Unsere Autorin: Dr. Dörthe Norden, Fachtierärztin für Schweine, Brockel (Niedersachsen)
Sauen vollbringen bei der Geburt echte Höchstleistungen. Die Anzahl der Ferkel pro Wurf ist dabei in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Doch je größer der Wurf, desto länger dauert das Abferkeln und desto größer ist auch die Gefahr für totgeborene Ferkel. Deshalb ist es wichtig, dass Tierhalter eine bevorstehende Geburt frühzeitig erkennen und im Notfall mit den richtigen Maßnahmen eingreifen.
Schnell gelesen
Für das Überleben der Ferkel ist es wichtig, bei Problemen im Geburtsverlauf möglichst früh Hilfe zu leisten.
Bei stockenden Wehen ist eine Gabe von Oxytocin und das Massieren des Gesäuges fördernd.
Feststeckende Ferkel müssen behutsam per Hand aus dem Geburtskanal gezogen werden. Beachten Sie dabei unbedingt die Hygiene!
Probleme bei der Geburt sollten auf der Sauenkarte dokumentiert und die Sau leicht auffindbar markiert werden.
Wann startet die Geburt?
Die physiologische Tragedauer von Sauen variiert zwischen 112 und 118 Tagen. Die bevorstehende Geburt kündigt sich dabei schrittweise durch verschiedene Symptome an (s. Übersicht).
So schwellen zunächst die Scham sowie die Scheide an, und das Gesäuge bildet sich aus. Ab etwa einem Tag vor der Geburt zeigt die Sau Nestbauverhalten durch Scharren mit den Füßen und Wühlen mit dem Kopf. Ein Jutesack oder Stroh helfen ihr, das natürliche Verhalten auszuleben, wodurch die Sau Stress abbauen kann. Unmittelbar vor der Geburt fließt zäher Schleim aus der Vulva und die Milch lässt sich im Strahl abmelken.
Während der Geburt erkennt man eine Presswehe dann an den angezogenen Vorderklauen und dem aufgestellten Schwanz. Die Wehen werden durch die deutlich erkennbare Bauchpresse unterstützt. Eine Wehe dauert zwischen einer und drei Minuten. Sie kommen etwa 10 bis 15 Mal pro Stunde. Die Kontraktionen führen dazu, dass die Füße des Ferkels die Fruchtblase zerreißen und Fruchtwasser ausfließt. Wenn das Ferkel in den Gebärmutterhals eingetreten ist, presst die Sau reflexartig und streckt ihre Hinterbeine aus, wodurch das Ferkel aus dem Geburtskanal getrieben wird.
So kündigt sich die Geburt bei Sauen an
Wann eingreifen?
Idealerweise liegt die Sau während der Geburt ruhig in Seitenlage und zeigt die beschriebene Wehentätigkeit. Im Schnitt wird dann alle 15 bis 20 Minuten ein Ferkel geboren. Vom ersten bis zum letzten Ferkel sollten nicht mehr als fünf Stunden Zeit vergehen. Nach der Geburt finden die Ferkel innerhalb von 20 Minuten das Gesäuge und nehmen Kolostrum auf. Spätestens drei bis vier Stunden nach der Geburt des letzten Ferkels wird die Nachgeburt ausgetrieben.
Doch so optimal und selbstständig verläuft eine Geburt nicht immer. Deshalb sollte man die Sauen rund um den errechneten Geburtstermin intensiv beobachten und betreuen. Diese Anzeichen deuten auf mögliche Probleme des Geburtsverlaufs hin:
Der Geburtstermin ist überschritten;
Die Sau eutert wieder ab;
Die Milch ist seit mehr als sechs Stunden im Strahl melkbar, ohne dass ein Ferkel geboren wurde;
Die Sau fühlt sich unwohl, scheint überanstrengt oder krank;
Übelriechender, eitriger oder schwärzlicher Ausfluss aus der Scheide;
Die Presswehen bleiben erfolglos;
Das erstgeborene Ferkel kommt tot zur Welt;
Seit der Geburt des letzten Ferkels sind mehr als 45 Minuten vergangen;
Das zuletzt geborene Ferkel ist bereits trocken;
Unter der Geburt geht bereits Darmpech der Ferkel ab, erkennbar als bräunliche Schmiere an den Ferkeln und im Fruchtwasser;
Die Sau zeigt trotz Abgang der Nachgeburt noch immer Wehentätigkeit.
Warten Sie mit dem Eingreifen nicht zu lange! Für das Überleben der Ferkel ist es entscheidend, möglichst früh Geburtshilfe zu leisten.
Vor der vaginalen Untersuchung sollten Sie die Genitalregion der Sau mit milder Desinfektionslösung waschen. Anschließend ziehen Sie einen armlangen Plastikhandschuh über und verteilen reichlich Gleitgel darauf. Greifen Sie dann vorsichtig mit der schlankeren Hand (beim Rechtshänder ist das meist die linke Hand) in die Scheide.
Anschließend gilt es, behutsam und genau zu fühlen. Ist der weiche Geburtsweg geöffnet oder geschlossen? Ist der Beckenring eng oder passierbar? Blockiert ein Ferkel den Geburtsweg? Wie liegt das Ferkel? Und ist es lebendig, tot oder verwest? Je nach Situation sind dann unterschiedliche Maßnahmen zu ergreifen, damit die Geburt fortgesetzt werden kann.
Wehentätigkeit anregen
Befindet sich kein Ferkel im Geburtskanal, fühlt sich das Innere der Gebärmutter weit und die Wand ähnlich fest wie ein Autoschlauch an, dann sind die Wehen ins Stocken geraten. Vorsichtiges Massieren des Gesäuges kann die Wehen anregen. Das simuliert das Säugen der Ferkel und stimuliert die natürliche Oxytocinausschüttung.
Häufig wird Oxytocin auch per Injektion verabreicht. Das Hormon führt zu Kontraktionen der ringförmig aufgebauten Gebärmuttermuskulatur. Eine Injektion von 0,5 bis 1 ml Oxytocin in die Nackenmuskulatur ist ausreichend. Dabei sollten maximal drei Gaben erfolgen – jeweils im stündlichen Abstand. Eine Überdosierung von Oxytocin sollten Sie jedoch auf jeden Fall vermeiden, denn es verursacht bei der Sau stechende Schmerzen. Außerdem kann es durch eine extreme Kontraktion der Gebärmutter zu Spasmen und dadurch zum Geburtsstillstand kommen.
Oxytocin kann seine Wirkung nur entfalten, wenn der glatten Muskulatur der Gebärmutter genügend Kalzium zur Verfügung steht. Daher ist es ratsam, zusätzlich 20 bis 50 ml Kalziumgluconatlösung zu injizieren. Ist der Tonus der Gebärmuttermuskulatur zu hoch, sodass sie verkrampft, kann man auch einmalig ein Spasmolytikum zur Erleichterung und Beschleunigung der Geburt intramuskulär spritzen.
Auch homöopathische Präparate wie Caulophyllum, Pulsatilla, Secale oder Sabina können geburtsvorbereitend wirken und den Geburtsablauf direkt fördern. Es gibt orale Einzelpräparate und Komplexmittel zur Injektion. Sie werden entweder direkt zur Geburt oder einige Tage vorher zur Geburtsvorbereitung verabreicht. Die Auswahl des Präparats und den Behandlungszeitpunkt sollten Tierhalter individuell mit dem Tierarzt abstimmen.
Blockierter Geburtsweg
Steckt ein Ferkel im Geburtskanal fest, sollte man es behutsam auf die Welt holen. Ferkel werden meist in Bauchlage geboren und können entweder in Vorderendlage zur Welt kommen, das heißt mit dem Kopf voran bei nach hinten an den Leib gelegten Vordergliedmaßen. Oder sie liegen in Hinterendlage, also mit gestreckten Hinterbeinen voran.
Befindet sich das Ferkel in Rückenlage oder sind Vorder- oder Hinterbeine verschlagen, müssen die Beine vorsichtig in die richtige Geburtsposition gebracht werden. Ist der Geburtskanal so eng, dass ein Ferkel mit der Hand nicht herausgeholt werden kann, können Geburtsinstrumente wie eine Geburtsschlinge oder bei bereits abgestorbenen Föten auch Augenhaken helfen. Ziehen sie das Ferkel behutsam aus dem Geburtskanal und kontrollieren Sie anschließend, ob noch ein weiteres Ferkel fühlbar ist.
Zu Beginn der Geburt ist der zeitliche Abstand zwischen den geborenen Ferkeln relativ hoch. Meist vergehen zwischen dem ersten und zweiten Ferkel über 30 Minuten. Mit zunehmender Geburtsdauer geht die Austreibung dann schneller voran, bis sie im letzten Drittel des Wurfs wieder langsamer wird.
In dieser Phase nehmen auch die Totgeburten zu. Denn die Sau ist erschöpft und die Kontraktionen werden schwächer. Daher sollten die Tierbetreuer in diesem Zeitraum besonders aufmerksam sein.
Viele Ferkel sterben aufgrund von Sauerstoffmangel, da während zu langer Kontraktionen der Blutfluss eingeschränkt ist oder die Nabelschnur reißt. Die Sauerstoffversorgung sinkt dann innerhalb von 5 Minuten um 50 %.
Problemsauen markieren
Treten bei Sauen Probleme während der Geburt auf, sollte man das unbedingt auf der Sauenkarte dokumentieren. Denn auf Sauen mit verzögertem Geburtsverlauf, erhöhten Ferkelverlusten oder MMA-Problemen sollten Tierhalter bei der nächsten Abferkelung ein besonderes Auge richten. Die Karten von „Problemsauen“ kann man zum leichteren Auffinden gesondert markieren, z.B. durch Wäscheklammern oder indem man sie schräg aufhängt.
Auch das Aufstellen von Managementplänen mit entsprechenden Handlungsanweisungen kann allen Mitarbeitern helfen, Anzeichen für die bevorstehende Geburt und Probleme im Geburtsablauf besser zu erkennen. Das gilt vor allem, wenn wechselnde Arbeitskräfte die Tiere betreuen. Denn die richtigen Maßnahmen können viele Ferkelleben retten.