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topplus Öl-Experte im Interview

„Jeder kann sein eigenes Haus-Öl herstellen."

Gerhard Rieglsperger ist Landwirt und gilt als Experte für die Ölpressung. Er erklärt, wieso Ölherstellung oft am Anfang einer Betriebsumstellung steht - und was sich damit verdienen lässt.

Lesezeit: 5 Minuten

Gerhard Rieglsperger betreibt im südöstlichsten Zipfel von Bayern seit 28 Jahren eine eigene Ölmühle. Mit seinem Unternehmen hat er bis 2024 über 4.500 Ölpressen und 1.000 Filteranlagen weltweit verkauft. Er berät Landwirtinnen und Landwirte, die sich für Pflanzenöl als Speiseöl, für Kosmetik oder Pharmazie interessieren und hält Vorträge darüber. Er sagt, das Thema Speiseöl ist größer als „ein bisschen Öl in einer Flasche".

Das Interview mit Gerhard Rieglsperger zum Ölpressen

top agrar: Ein Speiseöl aus selbst angebauten Ölsaaten herzustellen, kann ein neues Standbein für landwirtschaftliche Betriebe sein. Aber wenn viele Betriebe auf den Zug aufspringen, ist das auch bald nichts Besonderes mehr. Sollten Sie nicht aufhören, dafür Werbung zu machen?

Gerhard Rieglsperger: Ganz und gar nicht. Hochwertige, kalt gepresste Speiseöle herzustellen und damit seine Ölsaaten zu veredeln, bietet enormes Potenzial für Betriebe. Es bringt mehr Wertschöpfung unters Scheunendach. Bei 83 Mio. Menschen in Deutschland und einem durchschnittlichen Speiseölverbrauch von 15 l pro Jahr ergeben sich mehr als 1,2 Mrd. Liter (nur) Speiseöl. Das sind 2.400.000.000 Flaschen pro Jahr! Es bleibt also viel zu tun (lacht).

Und was die Besonderheiten angeht: Es gibt vom Filtrieren und Raffinieren der Öle bis zum vorherigen Polieren oder Rösten der Saaten sehr viele unterschiedliche Verarbeitungsschritte auf dem Weg zum fertigen Speiseöl. Die kann man gehen, muss man aber nicht. Fest steht jedoch, je mehr dieser Schritte ich gehe, desto besser wird die Qualität des Endprodukts. Dadurch kann also jeder sein persönliches „Haus-Öl" produzieren, das sich in Geschmack und Farbe von anderen Ölen unterscheidet.

Es gibt noch dazu einen Radius von 50 bis 100km um den Betrieb, in dem die regionale Vermarktung gut funktioniert. Da bleiben viele Optionen für interessierte Betriebe.

Speiseöl-Herstellung verändert landwirtschaftlichen Betrieb

Sie sagen, wer Öl am Hof presst, steht häufig am Anfang einer größeren Umstrukturierung des Betriebs. Wieso?

Rieglsperger: Ja, das Öl steht wirklich oft am Anfang einer Umstrukturierung des Betriebs. Erst ergibt sich eine neue Fruchtfolge. Dann habe ich die Speiseöle, die ich vermarkten kann. Aber das Thema ist größer als ein bisschen Öl in einer Flasche. Es eröffnet Chancen im großen Bereich der alternativen Proteine und der Ersatzprodukte.

Wer das hochfahren will, kann in seinem regionalen Radius von 50 bis 100km durchaus Umsätze mit der Öl-Produktion von 900.000 € bis 1 Mio. € erzielen.
Gerhard Rieglsperger

Denn neben dem Öl fällt ja eine Menge Presskuchen an. Als größter Restposten bei der Produktion sollte er auch genutzt werden. Bei Raps und Sonnenblumen mag das noch eher egal sein. Aber der Presskuchen von Hanf oder Lein beispielsweise ist sehr wertvoll. Er enthält unter anderem Folsäure, die bei einer vegetarischen Ernährung oft zu kurz kommt. Es ist relativ einfach, das Protein zu isolieren und separat zu vermarkten. Das was davon wiederum übrig bleibt, lässt sich immer noch verfüttern.

Sie reden davon, den Reststoff Presskuchen zur Herstellung eines Lebensmittel zu nutzen?

Rieglsperger: Natürlich! Das Öl ist hochpreisiger. Aber vom Presskuchen haben wir mehr. Wenn ich 1kg Presskuchen aus dem Futtertrog herausnehme, gebe ich 0,30 € auf, aber verdiene mit der Vermarktung in den Lebensmittelbereich etwa 1,50€. Landwirte dürfen verstehen, dass sie damit die Chance des sogenannten Upcyclings haben. Sie können aus einem Reststoff ein Lebensmittel machen, das mehr wert ist als Tierfutter.

Aus dem Presskuchen kann man z.B. auch Mehl herstellen. Mit der richtigen Sorte als Basis und leicht verfeinert, z.B. mit Chili, entsteht wieder ein neues Produkt, das ich unter Nudeln mischen könnte. Einmal angefangen, ergeben sich viele neue Potentiale, die sich gegenseitig fördern.

Landwirt wird zum Produktdesigner und Vertriebler

Inwiefern ändern sich dadurch die Aufgaben des Betriebsleiters?

Rieglsperger: Der Betriebsleiter, der sich dafür entscheidet, entscheidet sich für ein komplett neues Leben. Ein Landwirt, der Ölmüller werden will, wird zum Produktdesigner. Er kann durch eine bestimmte Sortenwahl oder die oben genannten Verarbeitungsschritte sein Haus-Öl mit ganz bestimmten Eigenschaften herstellen. Außerdem muss er Spaß an Direktvermarktung und ein „Vertriebs-Gen" haben. Schließlich kann er die Produktqualitäten seines Öls vermarkten.

Trotzdem muss er nicht von Anfang an ein riesiges Expertenwissen haben. Meine Kunden aus der Landwirtschaft wachsen da meist langsam hinein. Und weil das oft ganz automatisch passiert, verändert sich der Betrieb genauso langsam aber stetig mit.

So rechnet sich die Ölproduktion im Lebensmittelbereich

Und das lohnt sich?

Rieglsperger: Die Rechnung ist relativ einfach. Wenn ich 1t Raps aktuell bei der Genossenschaft in die Gosse kippe, erhalte ich 500€/t.

Wenn ich mich für das Pressen entscheide, presse ich aus den 1.000kg Raps lieber 350kg Öl und 650kg Presskuchen. Für den Kuchen erhalte ich schonmal rund 250€ als Tierfutter. Die 350kg Öl fülle ich in Flaschen ab und verkaufe den Liter für ca. 5,5€. Das ist nicht teuer im Segment kalt gepresstes Speiseöl. Für meine 350kg Öl erziele ich also knapp 2.000€. In der Genossenschaftsrechnung hätte ich für meine dort abgekippten 350kg Rapsöl nur 250€ bekommen. Wertschöpfungstiefe!

Mit einer Anfangsinvestition von 15.000€ kann ich rund 120.000 l Öl pressen. Je nach Ölsaat kann ich zumindest im Deckungsbeitrag 1 einen Umsatz bis zu 500.000€ erzielen.

Und wer das dann hochfahren will, kann in seinem regionalen Radius von 50 bis 100km durchaus Umsätze mit der Öl-Produktion von 900.000 € bis 1 Mio. € erzielen. Das sind keine Einzelfälle in meinem Kundenkreis.

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