Die EU-Entwaldungsrichtlinie (EUDR) soll verhindern, dass weltweit artenreiche Wälder für den Anbau von Agrarprodukten gerodet werden. Das noble Ziel wird allerdings durch enorme Berichtspflichten und eine absehbar überbordende Bürokratie derart konterkariert, dass die EU-Kommission den Start der Richtlinie um ein Jahr nach hinten verschoben hat. Mancherorts ist man skeptisch, ob bis dahin eine praktikable Umsetzung überhaupt möglich ist.
Das gilt auch für Brasilien. Hier denkt man aber schon weiter und hat auch Ideen, wie man die Ansprüche an eine nachhaltige Produktion von Soja, Mais und anderen Rohstoffen besser und vor allem ohne erdrückende Dokumentationsauflagen erfüllen könnte.
Nachweispflichten weiter unklar
Vor Journalisten zeigte sich Luis Rua, der Handelsbeauftragte des brasilianischen Landwirtschaftsministers, gestern in Berlin besorgt, was die Folgen, aber auch den Nutzen der EUDR angeht. Er gibt zu bedenken, dass trotz der Verschiebung nach wie vor völlig unklar ist, wie die Nachweispflichten in der EUDR überhaupt im praktischen Handel umgesetzt werden sollen. Das führe aktuell zu einer spürbaren Verunsicherung auf Seiten der potentiellen Lieferanten. Rua wünscht sich deshalb von Brüssel eine Präzisierung der Anforderungen im Rahmen der EUDR.
Ihm zufolge unternimmt Brasilien aus eigenem Antrieb alles, was möglich sei, um die Wälder zu schützen. Schon in den vergangenen zwei Jahren sei die Entwaldung um 45 % gesunken und absehbar werde Entwaldung 2025 auf das niedrigste Niveau seit einem Vierteljahrhundert fallen.
Ware sucht sich andere Wege
Gleichwohl betont der Handelsbeauftragte, dass Brasilien den Ansatz der EU nachvollziehen könne, nachhaltige Produktion im internationalen Agrarhandel zu fördern. Dem wolle sein Land auch nachkommen. Dazu gebe es aber schon nationale Regularien, die mit derartigen internationalen und europäischen Anforderungen in Einklang gebracht werden müssten. Dafür wäre eine Beteiligung Brasiliens im europäischen Gestaltungsprozess wünschenswert. Eine solche Initiative ist die im November 2024 gestartete Plattform Agro Brasil + Sustentável, in deutsch etwa "Agrar Brasil Nachhaltiger".
Rua befürchtet ansonsten, dass auch die Langfristziele der Entwaldungsrichtlinie verfehlt werden. Das Ziel der EUDR sei doch, Entwaldung zu vermeiden und Klimaschutz zu fördern. Das sei auf Grundlage der aktuellen Richtlinie aber kaum zu erwarten. Wenn die EU beispielsweise Produkte aus Regionen mit entwaldeten Ackerflächen ausliste, werde dort die Produktion nicht eingestellt. Vielmehr werde die Ware dann eben an andere Empfängerländer wie Mexiko geliefert, die solche Anforderungen wie die EU nicht stellen.
EUDR feuert Strukturwandel in Brasilien an
So finde Entwaldung aber immer noch statt, warnt Rua. Und es gibt nach seiner Darstellung einen weiteren negativen Effekt: Die aufwändigen Dokumentationspflichten der EUDR könnten kleine Agrarbetriebe kaum erfüllen. Sie würden dadurch tendenziell zu Gunsten schlagkräftiger großer Unternehmen aus dem Markt ausgeschlossen. Damit würde die EU mit der Entwaldungsrichtlinie den Strukturwandel in Brasilien befeuern.
Besser wäre es aus Ruas Sicht, wenn die EU und deren Lieferländer eine gemeinsame Basis findet, die laufende brasilianische Initiativem zum Waldschutz berücksichtigt und längst vorliegende nationale Daten bürokratiearm miteinander verknüpft. Ein bilateraler Dialog über die Vermeidung von Entwaldung wäre jedenfalls nach seiner Überzeugung auch im Sinne des Regenwaldschutzes wesentlich zielführender als aus Brüssel vorgegebene Auflagen.