Die Meise ist ein bekannter Vogel in deutschen Gärten und Lichtungen. Doch die neueste Populationszählung des Naturschutzbunds (NABU) zeigt einen Rückgang der Populationszahlen. Eine haarige Angelegenheit – nicht nur für Vogelliebhaber, sondern auch für den ein oder anderen Haustierbesitzer.
Leichter Rückgang der Populationen in Deutschland und England
Die jüngste Zählung des NABU zur Populationsentwicklung heimischer Wintervögel, auch „Stunde der Wintervögel“, zeigt klare Verlierer: Amseln, Meisen, der Spatz und der Haussperling verloren im letzten Jahr im Vergleich am stärksten an Populationsgröße.
In konkreten Zahlen heißt das: ein Rückgang von minus 7 % bei der Kohlmeise und minus 18 % bei der Amsel. Gegenüber dem MDR Wissen erklärte der NABU-Vogelexperte Martin Rümmler, dass vor allem die Amsel im letzten Jahr von dem grassierenden Usutu-Virus betroffen war. Auch die Meise hatte im letzten Jahr zu kämpfen. Jedoch nicht gegen einen Virus, sondern gegen einen unerwarteten Gegenspieler.
Das Usutu-Virus bedroht die Amsel
Vor allem im Nord-Westen von Deutschland hat sich im letzten Jahr das Usutu-Virus verbreitet. Nach Angaben des NABU hat sich die Anzahl kranker oder toter Vögel im Jahr 2024 vervielfacht.
Grund für die vermehrte Ausbreitung sei vor allem die Übertragung des Virus durch die Stechmücke. Besonders gefährdet ist die Amsel zwischen Mai und September. Auch wenn sich die Stechmücken-Population durch die trockenen Sommer der letzten Jahre weniger stark ausbreiten konnte, ruft der NABU dazu auf, kranke oder tote Amseln entsprechend zu melden.
Auch die Meise hatte im letzten Jahr zu kämpfen. Im bundesweiten Durchschnitt ergab sich für die Kohl- und Blaumeisen ein Populationsrückgang von minus 7 %. Auch in England zeichnete sich ein Rückgang der Meisen-Populationen ab. Hier wurde einmal genauer hingeschaut. Nun ist klar, warum die Vogelzahlen sinken.
Wenn das kuschlige Nest zum Verhängnis wird
Wer legt sich abends nicht gerne in ein weiches Bett? Das denkt sich auch die Meise und füttert ihr Nest nicht nur mit Zweigen, Gras und Moos aus, sondern greift ebenso gerne auf herumliegende Fellbüschel zurück.
Der MDR gab bekannt, dass im Rahmen einer englischen Studie zum Rückgang der Meisen-Populationen chemische Stoffe in den Nestern entdeckt wurden. Genannt wurden vor allem das Fipronil und Imidacloprid. Zwei Insektizide, die derzeit in der Landwirtschaft verboten sind.
Aktueller Stand Fipronil und Imidacloprid
Fipronil ist derzeit in der Europäischen Union, einschließlich Deutschlands, nicht als Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft zugelassen. Im Jahr 2017 entschied der Hersteller BASF, aus wirtschaftlichen Gründen keinen Antrag auf Verlängerung der EU-Zulassung für Fipronil als Pflanzenschutzmittel zu stellen, wodurch die Genehmigung zum 30. September 2017 auslief.
Seitdem ist der Einsatz von Fipronil in der Landwirtschaft nicht mehr erlaubt. Es wird jedoch weiterhin in anderen Bereichen verwendet, beispielsweise zur Bekämpfung von Ameisen, Kakerlaken und Termiten sowie als Tierarzneimittel zur Behandlung von Haustieren gegen Flöhe, Läuse und Zecken.
Imidacloprid ist derzeit in der Europäischen Union, einschließlich Deutschlands, für die Anwendung im Freiland nicht zugelassen. Im April 2018 beschloss die EU ein Verbot der Freilandanwendung von Imidacloprid sowie der Neonicotinoide Clothianidin und Thiamethoxam, nachdem die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) deren Schädlichkeit für Wild- und Honigbienen bestätigt hatte. Seitdem ist der Einsatz dieser Wirkstoffe nur noch in dauerhaften Gewächshäusern erlaubt.
In Deutschland widerrief das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zum 1. Dezember 2020 die Zulassungen aller Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Imidacloprid. Ab diesem Datum durften diese Mittel weder verkauft noch angewendet werden; eine Aufbrauchfrist wurde nicht gewährt.
Somit konnte ein landwirtschaftlicher Ursprung der Gefahrenquelle schnell verworfen werden. Eine Übersicht der weiteren Einsatzgebiete von Fipronil und Imidacloprid führte zum „Übeltäter“. Die beiden Wirkstoffe als Mittel gegen Insekten finden sich auch in Floh- und Zeckenschutzmitteln, die vor allem bei Hunden verwendet werden. Eingesetzt vor allem in monatlichen Dosen als Spray, in Shampoo oder in imprägnierten Halsbändern, berichtet der MDR. Auch in Katzenfell konnten die Wirtstoffe nachgewiesen werden.
Welchen Einfluss haben die Stoffe auf die Meisen?
Der MDR gibt an, dass das Team um Studienautorin Cannelle Tassin de Montaigne vor allem Jungvögel als sehr anfällig für die Wirkstoffe identifizierte. Frühere Forschungsergebnisse, in denen die Insektizide deutlich häufiger in der Landwirtschaft eingesetzt wurden, belegten bereits die negativen Auswirkungen der Stoffe auf die Anzahl gelegter Eier, dünnere Eierschalen und eine erhöhte Sterblichkeit der Jungvögel.
Wie geht es weiter?
Nach Angaben des MDR ergeben sich nach dem Fund der Mortalitätsursache nun weitere Fragen für das Team rund um Montaigne. Welche Verweildauer haben die Stoffe in den Nestern? Wie hoch ist der Einfluss von Floh- und Zeckenmitteln tatsächlich? Gibt es weitere Stoffe, die in der Tiermedizin eingesetzt werden, mit ähnlichen Folgen? Klar ist, die Forschung sollte nach Montaigne an dieser Stelle nicht aufhören, um dem Bestandsrückgang weiter entgegenzuwirken.