Er redete nicht lange drum herum: „Deutschland braucht einen Politikwechsel – insbesondere in der Wirtschafts-, Umwelt- sowie Agrarpolitik“, sagte Friedrich Merz Mitte Dezember in Olsberg im Hochsauerlandkreis. Und genau diese Politikbereiche müssten Hand in Hand gehen.
Der Politikstil der aktuellen Bundesregierung dürfe sich nicht fortsetzen, verdeutlichte der CDU-Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidat der Union. Als Beispiel nannte er das „Verbrenner-Aus“ sowie das „Heizungs-Gesetz“. Der grundsätzliche Ansatz der CDU sei ein anderer: Sie will nicht mit Verboten arbeiten, sondern „Politik soll festlegen, welche Ziele erreicht werden sollen“ und das gemeinsam mit den Beteiligten umsetzen.
Merz wohnt in Arnsberg, der Hochsauerlandkreis ist sein Wahlkreis. Auf Einladung des Kreisverbandes Hochsauerland des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) diskutierte er gestern Abend mit rund 150 Land- sowie Forstwirten über agrarpolitische Themen. „Ich lege Wert darauf, mit den Land- und Forstwirten im Gespräch zu bleiben“, sagte er zu Beginn.
Seine wichtigsten Standpunkte in Kurzform:
Agrardiesel und Steuern
Merz will die steuerliche Rückerstattung für Agrardiesel für Land- und Forstwirte auf das Niveau zurückbringen, auf dem es vor der Kürzung der Ampelregierung war – also 21,48 Cent pro Liter. Insgesamt dürfe die Jahressteuerbelastung für deutsche Landwirte nicht höher sein als im europäischen Durchschnitt.
Bürokratieabbau
Bürokratie sei ein wesentlicher wirtschaftlicher Bremsklotz. Inzwischen sei ein Punkt erreicht, wo keine kleinen Schritte mehr ausreichten, es müsse etwas Grundsätzliches passieren. Zum einen auf EU-Ebene: Zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will er ein Drittel der Berichtspflichten streichen, die Wettbewerbsfähigkeit der EU in den Fokus stellen und über den europäischen Rat dafür sorgen, dass die EU nichts mehr behandle, für das sie nicht zuständig sei.
Auf nationaler Ebene will Merz alle bereits bestehenden Gesetze auf das EU-Niveau zurückfahren, damit Deutschland nicht immer noch etwas draufsattele. Und er will ein Digitalisierungs-Ministerium gründen, das ressortübergreifend Digitalisierung deutschlandweit voranbringen soll.
Agrarförderung
Zur konkreten Zukunft zur Gemeinsamen Agrarpolitik will sich der Sauerländer erst nach der Bundestagswahl Gedanken machen. Klar ist für ihn aber, dass die „Förderkulisse so klein wie möglich“ ausfallen soll. Er will keine Dauer-Subventionierung, damit Betriebe überleben. Vielmehr müsse die Politik Rahmenbedingungen schaffen, dass Landwirte ohne staatliche Hilfen erfolgreich wirtschaften könnten. „Nur ein Betrieb, der aus sich selbst heraus lebt, ist zukunftsfähig“, so Merz.
Offen für Fördergelder ist Merz beispielsweise, wenn Betriebe auf Grünlandstandorten die Kulturlandschaften offenhalten und damit eine gesellschaftliche Leistung erbringen, diese aber am Markt nicht ausreichend bezahlt bekommen.
Kontrollen
Merz will die Kontrolldichte zurückfahren. „Meine Grundeinstellung ist, dass Land- sowie Forstwirte ein ureigenes Interesse haben, gut mit ihren Flächen und Tieren umzugehen. Das braucht der Gesetzgeber nicht immer kontrollieren“, sagte er.
Die Ernährungssicherheit wird an Bedeutung gewinnen und wir müssen uns in Europa in jeder Hinsicht vorbereiten."
Ernährungssicherheit
Aufgrund der geopolitischen Entwicklung ist der CDU-Bundesvorsitzende überzeugt, dass das Thema „Ernährungssicherheit“ an Relevanz gewinnt. „Wir leben in einer Zeitenwende, in einem tiefen Epochenbruch. Die Ernährungssicherheit wird an Bedeutung gewinnen und wir müssen uns in Europa in jeder Hinsicht vorbereiten“, sagte Merz.
Er möchte daher darüber diskutieren, Ernährungssicherheit als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Nicht weil er ein Freund davon ist, möglichst viel im Grundgesetz zu regeln. Sondern vielmehr, damit es ein Gleichgewicht zum Staatsziel „Tierwohl“ gibt.
Verbandsklagerecht
Merz ärgert es maßlos, dass eine regelrechte „Klage-Industrie“ etliche Vorhaben in Deutschland lahmlege – egal ob Bau von Brücken oder Ställen. Das will er drastisch einschränken. Damit seien nicht die berechtigten Sorgen von zum Beispiel Nachbarn bei einem Bauvorhaben gemeint, sondern unter anderen Nicht-Regierungs-Organisationen, die sich auf solche Klagen spezialisiert hätten.
Vor Mercosur muss in Deutschland sowie Europa niemand Angst haben."
Handelspolitik
Was genau nach der Ernennung von Donald Trump zum US-Präsidenten am 20. Januar 2025 geschehe, könne Merz auch nicht sagen – aber auf jeden Fall würden die internationalen Beziehungen andere sein. Er ist daher ein starker Befürworter des Mercosur-Handelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Ländern und will „alles tun, damit das Abkommen in Kraft tritt.“ Bei den Sorgen der Landwirte verweist er auf die aus seiner Sicht niedrigen Importquoten und sagt: „Davor muss in Deutschland sowie Europa niemand Angst haben.“
Energiepolitik
Merz klare Devise ist: Deutschland muss klimaneutral werden, ohne die Substanz der Wirtschaft zu gefährden. Dieses Bekenntnis ist für ihn auch Bedingung an einen möglichen Koalitionspartner. Er setzt dabei auf absolute Technologieoffenheit – von Wasserstoff bis hin zu Mini-Kernkraftwerken. Merz hob hervor, dass der Strombedarf in Deutschland exponentiell steigen werde. Die vielen „Dunkelflaute-Tage“ im November hätten gezeigt, dass es aktuell noch nicht ohne fossile Energie oder Atomstrom aus anderen Ländern gehe.
Erneuerbare Energien
Freiflächen-Photovoltaikanlagen sieht Merz eher skeptisch – auch, weil diese zusätzlich Landwirtschaftsfläche beanspruchen würden. Windenergieanlagen findet er „nicht schön“, sieht sie aber als „Übergangstechnologie“. Was ihn ärgert, ist der ungesteuerte Zubau in NRW. Das ist derzeit möglich, weil nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster Anlagen auch außerhalb des Regionalplans entstehen dürfen. Merz ist aber zuversichtlich, schon kommende Woche zuerst im Bundestag und dann im Bundesrat eine Klärung zu erreichen – und damit einen verbindlichen Flächennutzungsplan für NRW.
Innovationen
Gerade für die Land- sowie Forstwirtschaft sieht Merz Biotechnologie sowie neue Züchtungstechniken als „spannendes Feld“. Er ist unbedingt dafür, diese Techniken zu nutzen – bevor es andere tun.
Bei seinen Ausführungen zum Mercosur-Abkommen sowie zur Förderung gab es leichtes Gegrummel im Saal, ansonsten erhielt Merz viel Zustimmung. WLV-Präsident Hubertus Beringmeier betonte noch einmal, dass gerade Tierhalter verlässliche politische Rahmenbedingungen und somit eine Perspektive benötigten.
WLV-Kreisverbandsvorsitzender Wilhelm Kühn warf den Blick bereits auf die Zeit nach der Wahl: „Wir nehmen Sie beim Wort!“