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topplus Prototyp entwickelt

Neuartiger Wasserstrahlschneider zerstört Unkräuter gezielt und ohne Chemie

Mit Hochdruckstrahlen die Herbstzeitlose auf Grünland zurückdrängen – dieses selektive, nicht-chemische Verfahren bietet neue Alternativen für Biobetriebe und Betriebe mit Umweltprogrammen.

Lesezeit: 7 Minuten

Unser Autor: Prof. Dr. Albert Stoll, Hochschule für ­Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-­Geislingen (HfWU), Institut für Technik

Jetzt im Herbst hat sie wieder ­geblüht: die Herbstzeitlose. Mit ­ihren violetten Blütenblättern sieht sie eigentlich recht harmlos aus. Aber die Pflanze mit dem botanischen Namen Colchicum autumnale ist hoch ­giftig. Das Besondere an ihr ist, dass sie sich im Herbst nur mit ihrer Blüte zeigt.

Kräftige Blätter und später auch die ­Samenkapseln schiebt die Pflanze im Frühjahr aus ihrer Knolle. Dann wächst sie auf Wiesen zusammen mit den Nutzpflanzen. Betroffen sind vor allem sehr artenreiche, extensive Flächen, die oft unter Naturschutz stehen oder anderen Bewirtschaftungsauflagen unterliegen.

Die Giftpflanze mags extensiv

Dass sich die Herbstzeitlose auf extensiven Standorten immer weiter ausbreitet, liegt daran, dass hier erst spät gemäht und wenig gedüngt wird. Die ­geringe Schnittintensität begünstigt die Giftpflanze. Heu- und Silageaufwüchse aus dem Juni können dadurch giftige Pflanzenbestandteile enthalten.

Tiere haben Probleme, die Pflanze aus konserviertem Futter heraus zu selektieren und laufen Gefahr, schwerwiegende gesundheitliche Schäden zu erleiden. Insbesondere für Pferdehalter in Süddeutschland und den angrenzenden Regionen ist die Pflanze daher eine große Herausforderung.

Um der Herbstzeitlosen Herr zu werden, müsste man die Pflanzen eigentlich herausreißen oder ausstechen. Kommen sie nur in überschaubarer Anzahl und in kleinen Nestern vor, bietet sich auch das partielle Mähen mit dem Freischneider an. Wegen der hohen Arbeitsbelastung kommen diese Verfahren aber nur für kleine Flächen bzw. Teilbereiche infrage.

Sind größere Flächen befallen, empfiehlt sich ein mehrmaliger Schröpfschnitt oder das Mulchen. Diese Maßnahmen stehen aber oft in einem Widerspruch zu den naturschutzfachlichen Bewirtschaftungsauflagen und führen zudem zu einem Ertragsverlust. Auch Spot-Spraying mit Herbiziden, wie es seit einiger Zeit beispielsweise zur Bekämpfung von Ampfer angeboten wird, kommt wegen der Auflagen meist nicht in Betracht.

Projektgruppe entwickelt neues Verfahren

Für betroffene Betriebe stellt sich ­daher die Frage, ob sich befallene ­Flächen überhaupt „sanieren“ lassen. Nicht-chemische und selektive Unkrautbekämpfung im Grünland ist im Vergleich zum Ackerbau in der Agrarforschung bisher kaum untersucht worden.

Um das zu ändern, hat sich das Team vom Institut für Technik an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen mit Wissenschaftlern des ­Instituts für Stochastik der Universität Ulm sowie Ingenieuren der Firmen ­Anedo, Uraca und Martin Energietechnik zu einer Projektgruppe zusammengeschlossen. Sie entwickeln und untersuchen in einem vom Bundeslandwirtschaftsministerium geförderten Projekt namens SELBEWAG ein Gerät, das gezielt und ohne chemische Wirkstoffe die giftigen Herbstzeitlosen aus dem Bestand schneidet.

Das Ziel erkennen

Damit das funktionieren und das Gerät die Pflanzen auch gezielt entfernen kann, müssen die Standorte der Herbstzeitlosen bekannt sein. Für diese Aufgabe werden zwei Ideen verfolgt, ein Offline- und ein Online-Ansatz.

Im Offline-Ansatz überfliegt eine Drohne im Herbst die Flächen und fotografiert sie. Die dann violett blühende Herbstzeitlose hebt sich deutlich vom grünen Bestand ab. Die vielen Einzelbilder werden entzerrt, zu einem Orthofoto zusammengesetzt und exakt positioniert.

Ein Detektor sucht in diesem Luftbild anschließend nach den Blüten und kann die geogra­fische Position jeder einzelnen Pflanze ermitteln.

Der Detektor wurde an der Universität Ulm entwickelt und beruht auf den Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI). Aus diesen Positionsdaten lässt sich schließlich eine Applikationskarte erzeugen, die später das Unkrautbekämpfungsgerät steuert. In dem Projekt wird hierfür konsequent auf ISOBUS gesetzt. Die Anwendung selbst erfolgt ca. sechs Monate später, da sich die Herbstzeitlosen im folgenden Frühjahr am wirkungsvollsten bekämpfen lassen.

Ein Nachteil des Offline-Verfahrens ist, dass der Blattaustrieb nicht immer exakt dort ist, wo im Herbst eine Blüte war. Dieses Problem lässt sich zwar durch die Wahl größerer Bearbeitungsfenster entschärfen, allerdings möchte man eigentlich so wenig wie möglich in den Bestand eingreifen. Zudem ist für das vorherige Abfliegen der Fläche ein zusätzlicher Arbeitsschritt erforderlich. Gleichzeitig hat die Vorab-Inspektion mit der Drohne aber auch den Vorteil, dass man den Einsatz in Ruhe planen kann. So muss man später nur gezielt die befallenen Stellen im Feld anfahren  – das spart Fahrwege.

Die Idee des Online-Ansatzes beruht auf einer Echtzeiterkennung der Pflanzen während der Bekämpfungsfahrt im Frühjahr. Die Herausforderung hierbei liegt in der automatischen Erkennung grüner Herbstzeitlosenblätter, die in ­einem grünen Grasbestand wachsen.

Doch auch diese Aufgabe hat die Universität Ulm mithilfe der KI gelöst. Allerdings sind für das direkte Erkennen mehrere Kameras auf dem Gerät erforderlich. Auch die Steuerungstechnik muss im Vergleich zu einem Abarbeiten einer Applikationskarte noch mal deutlich leistungsfähiger sein.

Das neue Echtzeiterkennungssystem konnte bereits in Betrieb genommen werden und wird nun optimiert. Das nächste Ziel ist, die Erkennungsrate von etwa 90 % des Drohnensystems (Offline-Ansatz) möglichst auch in der Echtzeit­variante zu erreichen – und das trotz der herausfordernden Aufnahmebedingungen.

Wasser, das schneidet

Im Entwicklungsprozess hat sich herausgestellt, dass das Prinzip des Wasserstrahlschneidens durchaus erfolgversprechend für ein an ein Traktor ge­koppeltes Gerät ist. Erste Versuche erfolgten mit einem Hochdruckreiniger. Doch ein praxistaugliches Verfahren benötigt leistungsfähigere Komponenten.

Gemeinsam mit den Projektpartnern entstand an der HfWU ein Prototyp mit 2,50 m Arbeitsbreite für den Frontanbau. Die Arbeitsbreite ist in zehn Einzelabschnitte unterteilt. Jede Sektion besteht aus einer höhengeführten Rotationsdüse, die über ein pneumatisch vorgesteuertes Schaltventil aktiviert und deaktiviert werden kann. Ihr schnell rotierender Strahl erzeugt eine ringförmige Bearbeitungszone mit einem Durchmesser von 25 cm.

In Kombination mit der Bewegung in Fahrtrichtung ergibt sich dann ein entsprechend breiter Bearbeitungsstreifen. Das benötigte Wasser wird aus einem im Heck angebauten Tank zur zapfwellengetriebenen Hochdruckpumpe gefördert, die dann das System auf über 300 bar bringt.

Zu Beginn haben die Forschenden auch Versuche mit heißem Wasser durchgeführt. Sie stellten aber fest, dass ein hoher Wasserdruck zusammen mit der richtigen Durchflussmenge geeigneter ist. Allerdings setzt ein Druckstoß etwa eine Kaffeetasse voll Wasser frei. Je nach Befallsdichte kommt in etwa ein Kubikmeter Wasser pro Hektar zusammen.

Abtrennen, zerkleinern und verrotten

Fährt nun der Schlepper mit diesem Gerät einen Einsatz, werden entweder gemäß der Applikationskarte oder durch die Kameraerkennung eine oder mehrere Sektionen geschaltet. Bei der Nutzung der Applikationskarten ist ein RTK-Ortungssystem notwendig. Dieses gleicht laufend die aktuelle Traktor- bzw. Geräteposition mit der Applikationskarte ab.

Sobald das Gerät eine auf der Karte gekennzeichnete Behandlungsfläche erreicht, schaltet die ISOBUS-Funktion Section Control die entsprechenden Sektionen. Im Online-Ansatz mit der Kamera­erkennung ist die Satellitenortung des Traktor-Geräte-Gespanns nicht unbedingt nötig. Allerdings hilft das automatische Lenksystem beim exakten Anschlussfahren.

Der von oben auf die Giftpflanze gerichtete Wasserstrahl schneidet sie oberflächlich ab und zerkleinert durch seine hohe Drehzahl die abgeschnittenen Blätter. Diese werden gleichzeitig auf den Boden gedrückt. Dadurch wird der Verrottungsprozess beschleunigt, sodass zum Zeitpunkt der Heuernte keine restlichen giftigen Bestandteile mehr vorhanden sind. Die Grasnarbe bleibt unverletzt. Durch das Abtrennen der Blätter wird die Pflanze geschwächt und sie kann keine Samenkapseln mehr zur Reife bringen.

Zwei Überfahrten sinnvoll

Systematische Feldversuche haben ergeben, dass es sinnvoll ist, die Maßnahme im Frühjahr zweimal durchzuführen. Die  erste Behandlung  sollte in dem Zeitfenster erfolgen, in dem die Herbstzeitlose ihre unterirdisch gespeicherte Energie in die Blätter verlagert hat. Das ist je nach Witterung und Region etwa im April der Fall. Danach schieben die Pflanzen noch mal Blätter nach und es gibt auch Exem­plare, die zeitlich ver­zögert aufwachsen, sodass sich eine  zweite Behandlung  etwa zwei bis drei Wochen später empfiehlt.

Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass sich bei einer Geschwindigkeit von 4 km/h deutlich über 90 % der Schadpflanzen entfernen lassen. Über die dreijährige Projektlaufzeit zeigte sich darüber hinaus ein Rückgang im Bestand der Herbstzeitlose um 50 bis 68 %.

Wie geht es weiter?

Noch wird nicht jede Pflanze erkannt. Hier sind weitere Untersuchungen und Optimierungen nötig. Die Projektgruppe nimmt aber ein großes Interesse an dem Verfahren wahr, insbesondere von Pferdebetrieben. Die Firma Martin Energietechnik entwickelt zurzeit ein Gerät, das mit 6 m Arbeitsbreite den Anforderungen aus der Landwirtschaft gerecht werden soll. Natürlich stellt sich auch die Frage nach weiteren Anwendungsmöglichkeiten. Vor allem Biobetriebe wür­­den gerne auch andere Grünlandunkräuter selektiv und ohne Chemie bekämpfen. Das Team arbeitet daran!

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