Eine aktuelle Marktanalyse von Jan Peters, Peters Agrardaten GmbH:
Die Märkte für Getreide – insbesondere für den Weizen – zeichneten sich in den vergangenen Wochen durch große Schwankungen und Unsicherheit aus: Allein im Oktober bewegten sich die Preise an der Börse in Paris zwischen 214 €/t und knapp 232 €/t. Die Gründe für diese Schwankungen sind eine vielfältige Mischung aus Wettermeldungen, politischen Ereignissen und globalen Handelsaktivitäten.
Welthandel verunsichert
So gab es über den Herbst häufig wechselnde Nachrichten zu den Aussaat- und Aufwuchsbedingungen des Weizens auf der Nordhalbkugel:
In Russland war es erst zu trocken, die Aussaat verzögerte sich, auch die Ernteschätzungen und -prognosen wurden zurückgenommen. Damit sanken auch die Erwartungen an die Weizenexporte Russlands. Dann besserte sich das Wetter allerdings, die Verhältnisse besserten sich, und die Aussaat schritt voran. Jedes Mal reagierten die Börsen auf diese Meldungen mit Ausschlägen in die eine oder andere Richtung.
In Europa blickte man lange mit Sorge auf die Aussaat des Winterweizens in Frankreich. Ständige Regenfälle führten zu enormen Beeinträchtigungen und Verzögerungen. Mittlerweile hat sich die Lage aber entspannt.
Auch aus den USA gab es immer wieder Nachrichten, die von zu trockenen Bedingungen für die Aussaat sprachen. Inzwischen hat es aber auch in den wichtigsten US-Anbauregionen für den Weizen geregnet.
Marktrelevante Informationen kommen auch von politischer Seite. Die geopolitischen Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten erschweren es dem Handel vorausschauend zu agieren und sich zu positionieren. Und was die Wahlen in den USA für die Zölle und den internationalen Handel bedeuten werden, muss sich ebenfalls noch zeigen. Es wird befürchtet, dass der künftige Präsident Trump – wie zu Beginn seiner ersten Amtszeit in 2016 – Zölle auf viele Agrarprodukte erheben wird. Das könnte den Agrarhandel der USA, besonders mit China, stark beeinträchtigen.
Gefahr von Engpässen
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor betrifft die Handelsrouten über das Schwarze Meer. Die Ukraine ist nach wie vor ein wichtiger Lieferant von Getreide und Ölsaaten. Aber dort kommt es immer wieder zu erheblichen Beeinträchtigungen der Logistik durch die Zerstörung von ukrainischen Hafenanlagen. Sollte die Ukraine nicht mehr über das Schwarze Meer liefern können, könnte es schnell zu Versorgungsengpässen in vielen Regionen dieser Welt kommen.
EU-Export ein Drittel kleiner
Und auch aus der EU dürfte trotz sich verbessernder Aussichten kaum wesentlich mehr Getreide auf den Weltmarkt abfließen können. In Bezug auf das verfügbare Weizenangebot zeigten sich die Marktteilnehmer zudem überrascht, dass die europäische Ernte von der EU-Kommission wiederholt gesenkt wurde. So soll die EU-Weizenernte jüngsten Schätzungen zufolge nur noch rund 112,6 Mio. t betragen. Zum Vergleich: Im Vorjahr ernteten die europäischen Erzeuger 125 Mio. t.
Da sich der Verbrauch in der Europäischen Union nur unwesentlich verändert, kommt es in der Union zu einem deutlichen Abbau der Bestände zum Ende des Wirtschaftsjahres 2024/25 auf nur noch gut 10 Mio. t. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Rückgang von 10 %.
Daher überrascht es denn auch kaum, dass die EU-Kommission die Exportprognosen für Weizen in Drittländer zuletzt herabgestuft hat. Bis Ende Oktober hatte die EU lediglich 7,8 Mio. t Weizen in Drittländer exportiert. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht dies einem Rückgang von 33 %. Die Exporte der Gerste belaufen sich bis dato auf 1,6 Mio. t und damit 42 % unter Vorjahr.
Bessere Preise im neuen Jahr?
Der physische Markt wurde zuletzt immer wieder von der Nachfrage der Mischfutterindustrie belebt. Viele Landwirte hielten sich aber mit Verkäufen weiter zurück. Die Getreidemühlen sollen überwiegend nur bis Ende des Jahres eingedeckt sein.
So gesehen könnte diese Strategie der Erzeuger aufgehen. Anfang des kommenden Jahres dürften bei vielen Verarbeitern Anschlusskäufe anstehen. Mittelfristig wird mit einem festeren Preisniveau gerechnet.
Chancen für EU-Exporte steigen
Marktanalysten schätzen, dass die russischen und ukrainischen Exporte aus der Schwarzmeer-Region Mitte November bereits ihren Höhepunkt erreicht haben könnten. In den Wintermonaten tendieren die Lieferungen von dort zudem frostbedingt oftmals gegen Null. Auch der zuletzt festere US-Dollar bremst die Exporte auf der anderen Atlantikseite erst mal aus, sodass mittelfristig durchaus Chancen für EU-Getreideausfuhren Richtung Weltmarkt bestehen.