Gerade bei den großen politischen Projekten, wenn viele unterschiedlichen Haltungen aufeinanderprallen, ist Erfolg selten garantiert. Umso überraschender, wenn es am Ende doch klappt. In der Agrarpolitik gab es in der jüngeren Vergangenheit mit dem Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung (Borchert-Kommission) und der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) gleich zwei solcher Vorhaben. Beide haben gezeigt, dass Kompromisse über die Belange von Landwirtschaft, Natur- und Tierschutz hinweg möglich sind. Beide blieben letztlich unverwirklicht.
Warum? „Weil wir neugierig sind“
Ludger Schulze Pals, Geschäftsführer des Landwirtschaftsverlags Münster, und Rainer Münch, langjähriger Journalist für den Nachrichtendienst Agra Europe, haben sich gefragt, was die Ursachen waren für die Erfolge und die Misserfolge der Borchert-Kommission und der ZKL. Für ihr neues Buch „Brücken Bauen: Für ein besseres Miteinander von Bauern und Bürgern“ haben sie mit wichtigen Protagonisten der beiden Gremien gesprochen.
Aber warum überhaupt ein Buch schreiben über die Entstehung und den Verlauf der Zukunftskommission Landwirtschaft? „Weil wir neugierig sind“, verriet Ludger Schulze Pals beim Medienabend des Bauernverbandes auf der Grünen Woche. In den Jahren 2020 und 2021 sei etwas gelungen, was seit Jahrzehnten nicht gelungen sei: Lagerübergreifende Kompromisse zu schließen. Schulze Pals und Münch haben sich gefragt, warum es im Fall der ZKL anders kam als sonst.
Erfolg steht und fällt mit den Protagonisten
Eine Erkenntnis für Rainer Münch: „Auf die Menschen kommt es an.“ Gemeint ist damit der riesige Einfluss, den die Beteiligten auf den Gestaltungsprozess von Zukunftsprojekten wie der ZKL nehmen können – im Guten wie im Schlechten. Die Autoren haben dazu unter anderem lange Gespräche mit Jochen Borchert, dem Vorsitzenden des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, und Werner Schwarz, einem der maßgeblichen Agrarvertreter in der ZKL 1.0, geführt.
„Beide haben sich besonders hervorgetan bei der Kompromissbildung“, so Schulze Pals. Borchert habe – eigentlich längst im Ruhestand – als Leiter der nach ihm benannten Kommission in dieser Hinsicht hervorragende Arbeit geleistet. Schwarz sei es gelungen, mit seiner vermittelnden Art Zugang zu den anderen Lagern zu finden. Beide hätten letztlich wesentlich zum Erfolg ihrer Arbeitsgruppen beigetragen, was laut Münch aber nicht die Arbeit der anderen Mitglieder schmälern soll. Das gilt vor allem für Prof. Peter Strohschneider, den Leiter der ZKL, der aus Autorensicht ebenfalls unverzichtbar für den Erfolg des Gremiums war. Nicht unerwähnt lassen wollen Münch und Schulze Pals zudem die beiden jungen Frauen Myriam Rapior (damals BUND-Jugend) und Kathrin Muus (damals Bund der Landjugend), die "die inhaltlich festgefahrene ZKL mit ihrer Vision von der Zukunft der Landwirtschaft wieder in Gang setzten".
Zwei mögliche Wege
Letztlich schien den Autoren der Beitrag von Borchert, Schwarz und Strohschneider so profund, dass sie in ihrem Buch an deren Beispiel den Weg der ZKL zeichnen. Laut Schulze Pals zeigte sich dabei, dass Borchert und Strohschneider völlig unterschiedlich an ihre Aufgaben herangegangen sind: „Jochen Borchert war sehr wissenschaftsorientiert, hat sich insbesondere mit Folkhard Isermeyer und Harald Grethe zusammengesetzt und dann die Prozesse sehr stringent durchformuliert.“ Strohschneider hingegen habe sehr intensiv mit den einzelnen Lagern gesprochen, die „Kernschmerzen“ herausgearbeitet und dann an Kompromisslinien gearbeitet. Zwei mögliche Wege, die beide trotz zeitweiser Krisen zu Ergebnissen gekommen seien.
Die Rolle des heutigen schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministers Werner Schwarz in der Zukunftskommission darf ebenfalls nicht unterschätzt werden. Das hat für Schulze Pals viel mit dem Elternhaus von Schwarz zu tun. Dort sei der politische Diskurs groß geschrieben worden und „es war der Familie immer wichtig, auch die andere Seite zu verstehen“. Diese Kompromissfähigkeit und der faire Umgang von Schwarz sei ein großer Gewinn für die erste Runde der Zukunftskommission gewesen, ohne den der inhaltliche Erfolg vielleicht nicht so sicher gewesen wäre.
Obwohl im Falle der ZKL am Ende sogar zweimal Kompromisspapiere standen, scheiterte aber bisher die politische Umsetzung sowohl im Falle der Borchert-Kommission als auch der ZKL. Nach Auffassung von Münch lag das nicht zuletzt an „Übermut, Hochmut, fehlendem politischem Mut und Ignoranz“. Auch das führen die Autoren in ihrem Buch im Detail aus.
Brauchen Legislatur-übergreifenden Konsens
Was bleibt von Borchert-Kommission und ZKL und was könnte noch umgesetzt werden? Für Münch und Schulze Pals zunächst die Erkenntnis, dass ideologische Gräben zugeschüttet werden und Kompromisse geschlossen werden können. Und ein neues Verständnis zwischen landwirtschaftlichen Berufsstand, Naturschutz und Wissenschaft.
Für die Zukunft zitiert Münch den DRV-Präsidenten Franz-Josef Holzenkamp, der gesagt habe: „Die neue Regierung müsste mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn sie das nicht annehmen würde.“ Dafür müssten Schulze Pals zufolge aber parteipolitische Erwägungen einmal in den Hintergrund treten, die zuvor die Umsetzung der Vorschläge mindestens mit verhindert hätten. Der alte politische Reflex „Das kommt von den Anderen, das taugt nicht“, müsse Platz machen für einen längerfristigen, Legislatur-übergreifenden Konsens. „Sonst kommen wir nicht aus dem Elend raus“, mahnt Schulze Pals.