Die Entscheidung fiel innerhalb von zwölf Tagen: Direkt nach dem Studium kaufte Heinrich Kruse einen insolventen Betrieb mit 400 Sauen. Dafür zog er vom elterlichen Betrieb aus dem niedersächsischen Damme nach Morgenrot – ein Ortsteil von Quedlinburg mit rund 120 Einwohnern.
Sein Ziel: Eine eigene Existenz in der Landwirtschaft aufbauen. Wie ihm das gelungen ist, verriet er kürzlich einer Besuchergruppe der Jungen ISN (Details siehe unten).
Prioritäten setzen
Kruses Vorgänger hatten den Betrieb aus der Ferne geleitet. „Der Chef vor Ort fehlte“, ist er sich sicher und wollte es anders machen. So startete er 2015 mit der gesundheitlichen Sanierung, erneuerte Fütterung, Lüftung und Heizung.
2018 übernahm Kruse zwei Mastbetriebe, 2020 einen weiteren Ferkelerzeugerbetrieb mit rund 1200 Sauen. In diesem Zuge stellte er den Stammbetrieb auf Mast um. Dort leben heute 5500 Tiere. Zusammen mit seinen Brüdern hat der 34-Jährige ein geschlossenes System.
Standort bietet Vorteile
In der Region herrscht ein geringer Krankheitsdruck, da die wenigen Schweinebetriebe kilometerweit auseinanderliegen. Gülle kann Kruse gut an seine Nachbarn verkaufen.
Das erleichtert die Arbeit
Dafür sei die Effizienz im Stall ausbaufähig. Drei Mitarbeiter für 5500 Tiere im Stammbetrieb sind ihm eigentlich zu viel. Entscheidender sei aber die Betriebssicherheit. Die Produktion soll auch dann reibungslos weiterlaufen, wenn er unterwegs ist. Dazu gehören einfache Abläufe, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Bei den Sauen möchte Kruse demnächst von einer besonders fruchtbaren auf eine eher pflegeleichtere Genetik umstellen.
Die tragenden Sauen sollen bald an Abrufstationen mit Selektionsfunktion gefüttert werden und Transponder tragen. Das erleichtert Mitarbeitern die Arbeit, wenn sie einzelne Tiere suchen.
An der Futterküche stehen zwei baugleiche CCM-Annahmen. Fällt eine aus, geht es sofort weiter.
Vom Tagesgeschäft lösen
Ein Großteil des Stallpersonals kommt aus der Region. Anfangs bekam Kruse sogar Initiativbewerbungen. Doch es wird schwieriger: „Viele gute gehen in Rente.“
Eine wichtige Position sind für ihn die Standortleiter der vier Betriebe, mit denen er sich oft austauscht. Dann geht es nicht nur um Fachliches. Ab und zu ist der Landwirt auch Streitschlichter.
„Management ist, sich selbst überflüssig zu machen, und das kann ich gut.“
„Wer sich nicht vom Tagesgeschäft lösen kann, bei dem bleiben wichtigere Dinge liegen“, ist Kruse überzeugt. Außerdem rät er jungen Betriebsleitern: „Richtet euch schon jetzt eine Vorsorgevollmacht ein. Das klingt hart, aber ihr müsst austauschbar sein.“
So füttert Kruse seine Mastschweine
Auch in Sachen Fütterung hat der Betriebsleiter konkrete Vorstellungen. Durch die Eigenremontierung mästet er auch ausgemusterte Jungsauen und Vermehrungsbörge. Es gibt daher unterschiedlich veranlagte Tiere in den Ställen, die alle bedarfsgerecht versorgt werden wollen. Um das möglichst einfach zu halten, setzt Kruse auf eine flüssige Multiphasenfütterung. Es gibt zwei Anmischbehälter. Vor- und Endmastfutter werden erst kurz vor dem Ventil verschnitten – je nach Tiergruppe. Im Gegensatz zu vielen kleinen Chargen steigt dabei die Mischgenauigkeit. Getreide reinigt er mit dem Windsichter vor.
Kosten sparen mit CCM
Getreide kann er günstig zukaufen. „Wir leben in einer Überschussregion. Ich zahle hier 16 bis 18 €/t weniger als in Niedersachsen“, erklärt der Betriebsleiter. Das macht sich bei rund 1000 t Gerste im Jahr schon bemerkbar. Ähnlich sieht es beim Mais aus. Die meisten Futterkosten spart Kruse mit dem Einsatz von CCM. In seiner Ration macht der Corn-Cob-Mix bis zu 40 % aus.
Hinzu kommen Nebenprodukte wie Getreideschlempe, Kartoffeldampfschalen und Molkemix sowie ein Ergänzer. Dafür gibt es in der Region nur wenige Hersteller, aber ein Produkt aus der alten Heimat kann preislich gut mithalten. Eiweißträger selbst anzubauen, ist für Kruse derzeit keine Option, weil die Inhaltsstoffe der Zukaufware genau in die Ration passen.
Breit aufgestellt
Heinrich Kruses Kerngeschäft bleiben die Schweine. Trotzdem kamen mit der Zeit zwei Ackerbaustandorte hinzu. Die Flächen bewirtschaftet sein GbR-Partner.
Für Reparaturen und Umbauten hat der Landwirt sich inzwischen eigene Maschinen zugelegt. Und er hat eine Bautruppe, die seine Ideen zeitnah umsetzt.
Auf den Stalldächern hat Kruse Photovoltaikanlagen installiert und eine eigene Firma für die Planung von Freiflächen-PV gegründet.
Kompromisse eingehen
Auf dem Hof stehen noch viele Altgebäude. Nicht alle lassen sich sinnvoll umnutzen. Aber ein Abriss kostet Geld. So findet Kruse lieber eine Zwischenlösung. Für seine aktuelle Siloplatte zum Beispiel hat er eine alte Stallwand stehen gelassen und seitlich abgestützt. Das hält nicht ewig. Aber sollte sich der Mais irgendwann nicht mehr rechnen, hat er nicht zu viel investiert.
„Hier stehen so viele Anlagen leer. Wenn ich wollte, könnte ich morgen den nächsten Betrieb kaufen.“
Auch den Umbau der Ställe gemäß TA Luft und den gesetzlich geforderten Umbau der Abferkelung will Heinrich Kruse nicht überstürzen. Von vorauseilendem Gehorsam hält er wenig.
Missverständnisse vermeiden
Im Stall ist bisher wenig digitalisiert, im Büro dagegen umso mehr. Ein externer Dienstleister sortiert die Akten und Belege für den Betrieb. Eine Mitarbeiterin vor Ort kümmert sich um wiederkehrende Aufgaben wie Löhne und das Vorbereiten von Überweisungen.
Damit es im Team keine Missverständnisse gibt, arbeitet der Betriebsleiter gern mit Tabellen, zum Beispiel für die Ferkelplanung. Darauf können alle Beteiligten online zugreifen. Das digitale Büro ist für ihn ein Meilenstein. „Aber man muss Schritt halten und nicht meinen, dass man ein Programm die nächsten zehn Jahre nutzen kann“, warnt er.
Die eigene Rolle definieren
Als Unternehmer legt Kruse Wert darauf, selbst ein guter Kunde zu sein. „Je effizienter und besser vorbereitet ihr seid, desto lieber arbeiten Dienstleister wie Steuerberater mit euch zusammen. Das ist wichtig, weil es davon immer weniger gibt“, rät er anderen Landwirten und fügt hinzu: „Berater können nur dann gut beraten, wenn man die richtigen Fragen stellt.“ Man müsse schon selbst die Initiative ergreifen.
Gar nicht so leicht, wenn man täglich mit den eigenen Abläufen zu tun hat. Doch Kruse weiß Rat: „Ihr braucht einen Sparringspartner – jemanden, mit dem ihr euch austauschen könnt und der euch offen die Meinung sagt.“ Er telefoniert deshalb oft mit seinem Bruder.
Nicht ohne die Familie
Wichtig ist ihm aber auch die Unterstützung der Familie vor Ort. Gemeinsam mit seiner Frau Nele hat Heinrich Kruse ein altes Sozialgebäude der ehemaligen LPG zum Wohnraum umgenutzt. Inzwischen zählen auch vier Kinder zur Familie. „Hier in der Region wohnen nicht viele junge Leute“, erklärt der Betriebsleiter. „Aber Anschluss findet man überall, wenn man will.“
Kurzum: Heinrich Kruse wird noch eine ganze Weile Kredite zurückzahlen müssen, doch er weiß: „Was ich hier aufgebaut habe, hätte ich im Westen nicht machen können.“
Junge Schweinehalter auf Erkundungstour
Rauskommen, etwas vom Land sehen und von erfahrenen Betriebsleitern lernen: Das wollten die Exkursionsteilnehmer der Jungen ISN, überwiegend Studierende aus Niedersachsen und NRW. Die Gruppe gehört zur Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands.
Neben Heinrich Kruse besuchten die rund 25 Interessierten einen weiteren Betrieb im Harz – mit Schweinehaltung von konventionell bis auf Stroh. Das Fazit hier: Höhere Haltungsformen bieten Chancen, müssen aber gut durchkalkuliert werden, denn der zusätzliche Erlös ist an Vorgaben für Futter und Stall geknüpft. So kann es passieren, dass am Ende nicht viel mehr übrig bleibt als bei konventioneller Haltung. Wer anfangs beim Umbau spart, muss oft nachjustieren. Landwirte können das aber auch als Chance sehen und Erfahrungen sammeln, bevor sie große Summen investieren.
Wie aus Larven der Schwarzen Soldatenfliege eiweißreiches Proteinmehl und Insektenfett entsteht, lernte die Reisegruppe bei „Made by made“ nahe Leipzig. Das Unternehmen verkauft eine Containerlösung. Damit können Landwirte auf ihrem Betrieb in die Larvenmast einsteigen – als Produzent statt als Abnehmer. Für den Schweinetrog ist die Herstellung wohl noch zu teuer. Rund 4 Mio. € kostet die Technik. Dafür gibt es einen Vertrag über 12 Jahre.
Auf dem Tour-Programm standen außerdem die Stickstoffwerke der SKW Piesteritz und der Kalimandscharo, die 126 m hohe Abraumhalde des Salzbergwerkes der K+S in Zielitz nahe Magdeburg.