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topplus Innovativer Schweinestall

Mit Tierwohl zum Vollerwerb

Von der Zuchtsau bis zum Mastschwein setzt die Familie Holzinger in ihrem neuen Stall auf Tierwohl, in einer Zeit, wo viele Stalltüren geschlossen werden.

Lesezeit: 8 Minuten

Die Finessen des Projekts hat sich Stallbauexperte und Tierarzt Werner Hagmüller für top agrar Österreich angesehen.

Schnell gelesen

Die Familie Holzinger hat ein komplett neues geschlossenes System errichtet.

Es werden unter höchsten Tierwohlstandards Ferkel produziert und vor Ort gemästet.

Bei den Ferkeln setzt der Betrieb auf die Welser Abferkelbucht im Kaltstall. Das Konzept funktioniert.

Auch in der Mast kommen Holzkisten zum Einsatz, ebenso wie eine automatische Stroheinstreuanlage.

Die Schweine werden unter Tierwohl 100 „sehr gut“ vermarktet. Die Investition betrug rund 3. Mio. €.

Barbara und Markus Holzinger aus Ungenach in Oberösterreich investierten in ein ungewöhnliches Stallsystem. Die Raumberger Absolventin ist mit der Schweine­haltung groß geworden und hat sich nun mit ihrem Mann Markus dazu ­entschlossen, den Betrieb neu aufzustellen.

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Wenn der 50er naht, beginnt bei vielen zum ersten Mal die gedankliche ­Beschäftigung mit der Zeit nach dem Erwerbsleben – anders bei Familie Holzinger. Ihre Vision ist es, als Voll­erwerbslandwirte von den Erträgen des Betriebes zu leben und als „eigene Chefs“ den Arbeitsalltag gestalten zu können. Und das in einer Zeit, wo viele Schweinebauern die Stalltür zusperren.

Welser Abferkelbucht im Außenklima

Begonnen hat die Reise – nach gedanklichen Ausflügen zu Legehennen, Puten und der Direktvermarktung – am Institut für Biologische Landwirtschaft in Thalheim/Wels. Dort machten Barbara und Markus Bekanntschaft mit der „Welser Abferkelbucht“, einer Bucht für freies Abferkeln unter Außenklimabedingungen. Während für Markus die „Holzkiste“ noch denkunmöglich war, sah Barbara das Potenzial für ihren Betrieb. Ihr Ziel war unter anderem, ein Stallsystem zu installieren, das zwar konventionell betrieben, aber auch in 20 Jahren den Ansprüchen der Tiere und der Gesellschaft genügen würde. So wurde das Konzept einer möglichst freien Haltung für Sauen, Ferkel und Mastschweine Stück für Stück zu Papier gebracht und im Herbst 2023 zogen dann die ersten Sauen ein.

Davor wurde der bestehende Stall dem Erdboden gleichgemacht, nur eine Halle blieb stehen, die nun die Fütterungsanlage und diverse Maschinen beherbergt. Von Grund auf wurde das Konzept für 63 produktive Sauen inklusive Aufzucht und Mast aus dem Boden gestampft. Die Gebäude wurden von Wolf Systembau, die Inneneinrichtung von Schauer-Agrotronic errichtet.

Abferkelbereich neu gedacht

Als Herzstück des Neubaus bezeichnet Barbara die Abferkelung. „Wir wussten ungefähr, worauf wir uns einlassen, dennoch war der Neustart nicht einfach“, sagt die Tierhalterin. Die ersten Abferkelungen mit ausschließlich Jungsauen fielen auf sehr kalte Tage, was die Verluste in die Höhe trieb. „Dass wir jetzt bereits 12 bis 13 Ferkel an jeder Sau haben, macht uns stolz – da können sich Tierhalter mit herkömmlichen Stallungen gar nicht vorstellen, was dahintersteckt.“

Trotz der Herausforderungen, die ein Kaltstall in der Abferkelung birgt, würden die beiden wieder den gleichen Weg einschlagen: „Wir sind bei den Abferkelungen alle drei Wochen dabei, adaptieren laufend kleine Details und werden mit jedem Durchgang sicherer. Auch im Ferkelaufzuchtbereich und in der Mast sehen wir, wie kleine Veränderungen große Wirkung entfalten.“ Mittlerweile werden kaum Ferkel erdrückt, die Sauen sind im Umgang mit den Stallungen sicherer geworden, sie verstehen das System und können nun mit mehr Ruhe abferkeln. Der Abferkelstall ist so errichtet, dass die Sonne frühzeitig in den Auslauf der Buchten scheint und so nutzen auch die Ferkel den Auslauf schon nach wenigen Tagen. Die Fütterung erfolgt trocken in flachen Trögen, damit die Ferkel schnell mit der Sau mitfressen. Nach vier Wochen kommen die Sauen in den Wartestall, wo sie wieder belegt werden, die Ferkel wandern in den Aufzuchtbereich.

Warte- und Deckbereich

Der Wartebereich gliedert sich in Lie­gebereich, Aktivitäts-/Ausscheidungs- und Fressbereich. Die Einzelfressstände können gruppenweise versperrt werden, damit die Sauen während des Ausmistens fixiert sind. Die eingestreuten Liegekojen sind mit einem Windschutznetz abgedeckt und ermöglichen allen Sauen ein gemeinsames Liegen.

Auf einen Trog wurde gänzlich verzichtet, die Fütterung erfolgt auf den blanken Boden, der mit einem Epoxidharzanstrich gegen Abnützung geschützt wurde. Im Wartebereich wird derzeit auch belegt, die dazu vorgesehene Arena ist noch nicht komplett fertiggestellt.

Aufzucht und Mast mit Holzkiste

Ferkelaufzucht, Vormast, Mittelmast und Endmast sind nach einem einheitlichen Grundkonzept aufgebaut. Durch eine Dreiteilung der Flächen entstehen optisch getrennte Funktionsbereiche. Liegen, Fressen und Ausscheidung finden an unterschiedlichen Plätzen statt. Im Liegebereich wiederholt sich das Thema „Holzkiste“, in der alle Ferkel gleichzeitig Platz finden.

Damit dem schnellen Wachstum der Tiere Rechnung getragen wird, kann mit einer verschiebbaren Rückwand die Fläche an das Tiergewicht angepasst werden. So bleiben die eingestreuten Liegeflächen komplett sauber. Ein automatisch hebbarer Deckel sorgt gemeinsam mit der Fußbodenheizung für ein wohliges Klima, die Einstreu für eine komfortable Liegefläche. „Eingestreut wird bei uns automatisch, wir nutzen dafür die Rohre der Fütterung und können damit Futter und Einstreu transportieren“, ist Markus von der Einstreuanlage überzeugt: „Natürlich waren Anpassungen nötig, aber ohne diese Erleichterung könnte ich mir dieses Stallsystem nicht vorstellen.“ Die Einstreu wird durch die Aktivität der Tiere zum Teil in den angeschlossenen Fütterungsbereich verteilt – dort könnte zwar automatisch eingestreut werden, bis jetzt verzichten die Landwirte aber darauf. „Wir möchten den Betrieb im Flüssigmistver­fahren betreiben, darum halten wir mit der Strohmenge etwas zurück“, erklärt Markus.

Die beiden Futtertröge je Bucht sind – anders als in vielen Tierwohlstallungen – parallel zum Gang angeordnet, so kann der Bereich zwischen den Trögen mit dem Hoftrac entmistet werden. Einmal pro Woche, manchmal auch erst nach zehn Tagen, wird dieser Zwischenbereich abgeschoben, der Mist gelangt in die Vorgrube, von wo aus das Mist/Güllegemisch mittels Pumpe (die gleichzeitig auch Rührwerk ist) in die Hauptgrube befördert wird. Damit die Gülle fließfähig bleibt, muss genügend Wasser in der Vorgrube vorhanden sein.

Maximal zwei Tiere teilen sich einen Fressplatz

Die Troglänge ist so ausgelegt, dass sich maximal zwei Tiere einen Fressplatz teilen müssen, was im Hinblick auf den intakten Ringelschwanz von großer Bedeutung ist. Probleme mit Schwanzbeißen gab es bis dato noch nicht, was Barbara auf die optimalen Bedingungen im Abferkel- und Aufzuchtbereich zurückführt: „Wenn man jetzt manchmal kurze Schwänze bei ­unseren Schweinen sieht, kommt das von den Schwanznekrosen der ersten Durchgänge. Durch die Kälte hatten wir vermehrt Nekrosen bei den neugeborenen Ferkeln, jetzt hat sich das Problem von selbst gelöst.“

Der hohe Feuchtmaisanteil (bis 50 %) ist auch bei Trockenfütterung kein Problem, da nirgends Automaten verwendet werden, in denen sich Brücken bilden könnten. „Die Fütterung ist auf vier Mahlzeiten pro Tag eingestellt, so kann immer auf blanken Trog gefüttert werden und die Tiere kommen bei der Fütterung verlässlich zum Trog, was die Tierkontrolle erleichtert“, sagt Markus.

An den Fressbereich schließt sich der erhöhte Ausscheidungsbereich an. Der Spaltenboden besteht aus Kunststoffelementen, zur Unterstützung des Ausscheidungsverhaltens wurden die Trennwände als Gitter ausgeführt. Mehrere Tränkenippel stellen die Wasserversorgung sicher. Sie sind an einem Paneel montiert, das als optische Trennlinie zum Fressbereich dient. Die Posi­tionierung gegenüber der Außenwand hat sich als optimal erwiesen, weil Ferkel dort sehr gerne Kot und Harn absetzen und sich so Wasseraufnahme und Ausscheidung nicht behindern.

Kotschlitz für Selbst­reinigung des Spaltenbodens

Ein Kotschlitz am Ende der Bucht sorgt für optimale Selbstreinigung des Spaltenbodens. „Während der Entmistung fixieren wir die Schweine im Ausscheidungsbereich, da treten sie den Kot wunderbar durch die Spalten und machen uns den Boden wieder sauber“, erklären die Landwirte.

Unter dem Spaltenbereich bringen Unterflurschieber den Mist in die Güllegrube. Die häufige Entmistung verhindert eine starke Geruchsentwicklung. „Natürlich fehlt uns die Erfahrung der Sommersituation, aber durch die gute Durchlüftung aller Bereiche und die Möglichkeit einer Vorkonditionierung der zugeführten Luft über ein Coolpad fürchten wir den Sommer nicht“, sagt Barbara. Gegen den Wind haben Holzingers Windschutznetze mit geringer Luftdurchlässigkeit an der Außengrenze des Stalles montiert. So wird die Windgeschwindigkeit stark abgebremst, die Sonne scheint aber noch immer kräftig durchs Netz.

Die Baukosten liegen bei rund 3 Mio. €, für den Abbruch des alten Gebäudes, die neuen Stallungen und eine 180 kWp-Photovoltaikanlage. Schlussendlich bleibt die Frage nach der Entlohnung von so viel Innovation und Investition. „Die Vermarktung ist auf Schiene, von Seiten des VLV wurde ein Abnahmevertrag angeboten. Die Bezahlung wird sich am freiwilligen AMA Modul „Sehr Gut“ (TW 100) orientieren und so können wir die höheren Produktionskosten weitergeben“, ist Markus Holzinger zuversichtlich. Natürlich wäre das Stallkonzept auch für ein noch höherwertiges Vermarktungsprojekt tauglich, derzeit gibt es aber noch keine neuen Interessenten für diese durchgängige „Tierwohlhaltung“, die sowohl Sauen als auch Ferkel und Mastschweine inkludiert.

Kostenschätzung ist gefragt

Wenn man Familie Holzinger fragt, welche Schlüsse sie aus den Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre gezogen haben, dann sind sich die beiden einig: „Jedem, der sich mit dem Gedanken eines Um- oder Neubaus trägt, empfehlen wir dringend, sich im Vorhinein über die höheren Kosten solch eines Systems im Klaren zu sein. Wenn nicht von Anfang an die Kosten seriös geschätzt werden und die Vermarktung geklärt ist, raten wir, die Hände von so einem Projekt zu lassen.“ Im Fall ­Holzinger kamen zusätzliche finanzielle Mittel aus einem lange vorbereiteten Grundverkauf, dessen Erlös nun wieder in die Landwirtschaft geflossen ist.

Die zweite Erfahrung ist, dass sich unser Blick auf die Tiere verändert. „Wir lernen jeden Tag dazu. Zu Beginn dachte ich, ich kenne das Verhalten von Schweinen – mittlerweile werde ich täglich eines Besseren belehrt. Die Beschäftigung mit den Schweinen ist erfüllend. Die Freude über das Geschaffene wiegt die Schwierigkeiten bei Weitem auf, wir würden den Stall wieder so bauen“, sagt Barbara Holzinger.

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