Die EU-Kommission hat Mitte Dezember vorgeschlagen die Gemeinsame Marktordnung (GMO) zu reformieren. Unter anderem will sie die EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichten, den umstrittenen Artikel 148 umzusetzen.
Was ist der Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung?
Der Artikel 148 der GMO ermächtigt die EU-Mitgliedstaaten, Molkereien und Milchlieferanten dazu zu verpflichten, vor Ablieferung der Milch Absprachen über verbindliche Preise und Mengen zu treffen.
Die Gemeinsame Marktordnung
Die Verordnung über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte fasst nahezu den gesamten Bereich des Agrarmarktrechts in einer Verordnung zusammen. Die GMO ist einer der zentralen Bestandteile der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU-Mitgliedstaaten.
Der neue EU-Agrarkommissar Christophe Hansen will durch den Schritt die Stellung von Landwirten in der Lieferkette stärken. „Wir wollen die gemeinsamen Marktordnung (GMO) ändern und Produzentenorganisationen fördern. Ich habe in meiner zweiten Amtswoche Vorschläge in diese Richtung vorgelegt“, sagte Hansen im Gespräch mit top agrar.
Hansen: „Keine zehnseitigen Lieferverträge“
Auf Nachfrage, ob dieser Schritt zu mehr Bürokratie führe, entgegnete Hansen: „Das sehe ich anders, man muss keinen zehnseitigen Vertrag haben.“
Der neue EU-Agrarkommissar erklärte: „Man muss nur sagen: ‚Hier ist das Produkt, das ich liefere, hier ist die Menge, die wir vereinbaren und wenn die Qualität zu dem Punkt geliefert werden kann, das ist der Preis.‘“
Die vorgeschlagenen Regeln sähen auch vor, „dass man diesen Vertrag während der Laufzeit abändern kann. Wenn zum Beispiel Düngerpreise explodieren würden, könnte man das wieder reinrechnen“, so Hansen.
Agrarkommissar erwartet „stabilere“ Milchpreise
„Ich verspreche mir auf jeden Fall stabilere Preise und die nötige Vorhersehbarkeit. Denn das ist das, was ein Landwirt braucht“, mache Hansen gegenüber top agrar klar.
Der EU-Agrarkommissar sieht in seinem Vorschlag klare Vorteile für die Landwirte in der EU: „Wir erwarten, dass der Landwirt ein Produkt erzeugt und das nicht zu Preisen verkaufen muss, die nicht mehr seine Kosten decken. Das heißt, dass von Anfang an ein Landwirt ein Unternehmer ist, der rechnet: ‚Ich produziere diese Quantität, ich brauche diesen Preis, damit ich auch davon leben kann.‘ Er muss wissen, wenn ich jetzt säe, was bekomme ich am Ende dabei raus, damit ich auch noch überleben kann.“
Artikel 148 bleibt umstritten
Seit Jahren streiten sich die Akteure am Milchmarkt um den Artikel 148 und die daraus folgenden Lieferverträge. Während sich in Deutschland der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) dafür aussprechen, lehnen der Deutsche Bauernverband (DBV), der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) und der Milchindustrie-Verband (MIV) die nationale Einführung des Artikels 148 GMO strikt ab.
BDM und AbL sehen darin einen ersten Schritt für eine stärkere Marktstellung für Milcherzeugerinnen und -erzeuger. Laut DBV und DRV schadet die Einführung der Branche und insbesondere kleineren Betrieben.
Kaum noch Chancen auf Artikel 148 vor der Bundestagswahl
Anfang Dezember hatte der deutsche Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Länder- und Verbändeanhörung gestartet, um den Artikel 148 in Deutschland umzusetzen. Damit wäre er der EU-Kommission zuvorgekommen. Vor der Bundestagswahl im Februar 2025 rechnen Beobachter aber nicht mehr damit, dass Özdemir das Verfahren abschließen kann.
Hansen sucht Mehrheit für seine Vorschläge
Sowohl die EU-Mitgliedstaaten als auch die Abgeordneten im Europaparlament werden die Vorschläge der EU-Kommission nun diskutieren und Positionen dazu fassen. Erst dann verhandeln sie mit der EU-Kommission um einen finalen Kompromiss zu Hansens Vorschlägen.
Hansen im Exklusivinterview
Das komplette Interview mit Christophe Hansen über die ersten Tage seiner Amtszeit, die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen lesen hier.