Warum leicht überfrorene Böden nicht zur Ausbringung von Wirtschaftsdüngern genutzt werden dürfen, darüber reißt die Diskussion seit Jahren nicht ab. Kaum eine Regelung der Düngeverordnung ist so umstritten. Helmut Döhler von Döhler Agrar forscht und berät seit Jahrzehnten zum Thema Wirtschaftsdüngerverwertung. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie er die Situation bewertet.
Herr Döhler, sehr viele Landwirte haben aus unterschiedlichen Gründen auch seit Jahren noch kein Verständnis für das Verbot auf leicht gefrorenen Böden flüssige Wirtschaftsdünger ausbringen zu dürfen. Was ist Ihre fachliche Meinung dazu?
Döhler: Gefrorene Böden müssen diesbezüglich sehr differenziert betrachtet werden. Klar ist, dass bei niedrigen Lufttemperaturen und kalten, feuchten Böden die Emissionen geringer sind, als bei höheren. Nahe der Frostgrenze sind die Emissionen am niedrigsten. Das belegen schon die Daten unserer Untersuchungen von 1990 (Graphik 1).
Hier konnten wir zeigen, dass sich vor allem bei Schweinegülle die Emissionen auf ein Minimum reduzieren. Eine bessere Emissionsminderungsmaßnahme als Gülle bei Temperaturen nahe der Frostgrenze auszubringen, gibt es eigentlich nicht. Nur die sofortige Einarbeitung mit gut mischendem Gerät kann da mithalten. Und damit meine ich nicht erst nach einer Stunde und nur bei niedrigen Temperaturen.
Sie haben dazu mehrere Versuche gemacht….
Döhler: Ja. Beispielsweise ein Feldversuch aus den 1980er Jahren (siehe Graphik 2). Auf leicht überfrorenem Boden, der gerade die Last des Tankwagens aushielt, wurden bei der Ausbringung nur marginale Emissionen gemessen, nach einem Tag war kein Emissionsgeschehen mehr feststellbar. Diese Ergebnisse haben auch noch heute Bestand.
Haben ihre Ergebnisse damals in der Düngegesetzgebung Berücksichtigung gefunden?
Döhler: Ja, durchaus. Aus diesen Erkenntnissen und Erfahrungen aus Beratung und Praxis kam Ende der 80er die Empfehlung, die Gülle am besten bei leicht überfrorenen Böden auszubringen. Das war auch noch in der Düngeverordnung (DüV) 1996 erlaubt. Dort war das Kriterium, dass der Boden für das Düngemittel aufnahmefähig sein muss. Die DüV von 2017 lässt das aber nicht mehr zu.
Welche Gefahr sehen Sie, wenn Wirtschaftsdünger auf Böden ausgebracht werden, die tiefer gefroren sind?
Döhler: Eine Ausbringung auf tiefer gefrorenem Boden ist aus Sicht der Emissionsminderung zwar auch denkbar, allerdings wird dann dem Risiko der Abschwemmungen nicht ausreichend Sorge getragen. Tiefgefrorene Böden sind nicht aufnahmefähig für das Düngemittel, dementsprechend war dies auch schon in der DüV 1996 nicht erlaubt. Das Risiko der Abschwemmung ist insbesondere in Hanglagen immens und nicht zu vernachlässigen. Noch kritischer ist die Ausbringung bei wassergesättigten, gefrorenen Böden.
Mit der aktuellen Regelung kann es eher zu Strukturschäden im Boden kommen.
Ein Zielkonflikt der zwangsläufig entsteht ist, dass auf schweren oder nassen Flächen mit der aktuellen Regelung oft nur noch recht spät flüssiger Wirtschaftsdünger ausgebracht werden kann. Dann sind nicht nur die Emissionen höher, auch die N-Ausnutzung ist reduziert. Wie beurteilen Sie diese Situation?
Döhler: Richtig, wir verlagern damit die Gülledüngung nach hinten und müssen dabei in Kauf nehmen, dass Emissionen höher und die N-Ausnutzung geringer werden. Auch ist es aufgrund der Regelung u.U. erforderlich eine Startgabe mit Mineraldünger durchzuführen, obwohl der Gülle-N im Gülletank wartet. Ein weiterer Aspekt ist, dass es mit der aktuellen Regelung eher zu Strukturschäden im Boden kommen kann.
Bei tiefgefrorenen Böden ist eine Düngung trotz der niedrigen Emissionen nicht sachgerecht.
Was wäre nach Ihrer Meinung die beste Lösung für die Wirtschaftsdüngerausbringung?
Döhler: Für eine rechtliche Regelung, die sowohl dem Ertragsziel, dem Atmosphären-, Boden- und Gewässerschutz am ehesten gerecht wird, ist das ein schmaler Grat. Wünschenswert wäre eine Rückkehr zu der Regelung, die eine Ausbringung auf leicht überfrorenen Böden erlaubt. Bei tiefgefrorenen Böden ist eine Düngung trotz der niedrigen Emissionen nicht sachgerecht, weil beim Auftauen und nach Regen die Aufnahme in den Boden nicht sicher gewährleistet ist. Dann ist die Abschwemmungsgefahr zu groß.