Nach fast einem Vierteljahrhundert an Vorarbeit nähert sich das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten seiner Realisation. An den Vorbehalten vieler europäischer Landwirte und ihrer Branchenorganisationen dagegen hat sich aber wenig geändert. Vertreter der Brasilianischen Regierung bemühen sich, diesen Sorgen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie sehen Vorteile für beide Seiten.
Handelspartner: Brasilien erfüllt EU-Normen
Im Gespräch mit Journalisten stellte Luis Rua, der Handelsbeauftragte des brasilianischen Landwirtschaftsministers und Vize-Ressortchef, am Dienstag in Berlin fest, dass die im Rahmen von Mercosur vereinbarten Freihandelsmengen nur einen Bruchteil des Marktvolumens in den EU-Staaten ausmachen. Es sei deshalb nicht damit zu rechnen, dass hierdurch Marktverwerfungen drohten. Waren wie brasilianische Hähnchenbrust gingen zudem fast ausschließlich in die europäische Verarbeitung und stünden daher nicht in Konkurrenz mit der deutschen oder französischen Ware im EU-Kühlregal.
Der Regierungsvertreter tritt ebenfalls Befürchtungen entgegen, die Waren aus seinem Land würden EU-Standards unterlaufen. Er sagt, Brasilien sei mindestens seit den 80er Jahren ein zuverlässiger Handelspartner und eine sichere Quelle für pflanzliche und tierische Produkte. Dies gelte gerade auch für Bio- und bei Lebensmittelsicherheit. Hier erfülle man die höchsten internationalen Standards.
Brasilianische Landwirtschaft: Umwelt- und Tierschutz
Ein Punkt, der gegen Brasilien ins Feld geführt wird, ist der Vorwurf, Hormone in der Rindermast einzusetzen. Dem widerspricht Rua entschieden. Zumindest, was die klassischen Wachstumshormone angeht. Eingesetzt werde lediglich Östradiol in der Nachzucht, um weibliche Herden im Zyklus zu synchronisieren. Dazu muss allerdings festgehalten werden, dass auch der Einsatz von Östradiol, insbesondere 17β-Östradiol, ist in der europäischen Rinderhaltung nicht erlaubt ist. Ungeachtet dessen ist der stellvertretende Agrarminister optimistisch, dass das Thema im Dialog mit der zuständigen EU-Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG Sante) noch abgeräumt werden kann.
Auch in puncto Nachhaltigkeit und Entwaldung weist Rua mögliche Vorwürfe zurück. Ihm zufolge ergreift Brasilien aus eigenem Entschluss längst umfassende Maßnahmen zum Schutz der Wälder. In den letzten zwei Jahren sei die Entwaldung bereits um 45 % gesenkt worden, auch durch rigide Maßnahmen wie die Zerstörung von Rodungstechnik.
Projekte zur Förderung nachhaltiger Landwirtschaft
Mehr Nachhaltigkeit verspricht sich die Regierung von Präsident Lula auch von einer im November 2024 gestartete neuen Plattform Agro Brasil + Sustentável, in Deutsch etwa „Agrar Brasil Nachhaltiger“. Über die erhalten besonders nachhaltig wirtschaftende Agrarbetriebe günstige Kredite. Ein weiteres Großprojekt widmet sich der Wiederherstellung und agrarischen Nutzung degradierter Böden. Der Gedanke dahinter: Wenn diese Millionen Hektar umfassende Ressource wieder für die Landwirtschaft nutzbar gemacht wird, sinkt der Bedarf für gerodete Regenwaldflächen quasi automatisch.
Vor diesem Hintergrund wirbt Rua für die Umsetzung des Freihandelsabkommens, das nach seiner Überzeugung beiden Seiten nutzt. Eine Folge wäre ihm zufolge die Kombination zweier Wirtschaftsräume zu einem mit dann rund 800 Millionen Verbrauchern, was über die wechselseitigen Warenflüsse wirtschaftliche Vorteile für alle bringe. Aber nicht nur der Handel, auch die Beziehungen zwischen den beiden Blöcken würden davon profitieren, so Rua. Die zentrale Frage bleibt, ob die Vorteile des Abkommens letztlich die Bedenken der europäischen Agrarwirtschaft überwiegen können.