Viel gewonnen, halb zerronnen! Vom kräftigen Kursanstieg beim Weizen im Frühjahr 2024 war kurz vorm Start der Getreideernte in Deutschland nicht mehr viel übrig: Im Juni verlor der vordere Matif-Weizenkontrakt rund 40 €/t und notierte zuletzt bei rund 220 €/t. Das waren zwar immer noch rund 25 €/t mehr als beim Saisontiefpunkt Anfang März 2024, aber das erneute Minus drückt die Stimmung vieler Landwirte – vor allem, wenn das Zwischenhoch nicht für Vorkontrakte genutzt worden war.
Doch besser als erwartet?
Inzwischen sind die freundlichen Tendenzen Geschichte, seitdem die Nachrichten aus Russland doch nicht mehr so schlecht ausfallen wie zuvor. Erste Ernteergebnisse fallen recht zuversichtlich aus. Laut des russischen Analysten SovEcon könnten nun doch gut 84 Mio. t. Weizen geerntet werden, das wäre 4 Mio. t mehr als zwischenzeitlich prognostiziert.
Auch aus anderen Ländern kommen inzwischen Meldungen, die zusätzlich auf die Kurse drücken: In den USA ist die Ernte vielversprechend gestartet. Nicht wenige Marktbeobachter sind überzeugt: Die weltweite Ernte fällt besser aus als gedacht, auch wenn in Russland noch rund 6 Mio. t gegenüber dem Vorjahr fehlen werden. Dennoch dürfte unterm Strich der weltweite Verbrauch in der Saison 2024/25 aber größer ausfallen als die Erzeugung und die Endbestände damit schrumpfen.
Bei den internationalen Weizenkursen wird diese Tatsache im Moment allerdings kaum berücksichtigt. Zudem reagierten die Märkte zuletzt nervös auf jede neue Prognose und Wettermeldung: Die Kurse schwankten fast täglich deutlich, z. B. an der Pariser Terminbörse.
Kleine Ernte in Frankreich
Für Unterstützung sorgen weiterhin die Aussichten in Frankreich: Dort könnte die Weizenernte auf ein Achtjahrestief sinken. Nässebedingt ist die Weizenfläche bei unseren Nachbarn deutlich geschrumpft. Im Süden und in der Mitte des Landes brachte die Weizenernte Anfang Juli zudem verbreitet niedrige Erträge. Die noch nicht geernteten Feldbestände wurden zuletzt weiterhin deutlich schlechter bewertet als im Vorjahr.
Auch die deutsche Ernte fällt kleiner aus: Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) geht beim Winterweizen von nur rund 20 Mio. t aus. Inklusive Sommer- und Hartweizen rechnet er mit etwa 20,3 Mio. t (Vorjahr: 21,5 Mio. t).
Die Starkregenereignisse im Frühsommer haben laut DRV keine nennenswerten Auswirkungen auf die bundesweite Gesamt-Erntemenge. Mehr Sorge bereitet dagegen der Fusariumbefall im Weizen. Das feuchtwarme Wetter hat der Pilzkrankheit offenbar verbreitet Vorschub geleistet.
Mäßige Gerstenernte
Zuletzt war die Gerstenernte in Deutschland in vollem Gange, wenn es das wechselhafte Wetter zuließ. Die Ergebnisse fielen je nach Region mäßig aus. Die Qualitäten schwankten ebenfalls, waren im Norden aber meist besser als im Südwesten.
Im Großen und Ganzen wird nach der von Nässe geprägten Vegetationsphase von eher unterdurchschnittlichen Erträgen und sehr heterogenen Hektolitergewichten im Südwesten berichtet. Braugerste, Sommer- wie Wintergerste, kann allerdings verbreitet mit guten Qualitäten aufwarten.
Erntedruck abwarten
Wie entwickeln sich die Preise für Weizen weiter? Die aktuelle Marktlage hat die Verkaufsbereitschaft vieler Landwirte zuletzt sinken lassen. Die aufgerufenen Preise sind ihnen zu niedrig. Verarbeitungsbetriebe sind in der Regel gut versorgt und haben auch für die neue Saison bereits eingekauft.
Daher sollten Sie erst einmal den akuten Erntedruck abwarten und die Qualitäten und entsprechenden Märkte genau beobachten. Möglicherweise ergeben sich für deutsche und EU-Lieferanten später Chancen, in eine eventuelle Exportlücke Russlands aufgrund der kleineren Ernte dort zu stoßen.
Aber auch jede andere Möglichkeit, bei zwischenzeitlich steigenden Preisen, Teilmengen zu verkaufen sollte genutzt werden. Politische Entscheidungen oder andere Ereignisse könnten durchaus immer wieder zu zeitweisen Preiserholungen führen.
agrarfax-Meinung:
Markt genau beobachten!
Die Ernte hat begonnen, Mengen und Qualitäten stehen noch nicht fest. Mit weiteren Verkäufen von Weizen sollten Sie in den nächsten Wochen möglichst warten und die tatsächlichen Ergebnisse abwarten. Möglicherweise tendieren die Preise in den kommenden Monaten und zum Jahreswechsel fester, sodass sich Verkaufsfenster ergeben. In jedem Fall sollten Sie den Markt genau und engmaschig beobachten, um auch kurzfristige Zwischenhochs für den Verkauf nutzen zu können.
Das Wichtigste:
Die Weizenpreise sind seit Ende Mai wieder deutlich gesunken.
Letzte Prognosen vorm Erntestart fielen in Russland wieder etwas größer, in Frankreich noch kleiner und weltweit nicht bedarfsdeckend aus.
Chancen auf höhere Preise könnten sich im Herbst und Winter ergeben, wenn z. B. doch Exportweizen aus Russland knapp wird. Beobachten Sie den Markt regelmäßig!