Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
In Hessen scheint die „Chemie“ zwischen Bauernverband und Landesregierung derzeit zu passen. Bei der Eröffnung der Landwirtschaftlichen Woche Nordhessen war in der vergangenen Woche jedenfalls deutlich zu spüren, dass die Sorgen und Nöte der Bauern im Wiesbadener Landwirtschaftsministerium ernst genommen werden.
So war Agrarminister Ingmar Jung persönlich zum traditionellen Auftakt des agrarpolitischen Jahres gekommen, um den rund 400 Besuchern in Baunatal die politische Linie seines Hauses zu erläutern.
Landwirtschaft Garant für Versorgungssicherheit
„Wir setzen auf pragmatische Lösungen und möchten die Landwirte arbeiten lassen, ohne zu viel zu regulieren“, erklärte der Minister gleich zu Beginn seiner Ausführungen. Schließlich sehe er die Landwirtschaft als Garant für Versorgungssicherheit. In stürmischen Zeiten mit Herausforderungen wie dem Klimawandel, Tierseuchenausbrüchen und Preisschwankungen auf den Märkten bräuchten die Betriebe Unterstützung und keine zusätzlichen Steine im Weg. Die Landwirtschaft eigne sich nicht als Spielball für ideologische Experimente.
Die Landesregierung wolle den Betrieben helfen und setze sich beispielsweise auf Bundesebene für eine umfassende und langfristige Strategie zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) ein. Auch finanziell müsse sich Berlin endlich an der Seuchenbewältigung beteiligen.
Unter anderem brauche man dringend Lösungen für die Vermarktungsprobleme von Schweinen aus ASP-Restriktionszonen, ergänzte Karsten Schmal als Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV).
In Sorge um die Tierhaltung
Überhaupt zeigte sich der HBV-Präsident und Milcherzeuger aus Waldeck-Sachsenhausen besorgt über die Entwicklung der Tierhaltung im Land. Neben den Schweinen seien auch die Kuhbestände auf dem Rückzug. „Eigentlich müssten dringend neue Ställe gebaut werden. Aber niemand weiß, was morgen für deren Ausgestaltung gilt. Daher bleiben die Investitionen aus und die heimische Erzeugung geht auf Dauer zurück. „Es darf deshalb nicht sein, dass Tierhalter beim Umbau ihrer Betriebe allein gelassen werden“, mahnte Schmal: „Wir brauchen eine Bundesregierung, die endlich ein verbindliches Finanzierungskonzept vorlegt und dafür sorgt, dass die Erzeugung nicht ins Ausland verlagert wird“, forderte der HBV-Präsident.
"Es darf deshalb nicht sein, dass Tierhalter beim Umbau ihrer Betriebe allein gelassen werden."
Auch den Verbrauchern müsse klar werden, was auf dem Spiel steht. Die ernsthafte Gefährdung der Versorgungssicherheit sei in der Gesellschaft noch nicht überall angekommen.
Neuausrichtung der Politik
In diesem Zuge forderte Schmal eine nachhaltige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft und eine Neuausrichtung der Politik. Die Landwirtschaft stehe an einem Wendepunkt. „Wir brauchen eine Politik, die Bürokratie abbaut, klare Planungssicherheit bietet und innovative Entwicklungen vorantreibt. Nur so können wir weiterhin hochwertige Lebensmittel produzieren und gleichzeitig den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden“, erklärte der HBV-Präsident. Statt wettbewerbsverzerrender nationaler Alleingänge brauche Deutschland klare Signale für eine praxisnahe Gesetzgebung und stabile Rahmenbedingungen, die auch den jungen Menschen in der Branche wieder Mut auf die Zukunft machen.
Wichtige Infrastruktur wird vernachlässigt
Das gilt im Übrigen nicht nur für die Bauern, sondern für die ganze Wirtschaft, ergänzte Wolf Matthias Mang. Der Präsident der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände forderte mit Blick auf die aktuelle Lage in Deutschland ein generelles Umdenken der Entscheidungsträger.
Manche von ihnen beschäftigen sich lieber mit der Frage, wo der nächste Radweg gebaut werden kann und vernachlässigen die für eine funktionierende Wirtschaft wirklich wichtige Infrastruktur. Dabei sei die Wirtschaft die Grundlage des Wohlstandes. Diese müsse durch schnellere Genehmigungen und niedrigere Unternehmenssteuern zu Investitionen ermuntert werden, statt sie durch immer strengere Auflagen ins Ausland zu treiben.