Was wäre, wenn die aktuellen Agrarzahlungen der GAP, bestehend aus Direktzahlungen, freiwilligen Agrarumweltmaßnahmen, Öko-Regelungen und verpflichtenden GLÖZ-Standards, gegen eine „erfolgsorientierte Agrarprämie“ eingetauscht werden? Wie könnte ein solches System in der Praxis der Landwirtinnen und Landwirte funktionieren? Und wie kommt es bei denen an, die dafür aktiv hinarbeiten?
Ein Forschungsteam der Universität Kiel hat das unter der Leitung von Agrarökonom Prof. Dr. Uwe Latacz-Lohmann bereits 2022 veröffentlicht. Den Praxistest veröffentlichte das Team auf dem Agrarforum in Soest (top agrar berichtete).
Nach Veröffentlichung dieses Artikels erreichten uns einige Zuschriften aus der top agrar-Leserschaft. Einen Auszug der Lesermeinungen lesen Sie hier:
Ein offenes, freundschaftliches und respektvolles Diskussionsklima liegt uns auch nach der Überarbeitung unseres Kommentarbereichs weiterhin am Herzen. Wir wollen Ihnen jederzeit die Möglichkeit geben, Ihre Meinung zu den Themen, die die Landwirtschaft bewegen, zu äußern. Dafür stellen wir Ihnen wöchentlich eine Sammlung unserer Leserzuschriften zu verschiedenen Themen zusammen.
Alle Meinungsbeiträge in diesem Artikel stammen von unseren Leserinnen und Lesern. Sie geben nicht unbedingt die Meinung unserer Redaktion wieder.
Wir behalten uns vor, die Einsendungen gekürzt in diesem und ähnlichen Formaten zu veröffentlichen.
"Verlierer sind mal wieder die Ackerbauern mit Getreideanbau. Und das obwohl der ganze Markt immer auf die Weizenproduktion schaut." (Christian Hoffmann)
Der Bürokratieaufwand wäre zu hoch
"Wenn das kommt, höre ich auf und verpachte meine Flächen. Das nachzuweisen würde mich sonst vermutlich zum ausschließlichen Schreibtischtäter machen. Und die Pachtpreise werden deshalb garantiert nicht sinken. Denn es ist dem Verpächter doch vollkommen egal, wofür man das bekommt." (Thorsten Holtmeier)
Damit können wir kein Geld verdienen
"Mit der erfolgsorientierten Prämie ist kein Geld zu verdienen! Das System bezahlt nicht mal den Aufwand dazu. Für wie blöde halten solche Doktoranden die Landwirte? Ackerbrache haben diese Herren noch vergessen! Grünbrache und Ackerbrache 650 € ? Es gibt bei uns Gebiete, da werden 1200 €/ha Pacht gezahlt. Da ist jeder Unternehmergeist am Ende!" (Hermann Kamm)
Einkommen können wir mit den Prämien auch nicht aufstocken
"Wir haben es doch jetzt schon! Kein Mensch möchte Almosen. Wie sehr sollte die GAP-Zahlung, als Ausgleich für unsere hohen Standards, der billigen Konkurrenz auf dem Weltmarkt herhalten? Alle hatten sich dran gewöhnt, und nun soll diese eierlegende Wollmilch-Sau uns helfen, in die ökologische Landwirtschaft einzusteigen!? Das ist so durchschaubar und wird den Betrieben und der Bevölkerung hier nicht gerecht.
Wer Öko-Landwirtschaft betreibt, wird schon recht ordentlich unterstützt. Und das ist auch gut so, weil man sonst nicht konkurrenzfähig ist. Aber alle Bauern, können höchstens einige Flächen, ganz rausnehmen, oder es sein lassen. Die GAP-Prämien habe nicht mehr das Ziel, das Einkommen entscheidend zu verbessern. Das muss jedem Unternehmen klar werden." (Willy Toft)
Uns Tierhaltern ist damit nicht geholfen
"Unter diesen Bedingungen würde ich aus den Agrarzahlungen aussteigen. Ich bewirtschafte einen Hochleistungsmilchviehbetrieb mit knapper Flächenausstattung in einer Gegend, in der Biogas die Landwirtschaft dominiert. Pachtflächen unter 1200 €/ha sind nicht zu kriegen. Diese Reform ist wieder einmal für flächenstarke Ackerbaubetriebe oder Betriebe mit wenig Viehhaltung und ertragsschwachen Standorten gemacht. Da bin ich gleich für die Abschaffung der Flächenprämien und dafür eine Bezuschussung der extrem gestiegenen Sozialabgaben!" (Rupert Nicklbauer)
Beide Systeme haben Mängel
"Das System hat die gleichen Mängel wie das aktuelle System. Ob die Ziele des Green Deal erreicht werden, ist fraglich. Wie damit „Moor muss nass“, die Senkung der Grundwassernitratgehalte oder die Verbesserung des ökologischen Zustandes der Natura 2000 Gebiete erreicht wird, ist völlig offen. Eine einheitliche Prämie über alle Standorte würde zudem zu einer Konzentration der Maßnahmen an ertragsschwachen Standorten führen." (Rudolf Kuse-Isingschulte)
"Der Ansatz den Herr Prof. Dr. Uwe Latacz-Lohmann hier verfolgt scheint grundsätzlich nicht schlecht. Jedoch wird, wie bei den aktuellen Eco-Schemes auch, die Grünlandbewirtschaftung fast außen vorgelassen bzw. nicht ausreichend honoriert." (Andreas Waller)
"Ein Überwälzen der Prämien auf den Pachtmarkt (also das Weiterreichen an den Verpächter) wird erst dann enden, wenn es keinen Druck mehr auf den Pachtmarkt gibt, d. h. wenn das Angebot an Flächen größer ist als die Nachfrage. Das sehen wir bereits in einzelnen, wenigen Regionen Deutschlands." (Erwin Schmidbauer)
Wir brauchen heimische Lebensmittel
"Besser wäre, wenn das ein Ökonom betrachtet, der weiß wozu die AUSGLEICHS-Zahlungen eingeführt wurden: Um die Marktöffnung zu ermöglichen (WTO-Vorgabe), aber zu verhindern, dass die wegen hoher teurer Standards benachteiligte europäische Landwirtschaftliche Erzeugung nicht durch Importe (ohne diese Teuerungsfaktoren) verdrängt wird, wurde ein bzw. DER einzig gangbare Weg gefunden, die Extrakosten von der Allgemeinheit, also durch Steuergeld zu finanzieren. Andernfalls würde das, was wir Europäer essen, bald meist importiert sein und nicht den gewünschten Standards entsprechen. Nahrung/Nahrungserzeugung wäre weniger nachhaltig, weniger sicher, weniger gesund, weniger rückverfolgbar, weniger sozial, weniger fair, weniger Regenwalderhaltend usw.
An der Problemstellung hat sich ja seitdem nichts geändert. Im Gegenteil! Durch immer neue strengere Standards exklusiv bei uns, sind die Mehraufwendungen, ein Produkt nachhaltig in Europa zu erzeugen (gegenüber 0-8-15 Weltmarktprodukte, die dann in unsere Regale und vor allem Rezepturen drücken) seitdem stetig gewachsen, so dass für das Erreichen eines vollständigen Ausgleichs mittlerweile weit höhere Transferzahlungen nötig wären. Schon jetzt sind die "Prämien" also nur noch ein Teilausgleich.
Strickt man das System nun neu, dass es Geld nur gegen weitere ZUSÄTZLICHE Auflagen - allesamt Extensivierungen (= Minderproduktion) - gibt, gibt es quasi nichts mehr für den eigentlichen Zweck. Die Notwendigkeit ist aber nach wie vor da bzw. gewachsen.
PS: Man schlage mal einem Ökonom oder sonstigem Beamten vor, er erhält weiterhin seine Vergütungen - dann unter anderer Bezeichnung - muss aber dafür viel mehr leisten (Arbeitsstunden...) und auf viel mehr verzichten (Urlaub, Krankengeld...). Erst dann würde der Groschen fallen und erkannt werden, dass sich die Änderung alles andere als neutral auswirkt.
Nächster Schritt: in einigen Jahren wird evaluiert, weil schließlich die Gelder hinten und vorne knapp sind. Dann stellt man fest, dass es ja doch einen Leakage-Effekt gibt. Heißt: Die Extensivierung bei uns bringt womöglich tatsächlich ein paar kg mehr Humus und dazu wird eine Schmetterlingsart erhalten. Das allerdings zum Preis der Minderproduktion, die 1:1 durch andere Herkünfte aufgefangen werden muss (oder soll etwa alternativ Hunger das Ziel sein?).
Um bei uns einen stillgelegten Hektar Weizen durch Weizen aus südamerikanischen Rodungsflächen zu kompensieren, braucht es dort wegen ungünstigerer Produktionsfaktoren wohl 1,5 oder gar 2 Hektar neue Plantage. Ebenso viel Regenwald wird also gerodet werden. Dummerweise ist Regenwald aber C-Speicher und der mit Abstand artenreichste Lebensraum den es gibt. Unterm Strich opfern wir also viel C-Speicher und Arten, um wenig C-Speicher und Arten bei uns zu erhalten. Dann muss und wird diese kontraproduktive Praxis eingestellt und die Förderung gestrichen werden. Ersatzlos. Am Ende gibt es unterm Strich nur Verlierer: Landwirte, Konsumenten, Wirtschaft, Klima, Artenvielfalt, Ressourcen, Resilienz. All das wird mit Füßen getreten." (Andreas Gerner)