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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

Nach Bauernprotesten

Umgestaltung der Agrarprämien verschlechtert Verhältnis der Landwirte zum Staat

Das staatliche Kontroll- und Sanktionssystem bei den Agrarprämien drückt das Misstrauen der Behörden gegenüber den Bauern aus, ob die auch richtig wirtschaften. Der Frust auf den Höfen steigt.

Lesezeit: 4 Minuten

Der größte Posten im Haushalt der Europäischen Union (EU) ist Jahr für Jahr mit mehr als 50 Mrd. € die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Der mit Abstand größte Teil davon wird für sogenannte flächenbezogene Direktzahlungen verwendet. Im Jahr 2023 flossen so 4,4 Mrd. € an landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland.

Die Höhe der Zahlungen bemisst sich prinzipiell am Umfang der bewirtschafteten Fläche, sie wurde aber in den letzten Jahren darüber hinaus an verschiedene Bedingungen geknüpft: Zum einen müssen Landwirte Auflagen für Umwelt- und Verbraucherschutz und die Tiergesundheit erfüllen, zum anderen hängen die Subventionen von der Größe des Betriebs und dem Alter der Landwirte ab, schreibt die Humboldt-Universität Berlin.

Dr. Pascal Grohmann und Prof. Dr. Peter H. Feindt vom Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften haben sich nun die aktuelle GAP-Förderperiode von 2023 bis 2027 näher angeschaut. In einer Studie zeigen sie, dass diese Anpassungen die Rolle von Landwirte in der Gesellschaft und ihr Verhältnis zum Staat verändert haben.

Veränderte Beziehung zwischen Staat und Landwirt

„Heute enthalten die flächenbezogenen Direktzahlungen verschiedene Komponenten. Neben den Öko-Regelungen, die Verhaltensauflagen machen, werden die Zahlungen auch an Kategorien gebunden, so dass es zu einer Umverteilung von großen zu kleinen Betrieben und – durch spezielle Leistungen für Junglandwirte – von alt zu jung kommt.

Dadurch werden Landwirte heute in der EU-Landwirtschaftsförderung als eine Gruppe konstituiert, die staatliche Einkommensunterstützung nur noch bedingt und unter Auflagen verdient und von der potenziell abweichendes Verhalten erwartet wird, das kontrolliert werden muss“, sagt Politikwissenschaftler Pascal Grohmann, Erstautor der Studie.

Kontrollsystem heute anders bewertet als früher

Ursprünglich habe die Europäische Kommission das Kontroll- und Sanktionssystem eingerichtet, um die ordnungsgemäße Verwendung von EU-Mitteln durch die Verwaltungen der Mitgliedstaaten zu überwachen, so die Wissenschaftler weiter. Inzwischen drücke es auch ein institutionalisiertes Misstrauen in die Bereitschaft der Landwirte aus, ihre Flächen im Einklang mit den gesellschaftlichen Erwartungen und Standards zu bewirtschaften, so Grohmann weiter.

Außerdem sind viele landwirtschaftliche Betriebe aufgrund des ökonomischen Drucks inzwischen abhängig von den staatlichen Transferleistungen, obwohl die Teilnahme am Förderprogramm eigentlich freiwillig ist. „Die Betriebsmodelle sind seit Jahrzehnten auf den Erhalt der Direktzahlungen ausgerichtet, die damit für den Staat einen Hebel bieten, bessere Umwelt- und Tierwohlpraktiken in den Betrieben durchzusetzen. Das führt zu Spannungen mit dem Selbstverständnis vieler Landwirte als unabhängige Unternehmer, die ihre Produktion maximieren wollen“, sagt Peter Feindt.

Mögliche Erklärung für Bauernproteste

Die Forschungsergebnisse bieten einen neuen Erklärungsansatz für die heftige Unzufriedenheit von Landwirte mit der Agrarpolitik, die sich zum Jahreswechsel 2023/24 in einer Welle von Traktorenprotesten nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, den Niederlanden und Belgien zeigte.

Als Reaktion auf die Proteste hat die Europäische Kommission im April 2024 die Auflagen für den Erhalt der Direktzahlungen angepasst – unter anderem wurde die Bereitstellung von Brachflächen, die dem Schutz der Biodiversität dienen sollte, für die aktuelle Förderperiode ausgesetzt.

Lange Tradition staatlicher Einkommensstützung

Ausgangspunkt der Studie ist eine historische Einordnung der Maßnahmen zur Einkommenssicherung in der Landwirtschaft. In den fünfziger Jahren galten spezifische Eigenschaften der Agrarmärkte wie zum Beispiel die Abhängigkeit von Witterungsbedingungen und unflexible Produktionsprozesse durch Vegetationszyklen oder die Standortgebundenheit als Risiko für landwirtschaftliche Einkommen und damit für die Versorgung mit Nahrungsmitteln.

Landwirte wurden deshalb als Gruppe erachtet, die staatlich garantierte Maßnahmen zur Einkommenssicherung „verdient“. Im Rahmen der GAP wurden landwirtschaftliche Einkommen dann seit 1962 über drei Jahrzehnte durch ein komplexes System von Preisfestsetzung, Ankauf von Überschüssen und Subventionen für Lagerung und Exporte gestützt.

Seit 1992 wurde das Niveau der Preisstützungen in den Märkten für wichtige Agrarprodukte schrittweise reduziert und erstmals direkte Einkommenstransfers eingeführt, um Einkommensverluste der Landwirte abzufedern. Im Laufe der Jahre wurden diese Direktzahlungen in verschiedenen Reformen der GAP weitestgehend von der Produktion entkoppelt und zunehmend an die Einhaltung von umwelt-, klima-, gesundheits- und tierwohlbezogenen Auflagen gebunden.

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