„Der Pflanzenschutz ist notwendig, um sichere Qualitäten und Erträge zu erreichen. Aber wenn immer weniger Wirkstoffe zur Verfügung stehen, kann Ernährungssicherheit für die Bevölkerung nicht funktionieren“, sagte Junglandwirtin Clara Strampe gleich zu Beginn der Veranstaltung „Politik trifft Praxis“ in der saarländischen Landesvertretung in Berlin. Die Diskussionsrunde, organisiert von top agrar und unterstützt von BASF, brachte junge Landwirtinnen und Landwirte mit Vertreterinnen aus Politik, Verbänden und Wissenschaft zusammen.
Heise: „Wir nutzen nicht genug Möglichkeiten, die wir haben"
Strampe war eine von fünf engagierten Junglandwirten der Albrecht-Thaer-Schule Celle, die ihre Sorgen und Forderungen vor den Politikern offen ansprachen. Unterstützung erhielt sie von Jungbauer Lenn Heise, der die Chancen moderner Technologien in den Fokus rückte: „Wir nutzen nicht genug Möglichkeiten, die wir haben. Die grüne Gentechnik etwa bietet großes Potenzial, um Pflanzenschutzmittel einzusparen – aber wie soll das funktionieren, wenn wir solche Ansätze nicht einmal ernsthaft in Betracht ziehen?“, richtete er sich direkt an die anwesenden Politiker.
Auf politischer Seite zeigte sich Johannes Funke, Agrarsprecher der SPD-Landtagsfraktion Brandenburg, verständnisvoll und kündigte konkrete Schritte an: „Ich bin mir ganz sicher, dass wir mit knallharten Forderungen in die Koalitionsverhandlungen gehen, um die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu vereinfachen.“ Er legte sogar noch nach: Man müsse prüfen, ob auch bereits verbotene Mittel unter bestimmten Bedingungen wieder zugelassen werden könnten. Zudem sprach sich Funke offen für erste Freilandversuche mit grüner Gentechnik aus: „Wir sollten das ausprobieren und dann in kleinen Schritten weiterkommen.“
Kritik am Düngerecht: „System außer Kontrolle“
Auch beim Thema Düngerecht zeigte sich Funke, selbst ausgebildeter Tierwirt und Diplom-Agraringenieur, auf Linie mit den Landwirten: „Wir tun alles dafür, um die Stoffstrombilanz abzuschaffen und Bürokratie abzubauen.“ Dabei sparte er nicht mit Kritik an Noch-Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, dem er vorwarf, die Abschaffung der Stoffstrombilanz nicht entschlossen genug vorangetrieben zu haben.
Deutliche Worte fand auch Dr. Holger Hennies, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes und Präsident des Landvolks Niedersachsen. Er kritisierte das bestehende Düngerecht scharf: „Es ist uns aus dem Ruder gelaufen und zu einem Mikromanagement geworden, das wir uns nicht mehr leisten können.“ Besonders die Ausweisung der Roten Gebiete sieht er kritisch – sie seien Ausdruck einer staatlichen Übergriffigkeit. Seiner Ansicht nach hätten die bisherigen Regelungen grundlegende Prinzipien des Ackerbaus ausgehebelt. Sein Fazit: „Wir brauchen ein neues System.“
Messtellensystem funktioniert nicht
Viele der anwesenden Landwirtinnen und Landwirte beklagten die aktuelle Düngeverordnung ebenso. Neben der Mehrfachdokumentation verhindere sie eine bedarfsgerechte Düngung und gefährde so den Anbau wichtiger Kulturen. Ein weiterer Kritikpunkt betraf die Messstellen in den Roten Gebieten, deren Ergebnisse häufig nicht korrekt eingeordnet würden.
Für Christina-Johanne Schröder, Bundestagsabgeordnete der Grünen und Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, liegen die Ursachen in der Vergangenheit. Hohe Nitratwerte seien lange Zeit ignoriert worden, weshalb die Ausweisung der Roten Gebiete letztlich unumgänglich gewesen sei. Dies sei jedoch vor der Zeit der Regierungsbeteiligung der Grünen passiert. Durch das bestehende Vertragsverletzungsverfahren blieb der Ampelkoalition kein Spielraum.
Sie zeigte sich offen für konstruktive Lösungen und ging auch auf die Kritik am Flächenverbrauch durch Freiflächen-Photovoltaik ein. Die Grüne verwies auf das Potenzial von Agri-PV, um Flächenkonflikte zu entschärfen – gab jedoch zu, dass Photovoltaik derzeit noch zu teuer sei, um auf Parkplätzen oder anderen versiegelten Flächen im großen Stil eingesetzt zu werden.
Zukunftskommission Landwirtschaft: Viel erarbeitet, wenig umgesetzt
Prof. Dr. Achim Spiller von der Universität Göttingen, der die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) leitet, zog ein differenziertes Fazit zu den Ergebnissen der Kommission. Die habe versucht, tragfähige Lösungen zu finden, die Ertragsfähigkeit der landwirtschaftlichen Produktion mit Umwelt- und Naturschutz in Einklang bringen. Konkret habe man unter anderem empfohlen, die Direktzahlungen stärker auf Gemeinwohlleistungen auszurichten und die Regulierungsdichte im Düngerecht zu senken. Doch die Politik habe die erarbeiteten Vorschläge bislang nicht umgesetzt.
Auch beim Thema Gentechnik plädierte Spiller für einen gesellschaftlichen Aufbruch: „Hier sollten wir uns bewegen – das hätte ich mir schon von der alten Regierung gewünscht. Vielleicht klappt es diesmal.“
Junge Landwirte: „Wir haben Bock“
Ob und in welchem Maß die Politik die Anliegen der Landwirte nun aufgreifen wird, bleibt offen. Deutlich wurde jedoch, dass die jungen Landwirtinnen und Landwirte hoch motiviert sind – trotz aller Herausforderungen. Merit Hornbostel brachte diese Entschlossenheit am Ende der Veranstaltung auf den Punkt: „Mit der Bürokratie sind wir alle überfordert, und wenn ich in die Zukunft blicke, kriege ich ein bisschen Angst. Aber wir haben Bock auf Landwirtschaft – und dafür müssen wir neue Reize schaffen.“