Seit dem 15.1.2025 ist die Aminosäure Lysin, die als Zusatz in vielen Futtermitteln verwendet wird, in der EU deutlich teurer. Hintergrund sind Antidumpingzölle von bis zu 84,8 %, die die Europäische Kommission im vergangenen Jahr beschlossen und nun umgesetzt hat.
Der Deutsche Verband Tiernahrung e.V. (DVT) und der Deutsche Raiffeisenverband e.V. (DRV) kritisieren diesen Schritt scharf: „Die Hersteller von Vormischungen und Mischfutter sind zutiefst besorgt über die Höhe der vorläufigen EU-Einfuhrzölle für die essentielle Aminosäure Lysin“, sagt Dr. Hermann-Josef Baaken, Sprecher der DVT-Geschäftsführung.
Mehrkosten von 1,80 € pro Schwein
Bei einem Gesamtverbrauch von ca. 500.000 t Lysinhydrochlorid-Äquivalent in der EU bestehe derzeit eine Abhängigkeit der futtermittelproduzierenden EU-Länder von China von bis zu 70 %. DRV-Geschäftsführer Dr. Philipp Spinne warnt vor den Folgen: „Da es alternativ keine ausreichenden Lieferungen aus EU-Produktion oder anderen Drittländern gibt, würde die Umsetzung dieser Maßnahme erhebliche nachteilige wirtschaftliche Folgen für die tierische Wertschöpfungskette haben.“
Auf Nachfrage von top agrar erklärt ein DVT-Sprecher, dass nach ersten Schätzungen die Mehrkosten im Schweinesegment bei etwa 1,80 € pro Schlachttier liegen könnten. Auch die anderen Tierarten wären betroffen.
Gemeinsam mit dem europäischen Mischfutterverband (FEFAC) fordern die deutschen Verbände die EU-Kommission auf, die Antidumpingzölle rückwirkend zurückzunehmen. Baaken: „Essenzielle Aminosäuren wie Lysin müssen als „Kritische Stoffe“ anerkannt werden. Die EU muss sich darum bemühen, durch eine gezielte Politik Investitionen anzuregen, um die Produktion zu steigern und die EU-Lieferkette hinsichtlich der EU-Bezugsquellen zu diversifizieren. Das kommt gleichzeitig der Versorgungssicherheit und dem Klimaschutz zugute.“
Mehr Soja- statt Rapsschrot?
Ein Verzicht auf den Einsatz von Lysin könne in der Folge zu einer Ausweitung des Anteils von importiertem Soja in Futterrationen und damit zur Verdrängung heimischer Proteinträger wie Raps führen, so der DVT-Sprecher weiter.
DVT und DRV weisen auf die Notwendigkeit von kurz- und langfristiger Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen hin. Daher müsste die Abhängigkeit der EU von Einfuhren essenzieller Aminosuren reduziert und politische Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit konsequent angegangen werden. Hier gehe es insbesondere um gezielte strukturelle Maßnahmen zur Wiederherstellung einer wettbewerbsfähigen Fermentationsindustrie in der EU; die unverzichtbare Futtermittelzusatzstoffe herstellt.
Hintergrund der Antidumpingzöllen
Die EU-Kommission hat im Mai 2024 aufgrund eines Antrags ein Antidumpingverfahren für Lysin eingeleitet. Das Antidumpingverfahren betrifft die Einfuhren von Lysin mit Ursprung in China und wurde von Metex Noovistago, einem Unternehmen des französischen Agrarkonzerns Avril, eingeleitet. Metex Noovistago ist derzeit der einzige Lysinhersteller in industriellem Maßstab in der EU und reichte am 8. April 2024 einen Antrag bei der Europäischen Kommission ein.
Nach Prüfung und Anhörung der Wirtschaft hat die EU-Kommission mit Wirkung zum 15.01.2025 vorläufige Zölle festgelegt, die bis zu 84,8 % betragen. DVT und DRV lehnen Dumpingpraktiken, die gegen den Grundsatz des fairen Handels und gleicher Wettbewerbsbedingungen verstoßen, ab. Die Argumente der Futtermittelwirtschaft wurden im Laufe des Verfahrens eingebracht. Avril zielt darauf ab, die Lysin-Produktion in Europa wiederzubeleben und die Entwicklung anderer Aminosäuren voranzutreiben
Lysin ist eine essenzielle Aminosäure, die einen unverzichtbaren Beitrag für die nachhaltige Fütterung landwirtschaftlicher Nutztiere leistet. Nur durch die Ergänzung von Lysin und anderen Aminosäuren in den Futterrationen ist die heute übliche, dem tatsächlichen Bedarf der Tiere angepasste, nährstoffreduzierte Fütterung überhaupt möglich. Lysin und seine Vorprodukte kommen überwiegend aus China und nur zu einem geringen Anteil aus der Produktion eines Unternehmens in Frankreich.