Dieser Kommentar ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Die Grüne Woche im Wahlkampf: Der Branchentreff ist dieses Jahr noch politischer als sonst. Von Abrechnungen über Forderungen bis Versprechen ist alles dabei – inklusive eines neuen Hoffnungsträgers in der Agrarpolitik. Doch zum Start überschattete der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (MKS) alle Gespräche – und zeigte, wie schnell alles anders sein kann.
Özdemir auf Abschiedstour
Auf Abschiedstour in Berlin ist Bundesagrarminister Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker sparte nicht an Selbstkritik an der zerbrochenen Ampelkoalition – aber auch nicht an Lob, was er auf den Weg gebracht habe und wie wichtig die Arbeit der Landwirte sei. Applaus gab’s dafür wenig, viele weinen Özdemir keine Träne nach.
Das schraubt die Erwartungen an die neue Bundesregierung hoch. Bauernpräsident Joachim Rukwied pochte darauf, dass Politik die Wettbewerbsfähigkeit der Branche wiederherstellen und für Planungssicherheit sorgen müsse. Das adressierte er an die vielen Politiker, die sich auf der Messe tummelten.
Auffällig: Besonders Vertreter von CDU/CSU suchten den Schulterschluss zur Landwirtschaft und erläuterten, was sie verbessern wollen. Viele Landwirte fragen sich aber, ob das auch noch gilt, wenn – sollte die Union gewinnen – sie mit einer oder mehreren Parteien koalieren muss. Oder fallen diese Zusagen dann doch hintenüber?
EU-Agrarkommissar Hansen zeigt Nähe
Das könnte auch in Brüssel passieren. Der neue EU-Agrarkommissar Christophe Hansen hatte seinen ersten großen Auftritt – und nutzte die Bühne: Auf sympathische Art zeigte er seine Nähe zu den Bauern, skizzierte einen Plan für handfeste Erleichterungen und zeichnete eine positive Zukunft für die europäische Landwirtschaft.
Damit löste er fast schon euphorische Begeisterung aus – und legte die Erwartungshaltung hoch. Das ist gut, birgt aber das Risiko einer Enttäuschung. Zumal es nicht leicht ist, im Brüsseler Apparat etwas umzusetzen. Und weil es immer zu unkalkulierbaren Schocks kommen kann.
MKS provoziert Umsatzverlust von 1 Mrd. €
Das zeigt der MKS-Nachweis in Brandenburg vor der Grünen Woche. Bislang ist es bei dem Einzelfall geblieben. Das wäre wichtig, allein dieser Punkteintrag in eine Wasserbüffelherde hat die deutsche Tierhaltung ins Mark getroffen: Die Fleisch- und Milchbranche bezifferte den Umsatzverlust in den ersten Tagen auf rund 1 Mrd. €. Vor allem durch Einschränkungen im Handel.
Die Märkte sind nervös, einige Akteure fürchten schlimmstenfalls einen Stau von Fleisch und Milch an den deutschen Grenzen. Stand heute ist der Schweinepreis gefallen, auf dem Milchmarkt entsteht Druck. Aber es gibt zum Glück keinen „Marktkollaps“, dafür aber zarte Anzeichen der Entspannung.
Internationale Agrarministerkonferenz hilft bei MKS-Abstimmung
Dazu hat ausdrücklich auch die Politik beigetragen. Damit deutsche Unternehmen Fleisch und Milch exportieren können, müssen Veterinäre in den Bundesländern Zertifikate ausstellen. Diese müssen nach dem MKS-Fall anders aussehen als vorher. Dafür sind Gespräche nötig – in Deutschland und mit den Importländern. Hier sollen das NRW-Agrarministerium sowie das Bundeslandwirtschaftsministerium vorbildlich unterwegs sein.
Vermutlich hat auch geholfen, dass Agrarminister aus dem Bund sowie aus rund 70 Ländern der Welt auf der Grünen Woche versammelt waren. Sie konnten direkt miteinander sprechen. Es wäre ein glücklicher Umstand, um noch drastischere Auswirkungen zu verhindern. Und die Chance, dass Politik handfeste Lösungen liefert, ganz ohne Wahlkampf.