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topplus Landwirtschaft im Dialog

Gemeinsame Lösungen nötig

Renaturierungsgesetz, fehlende Wertschätzung und innovative Lösungsansätze: top agrar diskutierte in Wien über die Zukunft der Landwirtschaft. Wie bekommt die Branche Verlässlichkeit?

Lesezeit: 7 Minuten

Schnell gelesen

Umweltministerin Gewessler verteidigt ihr „Ja“ zum Renaturierungsgesetz und ­ärgert sich über „Fake News“ und ­Propaganda.Für Ferdinand Lembacher, General­sekretär der LKÖ, ist das EU-Gesetz ­dagegen „völlig überflüssig“.Landwirtin Martina Prutsch fragt, ­warum immer nur die Landwirtschaft ­verantwortlich ist, „warum wird kein ­Flughafen geschlossen?“

Ertrag oder Artenvielfalt – diese Frage stellte top agrar Österreich bei seiner Veranstaltung Landwirtschaft im Dialog an die Umweltministerin, Experten aus der Wirtschaft und Bauern. Das Podium nahm im Hörsaal der Universität für Bodenkultur in Wien Platz und diskutierte mit dem Publikum im Saal und den Zuschauern im Internet über die Zukunft der Landwirtschaft.

top agrar-Chefredakteur Matthias Schulze Steinmann und Österreich-­Redakteur Roland Pittner richteten zu Beginn den Fokus auf Umweltministerin Leonore Gewessler von den Grünen. Das brennendste Thema war das Renaturierungsgesetz, das sie durch ihre Stimme auf den Weg brachte. 

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„Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur ist das wichtigste Gesetz der letzten Jahrzehnte und dient besonders der Landwirtschaft. Denn es bedeute Anerkennung und stelle die Basis für die Zukunft des Sektors dar. Das bringt Verlässlichkeit“, meinte die Ministerin.

Die Notwendigkeit des Gesetzes steht für Gewessler außer Frage. Der Natur werde immer weniger Raum gegeben. Nun sei es an der Zeit, ihr etwas zurückzugeben, die Böden zu renaturieren, für sauberes Wasser zu sorgen und die Biodiversität zu fördern. Bis 2030 sollen auf 20 % der Flächen Maßnahmen angestoßen werden. „Und da sind die Landwirte dabei“, sagte Gewessler.

Sie ärgere sich vor allem über die „Fake News“ und „Propaganda“, die zu dem Gesetz verbreitet wurden. „Es gibt keine Enteignungen. Es ist fahr­lässig, Bauern so zu verunsichern. Dadurch werde nur das Gegenteil erreicht, weil wichtige Maßnahmen ausgebremst werden, die die Agrarbranche zukunftsfit machen“, sagte Gewessler. Ihr sei wichtig, dass die Landwirte einen Plan an die Hand bekommen, der Verlässlichkeit bringt und alle auf dem Land einbindet. Gemeinsam müssten nun die kommenden Maßnahmen definiert werden.

Weniger Regeln und Vorgaben

„Völlig überflüssig“ findet dagegen der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich, Ferdinand Lembacher, das Gesetz. Er war in Vertretung von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig am Podium, da dieser kurzfristig absagen musste. Es sei Tatsache, dass die Bauern das alles schon leisten, dafür hätte es kein Gesetz gebraucht. „Und sie leisten das nicht selten mit Verzicht auf Einkommen“, sagte Lembacher.

Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur bringe den Höfen noch mehr Regelungen, ohne dass eine einzige Vorgabe wegfällt. Dabei sei die Bürokratiedichte schon heute unüberschaubar, selbst für Fachleute, sagte der Agrarvertreter. Das sei mit ein Grund für die europaweiten Bauernproteste gewesen.

„Die Landwirtschaft ist nicht gegen die Natur, sie ist gegen den Zwang“, betont Lembacher. Zudem hätten wir offene Märkte, wo es unterschiedliche Spielregeln gibt. Er befürchtet Nachteile im Wettbewerb, die der Staat ausgleichen müsse. Gewessler kontert, dass es ein EU-Gesetz sei und in allen Mitgliedstaaten gelte.

Lembacher wiederum fordert von der Politik Angebote, die die Bauern verstehen. Weil sie die Politik gerade eben nicht verstünden, gebe es so großen Unmut. Die Landwirte arbeiteten täglich in der Natur und seien viel näher an der Sache. Ihre Fachmeinung werde ordnungspolitisch von oben durch eine starke Regelungsdichte überlagert.

Förderprogramme ­falsch ausgerichtet

Nah an den Praktikern dran ist Stephan Ackermann, Bereichsleiter Produktmanagement bei Pöttinger. Er sieht, dass den Landwirten vor allem Verlässlichkeit vonseiten der Politik fehlt. „Als Landmaschinenhersteller sei es schwierig, auf die schnell wechselnden Vorgaben zu reagieren. So betrage die Entwicklungszeit für eine Maschine drei bis fünf Jahre“, schildert Ackermann. Ihm fällt auf, dass die Förderungen bei der Technik oft in die falsche Richtung gehen. Die Politik sollte nicht mit Geld für Technik um sich schmeißen, die der Kunde gar nicht einsetzen kann, sondern den Nutzen bestimmter Maschinen fördern.

Ernährungssouveränität ist nötig

Christian Stockmar, Obmann der Industriegruppe Pflanzenschutz (IGP) und Landesleiter von Syngenta Österreich, ging auf das Thema Ertrag und Artenvielfalt und die Vision des Pflanzenschutzes ein. Chemischer Pflanzenschutz sei auch heute immer nur letztes Mittel, wenn alle anderen Verfahren ausgereizt sind. Als großes Problem identifiziert er die zunehmende Verknappung der Mittel. Auch der Pflanzenschutz brauche eine Vielfalt an Wirkstoffgruppen, wie etwa der Gemüsebau und besonders der Kartoffelanbau. „Die Landwirte werden zu wenig gehört“, sagte Stockmar.

Die EU-Agrarpolitik habe in den vergangenen Jahren einen Weg der Verbote und der Reduktion eingeschlagen. „Es wurde nur darüber diskutiert, was man nicht will. Die IGP will mit der Vision über gesunde Pflanzen positive Ziele formulieren, die eine Agrarpolitik der Gestaltung, des Ermöglichens und der Perspektiven einläuten. Um die Werkzeugkästen der Landwirte zu füllen, braucht es eine Zusammenarbeit aller – Politik, Industrie, Forschung. Das ist ­alternativlos“, sagte Stockmar. Sonst seien die Landwirte schon bald gezwungen, Schadinsekten mit der Hand einzusammeln und Unkraut händisch zu jäten.

Katharina Keiblinger, Privatdozentin vom Institut für Bodenforschung, prangerte an, dass 60 bis 70 % der Böden in einem gefährdeten oder ungesunden Zustand sind. Neben dem quantitativen Bodenverlust durch Versiegelung erinnerte sie auch an die qualitativen ­Gefahren wie Versauerung, Verdichtung, Humusverlust, Erosion oder Verlust der Biodiversität. Laut Keiblinger laufen Untersuchungen auf Pionierbetrieben, wie unter wirtschaftlichen Bedingungen Optimierungen umgesetzt werden können.

Den Boden schont auch Landwirt Franz Winkelhofer, der am Sidepanel gemeinsam mit Landwirtin und Farmfluencerin Martina Prutsch und Robert Pichler, Obmann von Wirtschaften am Land, Platz nahm.

Flut an Auflagen

Pichler verwies auf eine aktuelle Umfrage zu den Herausforderungen der landwirtschaftlichen Betriebe. Die meist genannten Probleme sind steigende Produktionsauflagen, zunehmende Dokumentationspflichten, Bürokratie sowie volatile und unberechenbare Märkte.  Eine Rolle spiele auch die Entwicklung der ländlichen Räume, wo Ärzte, Geschäfte, Kinderbetreuung und Öffentlicher Verkehr fehlen, wo Arbeitsplätze wegfallen und das Ehrenamt keine Nachfolger findet.

Farmfluencerin Martina Prutsch schilderte die Unsicherheit, die das Renaturierungsgesetz bei ihr und vielen Berufskollegen ausgelöst habe. Sie verurteilt, dass die Fehlersuche immer bei den Landwirten beginnt: „Immer wird die Landwirtschaft in Verantwortung gezogen, warum wird nicht auch einmal ein Flughafen geschlossen“, fragt die Junglandwirtin. So würden viele die Freude am Beruf Landwirt verlieren.

Hier antwortete die Ministerin auch gleich: „Ich agiere nicht gegen die Landwirtschaft, sondern lade alle zu einem Dialog ein.“ Sie verstehe die Sorgen und sehe auch die Probleme der Betriebe. Als Lösungsweg empfiehlt die Grünen-Politikerin, „breiter“ nachzudenken und die Wertschätzung für regionale Produkte zu erhöhen. Die Konsumenten hätten einen großen Hebel, sie bräuchten nur die Informationen. Eine Herkunftskennzeichnung sei dabei eine wichtige Maßnahme.

Pichler reagierte auf die Aussage der Ministerin zum Renaturierungsgesetz: „Der jetzt geforderte Dialog hätte besser vor der Abstimmung geführt werden müssen.“ Für Winkelhofer ist es auch die Wertschätzung der Produktion – wenn gesellschaftliche Wünsche erfüllt sind, „muss der Wert auch im Preis einen Niederschlag finden“. Bei den Fragen aus dem Publikum ging es dann heiß her. Von direkter Kritik an der Politik der Ministerin und den Grünen in Bezug auf Freihandelsabkommen bis hin zur Wolfsproblematik war die Bandbreite.

In der Schlussrunde erklärte Pichler: „Die Bauern fühlen sich oft nicht verstanden und nicht wertgeschätzt, das habe auch die Diskussion gezeigt. In Summe sei die Stimmung auf vielen Betrieben gut. Beispielsweise ist der Anteil von Jungbauern in Österreich doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt.

„Es braucht gemeinsame Lösungen, das Renaturierungsgesetz ist am Tisch und wir müssen das Beste daraus machen und es braucht die Artenvielfalt“, sagt Winkelhofer. Auch Prutsch hofft auf gemeinsame Lösungen, nur so lasse sich eine Zukunft gestalten.

www.youtube.com/watch?v=5mCtV7-U0cw&t=1s

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