wir aber eine Klimapolitik für die Landwirtschaft, zum Beispiel eine Einbeziehung in den Emissionshandel. Dann sollten Verzerrungen der Produktionsbedingungen durch eine EU-weite Umsetzung vermieden werden.

CO2-Grenzausgleichsregelung für Milchpulver, Butter und Rindfleisch

Wie sollte eine Klimapolitik für die Landwirtschaft gestrickt sein, damit sie als Chance wahrgenommen wird?

Prof. Grethe: Wichtige Elemente hierfür wären etwa die Entwicklung der Nachfrage für nachwachsende Rohstoffe zur Produktion von Materialien sowie die entsprechende Ausgestaltung eines Emissionshandels für die Landwirtschaft. Sinnvoll wären zum Beispiel eine CO2-Grenzausgleichsregelung für Milchpulver, Butter und Rindfleisch, die vorerst kostenlose Vergabe von Zertifikaten für trocken bewirtschaftete Moorstandorte sowie die Allokation von Zertifikaten nicht auf Basis des Stickstoffeinsatzes, sondern der Stickstoffüberschüsse. Letzteres wäre zielgerechter und würde die Landwirtschaft deutlich weniger belasten.

Was lässt den Wissenschaftler und Politikberater Harald Grethe am Jahresbeginn 2025 zuversichtlich in die Zukunft blicken?

Prof. Grethe: Ich erlebe zunehmend, dass sich viele Akteure in der Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft stringent an Zielen ausgerichtete Lösungen für realweltliche Probleme wünschen: eine verlässliche „gute Fachpolitik“. Solche Lösungen können von zentralen Akteuren vorgedacht und vorbereitet und dann der Politik vorgeschlagen werden. In Gesprächen mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft spüre ich dafür eine wachsende Bereitschaft. Es wäre ein wichtiges Signal an die künftige Bundesregierung, den Wunsch nach guter fachpolitischer Gestaltung auch öffentlich noch sichtbarer zu machen.

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