Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Die Bauernproteste rund um den vergangenen Jahreswechsel haben viel Positives erreicht. Allerdings hatten viele Landwirte mehr erwartet. Daher will der Bauernverband dran bleiben und den Druck auf die Politik hoch halten. Dieses Fazit zog der Vorstand des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) vergangene Woche auf seiner digitalen Vorstandssitzung.
„Weiche“ Erfolge
Eingangs erinnerten WLV-Präsident Hubertus Beringmeier sowie WLV-Hauptgeschäftsführer Dr. Thomas Forstreuter an die Demonstrationen: Am 18. Dezember 2023, nur wenige Tage nach der Ankündigung der Ampelregierung, die Agrardieselrückerstattung sowie Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge zu streichen, fand in Berlin die erste Demo mit 10.000 Teilnehmern sowie 3.000 Traktoren statt. Vom 8. bis 12. Januar gab es in ganz Deutschland eine Aktionswoche mit in Summe 100.000 Traktoren, wobei auch in Westfalen-Lippe viele verschiedene Veranstaltungen stattfanden. Zur Abschlusskundgebung am 15. Januar in Berlin kamen nach Bauernverbandsangaben 30.000 Demonstranten mit rund 10.000 Traktoren.
Beringmeier und Forstreuter berichteten, dass sie die Bilanz der Proteste auch innerhalb der Gremien des Deutschen Bauernverbandes diskutiert haben. Dabei sei insbesondere die positive Resonanz in Politik und Gesellschaft herausgestochen: Medien hätten sehr umfangreich über Landwirtschaft berichtet und überwiegend Verständnis für die Landwirte gezeigt, Agrarwirtschaft sei in den „Mittelpunkt der Gesellschaft“ gerückt, für Politik sei Landwirtschaft monatelang ein Top-Thema gewesen und „Ernährungssicherung sowie gute Landwirtschaft in Deutschland“ ein neues Feld in der Programmatik der Parteien.
Der WLV-Vorstand teilt die Einschätzung. Die Proteste hätten zu mehr Respekt sowie Wertschätzung in Politik und Gesellschaft beigetragen, auch nachhaltig. Lisa Sternberg vom WLV-Unternehmerinnenausschuss ergänzte, dass der Zusammenhalt unter den Landwirten gestärkt sei – weil sich jeder an den Aktionen beteiligt habe, ganz egal wie der Betrieb aufgestellt ist.
Daneben habe es aber auch „harte Erfolge“ gegeben, erläuterten Beringmeier und Dr. Forstreuter weiter.
„Harte“ Erfolge
Sie blickten zunächst nach Deutschland: Die Ampelregierung sei von den Kürzungsplänen ein stückweit zurückgerudert, die „grüne Nummer“ bleibt und das Abschmelzen der Agrardieselrückvergütung streckt sich auf drei Jahre. Zudem habe sie die steuerliche Gewinnglättung verlängert, die verpflichtende 4 %ige Stilllegung ausgesetzt, Erleichterungen bei den Agrarprämien-Auflagen auf den Weg gebracht und Bürokratie-Abbau sowie eine Stärkung erneuerbarer Kraftstoffe angekündigt.
Auch Brüssel habe auf die Proteste reagiert: So gebe es auch auf EU-Ebene Erleichterungen bei den Agrarprämien-Auflagen wie zum Beispiel den GLÖZ-Standards, es habe einen strategischen Dialog über die Zukunft der Landwirtschaft gegeben und die EU-Kommission habe die umstrittene Pflanzenschutzverordnung SUR zurückgezogen – wobei das mehr „an der harten Arbeit der Bauernverbände im Hintergrund“ gelegen habe als an den Protesten, sagten Beringmeier und Dr. Forstreuter.
Diese „harten Erfolge“ enttäuschen viele Praktiker allerdings. „Die Erwartungshaltung war höher“, sagten beispielsweise Albert Rohlmann, Kreisverbandsvorsitzender in Steinfurt, und Antonius Tillmann, Kreisverbandsvorsitzender in Höxter. Sie plädieren dafür, den Druck unbedingt hoch zu halten. Und zwar insbesondere auf Verbesserungen für Landwirte, die der Politik kein Geld kosten. Denn der Haushalt sei klamm. Einhellig forderte der WLV-Vorstand, den Bürokratie-Abbau wirklich anzugehen und für spürbare Entlastungen für die Praxis zu sorgen.