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Warum sind genetische Wolfsnachweise nicht immer eindeutig?

Nach einem mutmaßlichen Wolfsübergriff auf Nutztiere soll ein genetischer Nachweis den Beweis liefern. Doch das ist häufig nicht leicht. Warum, erklärt Dr. Carsten Nowak vom Senckenberg Institut.

Lesezeit: 5 Minuten

Rund um das Thema Wolf gibt es immer wieder Diskussionen. Ein Aspekt ist, dass nach einem mutmaßlichen Wolfsangriff kein genetischer Nachweis des "Täters" möglich ist.

Warum ist das so und welche Herausforderung gibt es bei der Analyse? Darüber sprachen wir mit Dr. Carsten Nowak. Er leitet das Zentrum für Wildtiergenetik am Senckenberg Forschungsinstitut in Gelnhausen. Das Institut betreibt Grundlagenforschung u. a. zu Natur und Umwelt. Es ist das nationale Referenzlabor für das Wolfsmonitoring. Pro Jahr werden hier ca. 6.000 Proben auf Wolf-DNA untersucht.

Warum führt nur das Senckenberg Institut genetische Wolfsnachweise durch?

Nowak: Das Bundesamt für Naturschutz hatte uns 2009 als Referenzlabor für das Deutsche Wolfsmonitorings vorgeschlagen. Die Länder haben zugestimmt. Seitdem untersuchen wir alle offiziellen Proben. Beim Wolf sind das nur solche, die von wissenschaftlichen Interesse sind oder für die uns Behörden beauftragen.

So ein Referenzlabor ist international üblich. Wir können auf umfangreiche Daten zurückgreifen und haben viel Erfahrung in der Analyse von Wolf DNA. Das ist wichtig, denn eine genetische Analyse ist nicht mit dem standardisierten Nachweis eines Krankheitserregers vergleichbar.

Wie funktioniert der genetische Nachweis einer Wolf-DNA?

Nowak: Es gibt verschiedene Methoden abhängig von der Fragestellung. Man kann sich z. B. kurze Sequenzen der mitochondrialen DNA anschauen. Dieser Teil wird nur von der Mutter vererbt, daher ist die Aussagekraft geringer. Doch zumeist lassen sich damit Wolf und Hund sicher unterscheiden.

Für das Wolfsmonitoring ermitteln wir Individuen oder Verwandtschaften (Rudel) mit einem genetischen Fingerabdruck, wie in der Kriminalistik. Dies ist auch wichtig, um z.B. Problemwölfe zu identifizieren.

Welche Herausforderungen gibt es?

Nowak: Zum einen sind Hunde eng verwandt mit Wölfen. Die genetischen Unterschiede können je nach Hunderasse verschieden groß sein. Darüber hinaus ist DNA besonders bei feucht, kaltem Klima sehr instabil und zersetzt sich innerhalb weniger Tage.

Sehr häufig haben wir also Probenmaterial, das mit anderer DNA verunreinigt ist oder wenig, bzw. nur Teile einer DNA enthält. Daher können wir nicht immer einen eindeutigen Befund geben.

In einem aktuellen Fall hatte Ihr Labor bei einem Nutztierriss keinen Wolf nachweisen können, ein privates Labor aber schon (Labor bestätigt Wolfangriff im Kälberstall). Wie erklären Sie sich das?

Nowak: Das ist meines Wissens nach so noch nie vorgekommen. Leider werden Ergebnisse oft falsch interpretiert. Es ist wichtig zu unterscheiden, ob ein Wolfnachweis vorliegt oder ob es einen Hinweis auf einen Wolf gibt. In der Regel ist es letzteres.

In dem genannten Fall konnte kein vollständiges Profil ermittelt werden und der Befund stützt sich, wie nahezu alle anderen uns bekannten Fälle, auf ein einzelnes genetischen Merkmal, das häufig bei Wölfen und selten bei Hunden vorkommt. Das ist als Indiz geeignet. Doch Fremd-DNA und Kontaminationen können genetische Muster bei Umweltproben mit geringem DNA-Gehalt beeinflussen. Daher ist es kein eindeutiger Befund.

Wir haben unsere Proben im genannten Fall nachträglich noch einmal auf diesen Marker untersucht und das Allel nicht gefunden. Um aber solchen angeblichen Diskrepanzen vorzugreifen, werden wir den Marker künftig in unsere Untersuchungen integrieren.

Zu berücksichtigen ist: Es wird nie ein und dieselbe Probe untersucht. Zudem ist das Probenmaterial häufig sehr schlecht. Da kann es durchaus vorkommen, dass ein Labor keine Aussage treffen kann und das andere aber Spuren von Hund oder Wolf findet. 

Für Tierhalter ist es frustrierend, wenn die Spurenlage auf einen Wolf hindeutet, sich aber kein Nachweis oder nur ein Hund feststellen lässt. Wie stehen Sie dazu?

Nowak: Dies stellt eigentlich kein Problem dar. Die DNA-Analyse entscheidet nicht alleine über den Befund. In Kombination mit der Spurenlage vor Ort kann der Gesamtbefund trotzdem „Wolf“ lauten.

Wenn wir den Befund „Hund“ geben, sagen wir nicht, dass ein Hund das Tier gerissen hat. Sondern, dass wir Hunde-DNA in der Probe gefunden haben. Das kann verschiedene Gründe haben, wie der Hofhund oder Hund des Schäfers. Hunde-DNA findet sich letztlich überall in der Umwelt.

Einige Bundesländer, wie jetzt auch Hessen, lassen nur noch in Einzelfällen DNA-Analysen durchführen. Da soll den bürokratischen und wohl auch finanziellen Aufwand reduzieren. Halten Sie das für sinnvoll?

Nowak: Ja, das ist sinnvoll. Die DNA-Analyse ist nur ein Baustein bei der Untersuchung von gerissenen Wild- oder Nutztieren. Wichtig ist auch die Spurenlage vor Ort, also am Tier und in der Umgebung. Wenn geschulte Personen hier eindeutig einen Wolf als Verursacher feststellen, sollte das als Bestätigung ausreichen und eine Entschädigung für den Tierhalter ermöglichen.

Anfangs war es auch gar nicht so geplant, dass jedes möglicherweise vom Wolf gerissene Tier genetisch untersucht wird. Doch in der Anfangszeit hatten wir hier in Deutschland kaum Erfahrung und wenige Experten, die von Wölfen verursachte Risse sicher erkennen konnten. Denn auch das ist nicht immer einfach. Beispielsweise können sich unerfahrene Jungwölfe anders verhalten und es gibt auch Hunde, die gezielte Kehlbisse ausführen können. 

Wie ist der Ablauf, wenn man ein gerissenes Tier hat und Wolf als Verursacher vermutet? Wer entscheidet welche Proben untersucht werden?

Nowak: Das läuft über die für den Wolf zuständigen Fachbehörden der Länder, in der Regel über Hotlines. In Hessen ist es bspw. das Wolfszentrum von Hessenforst. Diese kontaktieren geschulte Mitarbeiter, die möglichst bald rausfahren und Proben nehmen.

Die Landesbehörde entscheidet, ob diese Proben zu uns geschickt werden und, wie viele untersucht werden sollen. Das hat auch wirtschaftliche Gründe, da eine DNA-Analyse je nach Methode in der Regel ca. 100 bis 200 € kostet. Unsere Ergebnisse gehen zurück an die Behörde, die diese dann interpretiert und dem Tierhalter mitteilt.

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