Unsere Expertin: Sonja Friedemann, Leiterin der Rechtsabteilung beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV)
Die ersten Briefe kamen im Winter. Doch viele BImSch-Betriebe bekommen erst in diesem Frühjahr Post vom Landkreis. Umweltämter oder Immissionsschutzbehörden wollen wissen, wie nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigte Bestandsanlagen die neuen Regeln zur TA Luft umsetzen werden. Dabei geht es um Geruchs- und Ammoniakminderung durch Maßnahmen zu Fütterung, Gülle- oder Mistlagerung und Lüftung.
Schnell gelesen
BImSch-Betriebe müssen mit Behördenanfragen rechnen, welche Maßnahmen sie zur Ammoniakminderung planen.
Anhörungen sollten fristgerecht beantwortet werden. Ein Antrag auf Fristverlängerung ist sinnvoll.
Gegen Ordnungsverfügungen, die überzogen sind, kann der Landwirt sich nur auf dem Klageweg wehren.
Die Nachrüstung der Abluftreinigung erfordert hohen Planungsaufwand, muss genehmigt werden und ist sehr teuer.
Die Umsetzungsfrist sollte die Behörde mit Blick auf lange Genehmigungsverfahren sowie Handwerker- und Materialknappheit großzügig bemessen.
Fristen und Maßnahmen
Für jeden Bereich gibt es eigene Fristen, teils abhängig von der Betriebsgröße:
Den Nachweis der stark nährstoff-reduzierten Fütterung müssen alle BImSch-Betriebe seit Dezember 2024 erbringen. Hierdurch muss die Ammoniakemission um 20 % gegenüber dem Ausgangswert von 3,64 kg NH3/Tierplatz in der BImSch-Genehmigung gesenkt werden. Alle weiteren Minderungsschritte beziehen sich auf den reduzierten Wert von 2,91 kg NH3/TP.
Die Vorschriften zu Güllebehälter und Festmistlager gelten ab 1.12.2026. Durch feste Abdeckung, Zeltdach, Schwimmkörper oder -folien soll mindestens eine 85%ige Geruchs- und Ammoniakminderung erfolgen.
Ebenfalls ab 1.12.2026 müssen „große“ G-Anlagen ihre Ammoniakemissionen um mindestens 70 % mindern sowie den Geruch auf maximal 500 Geruchseinheiten/m³. Dazu ist eine Abluftreinigungsanlage vorgeschrieben.
Ab dem 1.1.2029 müssen „kleine“ V-Anlagen ihre Ammoniakemission um mindestens 40 % reduzieren mittels „Best verfügbarer Technik“ (BVT), die im Anhang der TA Luft aufgelistet ist.
In welche Größenkategorie ein BImSch-Betrieb fällt, hängt von der genehmigten Tierzahl ab:
G-Anlagen: Betriebe ab 750 Sauen-, 2.000 Mast- oder 6.000 Ferkelaufzuchtplätzen sowie gemischte Bestände entsprechender Größe, auch mit anderen BImSch-pflichtigen Tierarten.
V-Anlagen: Betriebe mit 1.500 bis 1.999 Mastplätzen, zwischen 560 und 749 Sauenplätzen oder mit 4.500 bis 5.999 Ferkelaufzuchtplätzen sowie gemischte Bestände entsprechender Größe, auch mit anderen BImSch-pflichtigen Tierarten.
„Die Anhörung sollte man nicht auf die lange Bank schieben, sondern mit der Behörde die Pläne besprechen.“
1. Schritt: Anhörung
Kein Schweinehalter braucht unaufgefordert aktiv zu werden. Denn die TA Luft ist kein Gesetz, sondern richtet sich als Verwaltungsvorschrift an die zuständige Behörde des Landkreises. Diese muss aktiv werden, um die vorgegebenen Fristen einzuhalten. Doch sind die Behörden durch den Genehmigungs-Boom bei Windkraftanlagen arbeitsmäßig stark eingespannt. Zum anderen sind sie von den neuen Regelungen der TA Luft teils selbst überfordert. Viele Details sind nicht eindeutig geregelt, sodass Einzelfallentscheidungen notwendig werden. Gerichtsverfahren sind zu erwarten, um „unbestimmte“ Rechtsbegriffe zu klären. Daher warten viele Beamte auf offizielle Vollzugshilfen, die den Rechtsrahmen füllen.
In einem ersten Schritt verschickt die Behörde Anhörungen an betroffene Betriebe. Diese sollen darlegen, wie sie ihren Minderungspflichten nachkommen. Das Vorgehen ist weder landes- noch bundesweit abgestimmt. Es variiert sogar von Kreis zu Kreis, ob die Anpassungen bei Fütterung, Gülle/Mistlagerung und Abluft gleichzeitig abgefragt werden oder in mehreren Etappen.
Mit der Anhörung ist eine Rückmeldefrist von meist vier Wochen verbunden. Innerhalb dieser Zeit sollte der Landwirt unbedingt reagieren. Wer keinen fertigen Plan hat, sollte das Gespräch mit der Behörde suchen und Fristverlängerung beantragen. Es reicht ein fachlich begründeter, formloser Antrag. Die Verlängerung wird schriftlich bestätigt. Gerade bei Abluftreinigung wissen Behörden, dass die notwendigen Papiere nicht innerhalb von vier Wochen zusammengestellt werden können.
Den Aufschub sollte der Landwirt nutzen, um mithilfe von Beratern, Fachfirmen und eventuell Gutachtern eine Lösung für seinen Betrieb zu finden. Außerdem empfiehlt sich eine Rechtsberatung angesichts der komplizierten Thematik. Versierte Juristen, die sich mit dem Thema Immissionsschutz auskennen, finden sich oft bei den Landwirtschaftsverbänden.
2. Schritt: Anordnung
Meldet sich der Landwirt nicht innerhalb von 28 Tagen auf die Anhörung, schickt die Behörde als nächste Stufe eine Anordnung in einer amtlichen Zustellung. Die Ordnungsverfügung setzt rechtsverbindlich fest, welche Minderungsmaßnahmen der Betrieb bis zu welchem Termin erfüllen muss. Lässt der Landwirt die Frist von einem Monat nach Zustellung tatenlos verstreichen, wird die Anordnung rechtsgültig. Sie ist dann nur noch durch eine Klage anfechtbar. Um rechtzeitig zu reagieren, sollte man den Umschlag der Zustellung archivieren und das Einspruchsdatum notieren. Es reicht, zunächst nur Klage einzureichen. Die Begründung kann nachgeliefert werden.
Vor Gericht wird’s teuer
Die Klage ist ein zeit- und kostenträchtiger Weg. Bei einer großen Abluftreinigungsanlage geht der Streitwert schnell in die Hunderttausende. Schon bei 100.000 € Streitwert werden in der ersten Instanz allein an Gerichtskosten 3.387 € fällig. Hinzu kommen Anwaltskosten von 4.137,50 € netto laut Gebührenordnung. Die Rechtsschutzversicherung zahlt nicht, da es sich um Verwaltungsrecht handelt. Zudem können Gutachten die Kosten hochtreiben.
Ein Vorteil des Gerichtsverfahrens: Selbst wenn der Richter zugunsten der Behörde entscheidet, gewinnt der Landwirt Zeit, um womöglich kostengünstigere Lösungen zu finden. Bei Geflügel beispielsweise kann die Abluftreinigung durch eine neuentwickelte ammoniakbindende Einstreu ersetzt werden. Vielleicht sind ähnliche Entwicklungen in der Schweinehaltung möglich. Doch kann es auch passieren, dass Gerichtsurteile die Lage verschärfen.
Ist Abstocken eine Alternative?
Bestandsabstockung kann ein Weg sein, der TA Luft aus dem Weg zu gehen. Das lohnt sich in der Regel nur für Betriebe knapp oberhalb der BImSch-Grenzen. Landet man dadurch unterhalb von 1.500 Mastplätzen oder 560 Sauenplätzen, wechselt der Stall ins Baurecht und hat keine Auflagen zur Ammoniakreduzierung zu erfüllen.
Große BImSch-Anlagen, die sich auf unter 2.000 Mast- oder 750 Sauenplätze verkleinern, müssen keine Abluftreinigung nachrüsten, wohl aber die 40%ige Ammoniakminderung erfüllen. Der Schweinehalter muss gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich eine dauerhafte Verzichtserklärung über die überschüssigen Plätze abgeben – und natürlich den Umfang der Tierhaltung tatsächlich dauerhaft reduzieren. Vorteil: Es ist kein neues Verfahren notwendig und keine Änderungen am Stall. Doch ist zu bedenken, dass sich die Schwellenwerte bei Umsetzung der europäischen Industrie-Emissionsrichtlinie wahrscheinlich reduzieren.
Mit den Behörden sprechen
Besser ist es, schon während der Anhörung im Gespräch mit Behördenmitarbeitern die Möglichkeiten auszuloten. Gründliche Vorbereitung verspricht dabei mehr Erfolg als lautes Schimpfen. Wie groß sind die Ställe und wie weit voneinander entfernt? Wie viel Platz ist unterm Dach? Ist eine PV-Anlage installiert? Was sagt die Statik? Gibt es Biotope und Nachbarn? Sind aktuelle Gutachten vorhanden? Wie teuer wird eine Abluftreinigung? Was kostet der Einbau? Gibt es Alternativen?
Wichtig ist auch der Zeithorizont. Das Einholen von Angeboten dauert, Handwerker und Lüftungsbauer haben volle Auftragsbücher. Zudem erfordert der Einbau einer Abluftreinigung oder eines Güllesilodachs immer eine Genehmigung – baurechtlich und auch nach BImSchG, wenn es sich um eine wesentliche Änderung handelt. Behörde und Landwirt müssen Zeit für das Genehmigungsverfahren einkalkulieren, das schnell ein Jahr oder länger dauert.
Ist das verhältnismäßig?
Dreh- und Angelpunkt bei den Gesprächen ist, ob die Maßnahmen verhältnismäßig sind. Das betrifft die Technik: Ist die Statik des Stalls überhaupt für einen Abluftwäscher ausgelegt? Reicht der Platz im Dachraum? Landwirte halten die immensen Kosten der Abluftreinigung für unverhältnismäßig. Doch dies Argument zieht bei Behörden kaum. Für sie steht der Schutz von Mensch und Natur im Vordergrund und das Einhalten der mit der EU vereinbarten Klimaziele. Bis 2030 muss Deutschland die Ammoniakemissionen um 29 % reduzieren.
Auch wenn die Behörde die Unverhältnismäßigkeit der Abluftreinigung anerkennt, muss der Landwirt Ammoniak mindern. Nicht mehr 70 %, sondern „nur“ 40 %. Damit fällt ein großer Betrieb in den Status einer V-Anlage – die Umsetzungsfrist verlängert sich aber nicht bis Ende 2028. Möglich ist, dass die Behörde auf dem ursprünglichen Termin für G-Anlagen im Dezember 2026 besteht.
Ausweg Außenklimastall?
Für qualitätsgesicherte Außenklimaställe, die nachweislich dem Tierwohl dienen, liegt die Latte bei den Minderungszielen niedriger. Hier wird lediglich 33 % Reduktion gegenüber dem Basiswert verlangt. Eine Abluftreinigung ist nicht vorgeschrieben. Das könnte Aufwind für Ställe ab Haltungsform 3 bedeuten – auch als Umbaulösung für konventionelle Ställe. Doch muss der Landwirt nachweisen, dass er das Minderungsziel wirklich einhält.
Dazu muss der Stall hohe Anforderungen erfüllen. Nicht in der TA Luft, die viel Deutungsraum lässt und lediglich exemplarisch Kisten- und Schrägbodenställe nennt. Doch gibt es konkrete Vollzugshinweise von der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Immis-sionsschutz (LAI). Die Details dazu stellen wir in einer weiteren Folge der Serie vor. Eins ist jedenfalls sicher: Einfach nur eine Stallseite zu öffnen, reicht nicht aus.
Gilt die TA Luft auch für Baurechts-Betriebe?
Früher war die TA Luft für Ställe, die nach Baurecht genehmigt sind, ohne Bedeutung. Das hat sich mit der Novelle im Dezember 2021 geändert. Zwar gelten die Nachrüstpflichten nur für BImSch-Betriebe. Doch müssen nach Baurecht genehmigte Schweinebetriebe seitdem die Schutzvorschriften aus Kapitel 4 der TA Luft erfüllen. Schutzbedürftig sind Anwohner und Biotope im Umfeld des Stalls.
Ob ein Schweinehalter die Schutz-regeln einhält, wird bei jedem neuen genehmigungspflichtigen Bauvorhaben geprüft. Meist muss im Rahmen eines Gutachtens geklärt werden, ob und wie gut das gelingt. Im Extremfall kann das Gutachten allerdings auch negativ für den Betrieb ausgehen. Sei es, dass seit der letzten Baugenehmigung ein neues Biotop entstanden ist. Oder dass plötzlich Mieter in die umgenutzte Scheune des Nachbarn eingezogen sind.
Dabei genießen „fremde“ Mieter einen höheren Schutzstatus als ein benachbarter Landwirt. Das kann zur Folge haben, dass eine Betriebserweiterung an diesem Standort nicht möglich ist, obwohl der Betrieb unterhalb der BImSch-Grenzen bleibt.