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Warum die EG Südbayern zwei bayerische Vion-Schlachtbetriebe übernimmt

Die EG Südbayern übernimmt die Vion-Schlachthöfe Landshut und Vilshofen komplett. Viele halten das für mutig. Die EG-Chefs sind aber überzeugt, dass die Rechnung aufgeht.

Lesezeit: 8 Minuten

Die EG Südbayern hat die Mehrheitsanteile an den Vion-Schlachthöfen Landshut und Vilshofen übernommen. Was hat Sie als bäuerlicher Viehvermarkter dazu bewegt?

Erwin Hochecker: Das Schlachtgeschäft gehört zu unserer DNA als EG Südbayern. Wir wollen das Vieh nicht nur erfassen, sondern auch selbst schlachten, zerlegen und vermarkten. Damit sind wir seit 30 Jahren sehr erfolgreich. Wir tragen Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette. Als Vion angekündigt hat, sich aus dem deutschen Markt zurückzuziehen, war es nicht die Frage, ob, sondern wie wir das machen.

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Vion zieht die Reißleine, weil sich das Deutschlandgeschäft für den Konzern nie wirklich gerechnet hat. Warum soll das ohne Vion jetzt klappen?

Hochecker: Die Zusammenarbeit mit Vion war erfolgreich und wir haben als EG in den letzten Jahrzehnten erhebliche Rücklagen bilden können. Sie blenden aus, dass uns ASP und Corona die Märkte zerschossen hat. Damit hat aber die gesamte Branche zu kämpfen, weil Produktion und Verbrauch massiv zurückgehen. Jetzt die Flinte ins Korn zu werfen, wäre falsch. Wir hatten ja schon 49 % der Anteile, sodass der Schritt für die vollständige Übernahme nicht mehr so groß war. Zudem haben wir notwendige Abschreibungen bereits vorweggenommen. Wir sind überzeugt, dass wir beide Betriebe in einer mittelständischen Dimension erfolgreich weiterführen können.

Welche Chancen sehen Sie in der vollständigen Übernahme der beiden Schlachtbetriebe?

Hochecker: Ein internationaler Konzern verfolgt andere Interessen als einzelne Schlachtbetriebe wie Landshut und Vilshofen. Vion hat den Chinaexport vorangetrieben, mit dem wir auch in Bayern gutes Geld verdient haben. Dadurch haben wir aber zeitweise die regionalen Märkte vernachlässigt. Nun sind wir international weder liefer- noch wettbewerbsfähig. Unsere Chance ist, mit kleineren Strukturen die regionalen Märkte zu bedienen.

Willi Wittmann: Regionalität ist in allen Umfragen neben Tierwohl das beherrschende Thema. In der Veredlungshochburg Südostbayern sind wir mit rund 10.000 Mitgliedsbetrieben der Platzhirsch. Zudem sind Landshut und Vilshofen die modernsten Schlachtbetriebe Bayerns. Die Tiere und die Wertschöpfung sollen in der Region bleiben und mit den kurzen Transportwegen erfüllen wir gleichzeitig die gesellschaftlichen Ansprüche.

Wenn wir auf Regionalität setzen, können wir schon nächstes Jahr die schwarze Null schaffen.
Hochecker

Was gehört zur Region und wann schreiben Sie mit den Schlachtbetrieben wieder schwarze Zahlen?

Hochecker: Wenn wir über Region sprechen, heißt das für uns Bayern, Österreich und Italien. Dabei ist geprüfte Qualität Bayern (GQ) besonders wichtig. Der GQ-Anteil an unseren Schlachtungen beträgt 70 %. Regionalität ist unsere Kernkompetenz. Wenn wir diese Karte gut ausspielen, können wir schon nächstes Jahr die schwarze Null schaffen.

Was wäre die Alternative zum Weiterbetrieb in Eigenregie gewesen? Es gab ja noch weitere Interessenten für die beiden Schlachtbetriebe?

Hochecker: Es gab für uns keine Alternative. Wir wollen aber mit allen Interessenten gerne kooperieren und wir können in der Wertschöpfungskette noch viel optimieren: Es gibt beispielsweise EG-Mitgliedsbetriebe, die noch nicht nach Landshut und Vilshofen vermarkten, und es gibt Vermarkter, die sich gegenseitig das Leben schwer machen. Alle in der Branche haben Probleme mit sinkenden Viehbeständen. Mit einem Verdrängungswettbewerb bei der Erfassung kommen wir nicht weiter. Wir müssen vielmehr mit Partnerschaften bis zur Schlachtung  gegenüber dem LEH stärker auftreten.

Was müssen wir uns unter Kooperationen vorstellen?

Hochecker: Nach der Schließung der Schlachthöfe in Bamberg und München konnten wir Lohnschlachtungen von anderen Unternehmen übernehmen, die weiter bayerische Schweine schlachten wollen. Auch große Metzgereien lassen bei uns schlachten. Das wäre im Vion-Konzept vor zehn Jahren undenkbar gewesen. Künftig werden wir uns z. B. auch beim Thema ITW in der Kette eng abstimmen müssen. Mit unseren Strukturen von der Ferkelerzeugung bis zum Schlachten sind wir hier gut aufgestellt.

Wer führt künftig die Geschäfte der beiden Betriebe und wer kontrolliert den Erfolg?

Wittmann: Herr Beringer bleibt Geschäftsführer und bekommt zur Sicherheit einen zweiten Geschäftsführer an seine Seite gestellt. Die Muttergesellschaft, die EG Südbayern, prüft die Zahlen ganz genau. Dazu wird ein Verwaltungsrat als Mittler zwischen dem Eigentümer und den beiden Schlachtbetrieben eingerichtet.

Was passiert, wenn die Rechnung nicht aufgeht?

Beringer: Der Verwaltungsrat wird dann frühzeitig eingreifen. Grundsätzlich sind Vilshofen und Landshut aber eigenständige GmbHs. Die EG Südbayern ist finanziell strikt davon getrennt. Im schlimmsten Fall wäre das Eigenkapital der GmbHs verloren.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen, wenn Sie als EG künftig 100 % der Verantwortung tragen?

Hochecker: Wir werden die jetzigen Strukturen nicht für 20 Jahre einfrieren können. Wir müssen in der Lage sein, auf Veränderungen zu reagieren. Es kann sein, dass wir mehr in den SB-Bereich gehen, es kann aber auch sein, dass wir die Direktvermarktung ausbauen. Die gute Nachricht ist, dass wir uns anpassen können, weil unsere ­Bilanzen sowohl in der EG als auch in Vilshofen und Landshut so solide sind, dass wir investieren können.

Die Tiere und die ­Wertschöpfung sollen in der Region bleiben.
Wittmann

Kritiker meinen, dass die Tierzahlen im Süden weiter sinken und das Problem der Überkapazitäten bestehen bleibt. Wie sehen Sie das?

Hochecker: In der Zukunft wird es in Deutschland zwei Regionen mit nennenswerter Schweinehaltung geben. Das ist der Nordwesten. Das ist aber auch der Südosten Deutschlands. Der Bestandsabbau betrifft aber nicht nur Deutschland, sondern auch die Niederlande und in Belgien. Durch Ausstiegsprogramme werden die Tierbestände dort reduziert und wir werden in Zukunft weniger Ferkel und Schweine von dort beziehen können. Die Wettbewerbssituation für die süddeutschen Betriebe wird sich verbessern, auch wenn die Zahl der Schweine nicht wieder steigen wird. Aber wir bieten unseren Betrieben eine echte Perspektive.

Haben Sie in Ihrer EG bzw. in der Region Südostbayern genügend Tiere, um die beiden Betriebe auszulasten?

Wittmann: Im Moment schon. Das hängt auch damit zusammen, dass in Bayern einige kommunale Schlachthöfe geschlossen haben. München und Bamberg hatten jeweils 6.000 bis 7.000 Schweineschlachtungen pro Woche, die jetzt zum Teil bei uns gelandet sind. Und der Strukturwandel bei den Schlachtbetrieben ist noch nicht abgeschlossen. Viele müssen dringend investieren, aber die Kommunen werden dafür kein Geld mehr ausgeben. Wir gehen deshalb davon aus, dass durch Standortschließungen weitere Schlachtmengen zu uns fließen werden.

Können Sie sicher sein, dass die Tiere auch bei Ihnen landen? Und gibt es eine Andienungspflicht für die Mitglieder der EG Südbayern?

Wittmann: Eine Andienungspflicht im engeren Sinn haben wir nicht. Aber wir haben Treue- und Mengenprämien in unseren Lieferverträgen. Unser Eindruck ist, dass die Mitglieder an uns liefern, weil sie Vertrauen haben und die Bezahlung gut ist. Wir sind als Erzeugergemeinschaft zahlungskräftig und haben genügend Liquidität. Das Gesamtpaket passt, weil wir auch Angebote für alle Haltungsformen machen können. Ich bin mir auch sicher, dass die Tiere hier in der Region bleiben, denn Transport und schlechtere Masken kosten bei Lieferungen in den Nordwesten sicher 10 € pro Schwein.

Im schlimmsten Fall wäre das Eigenkapital der GmbHs verloren.
Beringer

Apropos Abrechnungsmaske: Haben Sie nach Ihrer Übernahme am 1. Oktober konkrete Änderungen geplant?

Beringer: Derzeit nicht. Grundsätzlich muss sich eine Maske aber immer an den Marktgegebenheiten orientieren. Wir haben hier im Süden viele Bedientheken. Dafür brauchen wir typbetonte Schweine, die uns die nötigen Kotletts und Schinken liefern.

Gibt es grundsätzliche Überlegungen, die Absatzmärkte zu verändern?

Hochecker: Klar ist, dass die Afrikanische Schweinepest (ASP) auch bei uns vor der Tür steht. Das dürfte den Export in Drittländer auch in Zukunft erschweren. Ich bin überzeugt, dass sich die Fleischvermarktung in Deutschland vielmehr auf Regionalität fokussieren muss.

Wir haben ein Schwein, das auf die Absatzgebiete Bayern, Italien und Österreich ausgerichtet ist. Auch wenn es nicht ganz ohne Export geht, wird sich die regionale Ausrichtung eher noch verstärken. Letztlich wird es darum gehen, die Tiere „rund“ zu machen, dass wir also alle Teilstücke vernünftig vermarkten können.

An welchen Stellschrauben wollen Sie noch drehen?

Hochecker: Die Nebenprodukte könnten wir regional noch besser vermarkten. Das ist bisher konzernweit gelaufen. Wir spüren durch die Übernahme einen positiven Ruck in der Belegschaft, weil wir einen guten Namen haben und Regionalität verkörpern.

Der Tönnies-Konzern wird die meisten anderen Vion-Standorten übernehmen. Sehen Sie das als Gefahr?

Hochecker: Wir können als Mittelständler mit Schlachtung und Grobzeregung nicht alleine überleben, wir brauchen auch die großen Fleisch- und Wurstverarbeiter als Partner. Ich sehe übrigens kein Konzentrationsproblem auf der Schlachtstufe. Vielmehr ist es der Lebensmitteleinzelhandel (LEH), der mit seiner Marktmacht unsere landwirtschaftlichen Strukturen gefährdet.

Können Sie das erklären!

Hochecker: Seien wir ehrlich. Landwirtschaft und Fleischwirtschaft haben sich in 30 Jahren durch den harten Wettbewerb an der Stalltür untereinander das Leben schwer gemacht und Geld vernichtet. Wir müssen mehr bündeln und in Kooperationen vernünftig vermarkten. Ich sage ganz klar: Wenn wir es jetzt nicht schaffen, die Kette aus Landwirtschaft und Fleischwirtschaft effizient und wirtschaftlich aufzustellen, dann hat unsere Branche gegen die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels keine Chance. 

Kommen wir zu den Rindern. Warum haben Sie sich festgelegt, diese weiterhin nach Waldkraiburg zu liefern, obwohl Sie noch gar nicht wussten, wer den Schlachthof kauft?

Hochecker: Ich halte etwas von klaren Bekenntnissen. Für den künftigen Schlachthofbetreiber wäre es problematisch, wenn wir Waldkraiburg nicht beliefern würden. Nicht der Schlachthaken ist das Geld wert, sondern das Tier und wir als EG erfassen 52.000 Schlachtrinder. Am Ende wollen wir im Sinne unserer Mitglieder handeln.

Ist die Lieferzusage vertraglich vereinbart?

Hochecker: Ja. Wir haben mit Vion einen Liefervertrag, der im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge bis 2025 gilt. Wir werden hier auch kein Sonderkündigungsrecht beanspruchen. Ich bin überzeugt, dass wir mit dem neuen Partner Tönnies ins Geschäft kommen.

Landshut und Vilshofen in Zahlen

Landshut und Vilshofen sind die zwei größten Schweineschlachthöfe in Bayern. Landshut hat eine Schlachtkapazität von 20.000 Schweinen pro Wochen, Vilshofen von 18.000. An beiden Standorten wird überwiegend im Hälftenbetrieb gearbeitet, wobei Vilshofen aktuell auch zu 30 % zerlegt.

Beide Betriebe sind eigenständige GmbHs und haben zusammen ein Stammkapital von 21 Mio. €. Ihre Grundstücke und Immobilien sind frei von Belastungen. Die EG Südbayern hat beiden GmbHs Darlehen gewährt, die dort verbleiben. Damit sind die Kosten der Übernahme gedeckt.

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