Die gute Nachricht zuerst: Das tiefrote Tal mit Weizenkursen von unter 190 €/t an der Pariser Börse scheint der Markt hinter sich gelassen zu haben. Anfang April lagen die Notierungen für den Mai-Weizen endlich wieder oberhalb der 200 €/t-Linie. Und auch nach Ostern stützten Berichte über verspätete und teurere russische Weizenlieferungen sowie zunehmende Sorgen über den Zustand der Feldbestände in Europa die Märkte. Auch in Russland und der Ukraine bereitete anhaltende Trockenheit Sorgen.
Zuletzt tendierten die Preise eher seitwärts: Ganz so optimistisch ist die Lage wohl doch nicht, denn das Weizenangebot nach der Ernte 2024 soll weiterhin groß ausfallen. Der Internationale Getreiderat (IGC) hat für 2024/25 die Aussichten auf das weltweite Angebot mit 799 Mio. t Weizen (Vorjahr: 789 Mio. t) deutlich erhöht. Immerhin: Der Verbrauch soll mit rund 804 Mio. t stabil bleiben, sodass es zu einem weiteren Abbau der weltweiten Bestände auf etwa 262 Mio. t (Vorjahr: 267 Mio. t) kommen soll.
Schnell gelesen
Die Getreidepreise haben sich in den vergangenen Wochen etwas erholt.
Die Aussicht auf anhaltend große Exporte vom Schwarzen Meer begrenzt aber die Luft nach oben.
Die Aussichten auf eine kleinere EU-Weizenernte stützen dagegen. Viele Landwirte zögern aber noch beim Verkauf und bei Vorkontrakten.
Viele Blicke nach Osten
Wer noch Getreide Ernte 2023 vermarkten muss, dürfte bis zum Beginn der Ernte allerdings verstärkt Richtung Schwarzes Meer blicken. Denn allein die Ukraine hat seit der Ernte 2023 rund 12,9 Mio. t Weizen exportiert, ein Plus von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Für festere Preisstimmung sorgten Mitte April 2024 erneute Meldungen über russische Angriffe auf den wichtigen ukrainischen Exporthafen Tschernomorsk und auf eine Eisenbahnbrücke in der ukrainischen Hafenstadt Odessa. Wegen Stromausfällen konnte dort zeitweise kein Getreide verladen werden. „Die Angriffe Russlands auf die landwirtschaftliche Infrastruktur der Ukraine geben Anlass zur Sorge über die weitere Versorgungslage“, hieß es daraufhin bei einem Rotterdamer Händler.
Für etwas Entlastung sorgten Anfang April leicht steigende Exportpreise für russischen Weizen. Brotweizen für die Lieferung Anfang Mai wurde zuletzt mit 208 $/t fob notiert. Offenbar gibt es zunehmend Abwicklungsprobleme mit den russischen Lieferungen. Hinzu kommt: Obwohl weiterhin von einer großen russischen Ernte ausgegangen wird, scheint es angesichts der ungewöhnlich trockenen Bedingungen in Teilen der russischen Anbaugebiete doch zu einer gewissen Besorgnis zu kommen.
Die erwartete Größe der russischen Ernte 2024 wird in den kommenden Monaten ein entscheidender Faktor für die weltweiten Getreidekurse bleiben und auch hiesige Erzeugerpreise für Weizen, Gerste und Co. mit beeinflussen. Bislang gehen Beobachter für Russland für 2024 von einer Getreideernte von rund 147 Mio. t (Vorjahr: 144 Mio. t) aus, davon entfallen 93 Mio. t (Vorjahr: 91 Mio. t) auf Weizen. Mehr als die Hälfte davon könnte das Land exportieren, was einer Steigerung um fast 50 % gegenüber dem Fünfjahresdurchschnitt bedeuten würde.
agrarfax-Meinung
Erste Vorverträge abschließen
EU-Weizen kann weiter nicht mit den Billigangeboten vom Schwarzen Meer mithalten. Für die alte Ernte (2023) sollte der Verkaufsgrad jetzt auf 90 % erhöht werden. Bei ausreichendem Lagerraum könnte man auch darüber nachdenken, nicht vermarktete Partien über die Ernte 2024 hinaus zu lagern. Für die Vorvermarktung der neuen Ernte 2024 sollten Sie erste Teilverkäufe planen. Der Abstand der Matif-Kontrakte Mai und Dezember lag zuletzt bei gut 20 €/t. Die Bilanz wird enger.
Weniger Weizen in Europa
In Europa zeichnet sich ein etwas anderes Bild ab: Die EU-Kommission schätzt die Weizenfläche 2024 etwa 4 % kleiner als 2023. In Deutschland sollen sogar nässebedingt 7 % weniger Weizen auf den Feldern stehen. „Auch die Feldbestände brauchen jetzt unbedingt trockeneres Wetter“, meint ein Holsteiner Großbetriebsberater. Nur dann können die erforderlichen Behandlungen durchgeführt werden.
Landwirte zögern weiter
Am heimischen Kassamarkt wurden seitens der Landwirtschaft die vorübergehend besseren Kurse für Getreide kaum genutzt. Das Angebot an Getreide ist hierzulande in der Erzeugerstufe weiterhin reichlich. „Auf den Höfen lagert zu diesem Zeitpunkt im Jahr noch ungewöhnlich viel Getreide“, meint ein Hamburger Händler mit Blick vor allem auf die norddeutschen Regionen.
Auf der anderen Seite bleibt die Abnahmebereitschaft der Verarbeitungsindustrie ebenfalls sehr verhalten. Die Mühlen und auch die Exporteure schieben Kontrakte auf spätere Lieferzeitpunkte. Auch Vorkontrakte für die neue Ernte finden derzeit kaum Zuspruch. Bei Erzeugerpreisen in Mecklenburg und Ostholstein von derzeit 185 €/t für Brotweizen ab Hof Basis Abrechnung September 2024 haben viele Landwirte bislang nur kleinere Mengen der Erntemenge 2024 vorverkauft.
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