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SPD-Politikerin Kersten warnt vor "ordnungspolitischer Keule" bei Pflanzenschutz

Die SPD-Bundestagspolitikerin Dr. Franziska Kersten wirbt bei der Regulierung des chemischen Pflanzenschutzes für Augenmaß und plädiert für die Stärkung des integrierten Pflanzenschutzes.

Lesezeit: 6 Minuten

Am 2. Dezember ist es wieder soweit: Bei der vierten Ausgabe von "Politik trifft Praxis" diskutieren Landwirte aus ganz Deutschland gemeinsam mit Bundestagsvertretern über die drängenden agrarpolitischen Fragen beim Thema Pflanzenschutz. Die Debatte verspricht, besonders lebhaft zu werden, immerhin ist die Ampel Geschichte und der Wahlkampf hat längst begonnen. Anmeldungen sind an dieser Stelle noch möglich, die Plätze werden aber knapp.

Im Vorfeld von "Politik trifft Praxis" haben wir die teilnehmenden Politikerinnen und Politikern befragt, wie sie sich die Zukunft des chemischen Pflanzenschutzes und seiner Alternativen vorstellen. Im nun folgenden Interview wirft die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Franziska Kersten einen agrarpolitischen Blick auf die Ampeljahre und erläutert, was die SPD für die Zukunft plant.

Schon die SUR ist an pauschalen Reduktionsvorgaben gescheitert

Frau Dr. Kersten, die Ampel ist Geschichte und die Restkoalition hat praktisch keine Chance, die ausstehenden agrarpolitischen Projekte noch abzuschließen. Das gilt auch für das „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“. Viele Landwirte dürften froh sein, dass beispielsweise das Ziel, den chemischen Pflanzenschutz zu halbieren, nicht umgesetzt wird. Sie auch?

Dr. Franziska Kersten: Ich habe immer davor gewarnt, beim Pflanzenschutz die ordnungspolitische Keule zu schwingen und starre pauschale Reduktionsvorgaben zu machen. Daran ist ja schon die SUR gescheitert. Bei diesem Thema ist vielmehr Weitsicht gefragt. Pflanzenschutz muss nach dem Grundsatz erfolgen: So wenig wie möglich, soviel wie nötig. Nur so kann ein an Kulturen und Standorte angepasster Pflanzenschutz zur dauerhaften Gewährleistung von Pflanzengesundheit, der Minimierung von Lagerungsverlusten und Verhütung toxischer Belastungen beitragen. Dies alles dient auch dem übergeordneten Ziel der Ernährungssicherung. Regelungen zum Pflanzenschutz müssen außerdem bürokratiearm ausgestaltet werden.

Wie rechtfertigen Sie die Forderung nach Mengenbegrenzungen, obwohl chemischer Pflanzenschutz für viele Landwirte auch ökonomisch unverzichtbar ist?

Dr. Franziska Kersten: Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hat grundsätzlich unter größtmöglicher Schonung von Boden, Wasser, Luft und natürlich der Biodiversität zu erfolgen. Dies ist nicht nur der Wunsch unserer Gesellschaft, sondern selbstverständlich auch Bestandteil der landwirtschaftlichen Ausbildung. Landwirte denken in Generationen. Daher sollte der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere eines fruchtbaren Bodens als wichtigstem Produktionsmittel im Eigeninteresse jedes Landwirts liegen.

Alle Mitgliedstaaten der EU haben sich auf eine schrittweise Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes verständigt. Wir haben in den vergangenen fünfzehn Jahren auch schon große Erfolge erzielt. Daher muss die weitere Reduktion jetzt mit Augenmaß erfolgen. Eine Weiterentwicklung des integrierten Pflanzenschutzes mit Fokus auf Bodenbearbeitung, Fruchtfolgen und Sortenwahl ist hier angezeigt. Der integrierte Pflanzenschutz ist übrigens seit 1987 Leitbild im Pflanzenschutzgesetz.

Besteht nicht die Gefahr, dass politische Maßnahmen gegen chemische Pflanzenschutzmittel die wirtschaftliche Grundlage vieler Betriebe zerstören? Es ist doch immer auch eine Wettbewerbsfrage.

Dr. Franziska Kersten: Die wirtschaftliche Grundlage unserer Landwirte hängt nicht allein vom Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel ab. Deren Einsatz ist im Übrigen auch teuer, für vier Hektar sind schnell 250 € und mehr fällig, die Ausbringungskosten nicht eingerechnet. Daher ist doch die beste Lösung, den Pflanzenschutzmitteleinsatz durch Präzisionslandwirtschaft und Digitalisierung so zu senken und gleichzeitig den integrierten Pflanzenschutz so zu optimieren, das mit weniger PSM die gleichen Ergebnisse in Bezug auf Pflanzengesundheit und Erträge erzielt werden. So schaffen wir einen Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie.

 

Wenn der Einsatz chemischer Mittel eingeschränkt werden sollte, wie sollen Landwirte ohne Verlust der Qualität und Quantität wirtschaften?

Dr. Franziska Kersten: Die Einschränkung ist auch ohne zusätzliche staatliche Maßnahmen in vollem Gange: Hintergrund die das Auslaufen der Zulassung vieler älterer und damit oft entsprechend gefährlicherer Mittel, ohne dass die Neuzulassung von PSM vorankommt. Daher muss sich dringend etwas an der Zulassungssituation ändern. Gerade Sonderkulturen sind hier besonders betroffen. Mein Ziel sind transparente, schnellere, rechtssichere und wissenschaftsbasierte Zulassungsverfahren.

Mein Ziel sind transparente, schnellere, rechtssichere und wissenschaftsbasierte Zulassungsverfahren.
Dr. Franziska Kersten

Daher setze ich mich für eine deutlich effizientere Zusammenarbeit der nationalen Zulassungsbehörden und auf europäischer Ebene für einheitliche Bewertungskriterien unter Beachtung regionaler Besonderheiten ein. Die Ergebnisse des BVL-Workshops zum Thema müssen nun endlich umgesetzt werden.

 

Können biologische Alternativen den hohen Standards und Erträgen gerecht werden, die von den Landwirten erwartet werden?

Dr. Franziska Kersten: Teilweise können sie das schon heute, aber die Forschung in diesem Bereich sollte auf jeden Fall ausgebaut werden. Außerdem sollten wir einmal kritisch hinterfragen, ob die immer höheren Standards auf der Abnehmerseite eigentlich gerechtfertigt sind: wir erzeugen deutlich mehr Weizen in Backqualität als für unsere Versorgung eigentlich notwendig ist. Das betrifft nicht nur den Düngereinsatz, sondern auch den Pflanzenschutz und gilt ebenso für andere Kulturen. Auch hier sind also verschiedene Interessen und Ansprüche in Ausgleich zu bringen.

 

Welche konkreten politischen Schritte würden Sie vornehmen, um den Landwirten praktikable Alternativen zu bieten?

Dr. Franziska Kersten: Die beste Alternative zum Ordnungsrecht ist die Forcierung von Kooperationen zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Kommunen.

Die beste Alternative zum Ordnungsrecht ist die Forcierung von Kooperationen zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Kommunen.
Dr. Franziska Kersten

Sie sind eine bewährte Methode zur dauerhaften Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, wie insbesondere der Niedersächsische Weg belegt, den der frühere Umweltminister Olaf Lies (SPD) initiiert hatte. Diese Ansätze wollen wir gemeinsam mit den Ländern konsequent ausbauen und dabei für bundesweite Vergleichbarkeit sorgen.

Darüber hinaus müssen Investitionen in Präzisionslandwirtschaft verstetigt werden und allen land-wirtschaftlichen Betriebsgrößen zugutekommen. Zusätzlich wollen wir den Aufbau der Agrar-datenplattform von Bund und Ländern beschleunigen, um notwendige Geodaten unternehmensunabhängig der Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Die permanente und bundesweit einheitliche Bereitstellung aller notwendigen öffentlichen Daten soll Grundlage für die Nutzung vorhandener und Entwicklung weiter-führender digitaler Tools für den rechtssicheren und umweltgerechten Einsatz von Betriebsmitteln werden.

 

Mit welchem agrarpolitischen Angebot geht die SPD in den vorgezogenen Bundestagswahlkampf? Sind die Landwirte für die Sozialdemokraten diesmal eine relevante Gruppe? Den Eindruck hatte man nicht immer.

Dr. Franziska Kersten: Ernährung und Landwirtschaft haben unbestreitbar eine gesamtgesellschaftliche Dimension: Ein Großteil unserer Bevölkerung lebt im ländlichen Raum und haben den Anspruch, diesen lebenswert und zukunftsfest zu gestalten. Landwirtinnen und Landwirte sorgen mit ihrer Hände Arbeit für die Sicherstellung unserer Versorgung mit hochwertigen und bezahlbaren Lebensmitteln, aber auch für den Erhalt unserer Kulturlandschaften und unterstützen beim Schutz von Umwelt und Klima.

Gesunde Ernährung mit regional erzeugten, hochwertigen Lebensmitteln sichert Wertschöpfungsketten vor Ort, bewirkt mittelfristig deutlich sinkende Kosten im Gesundheitssystem und sichert zudem soziale Teilhabe. Daher wollen wir die öffentliche Gemeinschaftsverpflegung deutlich stärken. Selbstverständlich sind die Landwirte also eine relevante Gruppe.

Aus den im Interview beschriebenen Details ergeben sich also meine Kernbotschaften:

  • Weniger Bürokratie, aber dafür mehr Planungssicherheit!

  • Wertschätzung durch deutlich bessere Wertschöpfung!

  • Ökonomischen Erfolg, sozialen Ausgleich und ökologischen Weitblick zusammenbringen!

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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