Auf vielen Höfen liegt eine unsichtbare Gefahr: Asbest. Denn im 20. Jahrhundert schwor die Bauindustrie auf das Material und nutzte es in Millionen von Gebäuden. Doch eigentlich ist schon seit den 1930er Jahren klar, dass die feinen Fasern hochgefährlich sind.
Sind die Bauteile intakt, geht noch kein Risiko von ihnen aus, sie müssen also nicht automatisch erneuert werden. Die Gefahr wird erst akut, wenn die Sanierung ansteht. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) warnt in diesem Zusammenhang vor einer „Asbestwelle“, verstärkt durch den Druck des europäischen Green Deal. Denn, damit Gebäude energieeffizienter werden, muss die alte Bausubstanz weichen. Seit 2010 müssen Landwirte zudem asbesthaltige Dächer sanieren, wenn sie darauf beispielsweise eine Photovoltaikanlage errichten wollen.
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Asbest war bis 1993 ein beliebter Baustoff, der in so gut wie jedem Gebäude dieser Zeit vorkommt – häufig in Dachplatten und Fassaden.
Regelungen zum fachgerechten Umgang gibt die „TRGS 519“ vor.
Bei Arbeiten mit Asbestprodukten sind partikeldichte Schutzanzüge, mindestens FFP2-Masken und Handschuhe Pflicht.
Man unterscheidet schwach und fest gebundene Asbestprodukte. Erstere sind deutlich gefährlicher, da sie leichter Fasern abgeben.
Entsorgung: In staubdichten „Big Bags“.
Tödliche Wunderlösung in der Bauindustrie
Asbest ist ein Sammelbegriff für sechs natürliche Minerale, die besonders durch ihre feinen Fasern auffallen. Diese Fasern können tausendmal dünner als ein Haar sein und gelangen beim Einatmen in die Atemwege. Dort richten sie großen Schaden an – denn einmal eingeatmet, bleiben sie Jahrzehntelang im Körper. Sie lösen chronische Entzündungen aus, können Lungenkrebs oder Asbestose verursachen. Die Latenzzeit zwischen Kontakt und Erkrankung beträgt im Durchschnitt 30 Jahre – deshalb sterben nach Angaben des Umweltbundesamtes allein in Deutschland jährlich noch immer 1.500 Menschen an den Folgen von Asbest.
Trotz dieser Risiken gilt das bundesweite Asbestverbot erst seit 1993. Seit 2005 ist das Einbauen und Inverkehrbringen in der gesamten Europäischen Union untersagt. Die Gründe für das späte Verbot: Der Alleskönner ist günstig, feuerfest, chemisch beständig und galt als unkaputtbar.
Welche Altgebäude sind mit Asbest belastet?
Die Ausmaße des Problems zeigt der Blick auf die Zahlen: Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin schreibt, dass zwischen 1950 und 1985 rund 4,4 Mio. t Asbest in Westdeutschland vor allem in Dachplatten, Fassaden und Bodenbelägen verarbeitet wurden – die Marke Eternit führte den Markt an (Diagramm S. 67). Insgesamt gilt Asbest eher als ein westdeutsches Problem: Denn in der ehemaligen DDR wurde Spritzasbest bereits 1969 verboten. Doch auch hier kamen weitere 1,4 Mio. t zum Einsatz.
Rund 3.000 verschiedene Asbestprodukte schlummern in deutschen Häusern. Die IG Bau schätzt, dass es in jedem Gebäude, das in den betroffenen vier Jahrzehnten gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt – damit ist mehr als die Hälfte aller Wohngebäude in Deutschland belastet.
Wie finden Hausbesitzer heraus, ob Gefahr von ihrem Altgebäude ausgeht? Der genaue Blick lohnt sich, denn Asbestprodukte sind nicht immer gleich gefährlich.
Auf die Details kommt es an: fest oder schwach gebundener Asbest
Asbest kann in fest oder schwach gebundener Form vorliegen – eine gesetzliche Sanierungsvorschrift gilt laut Bußgeldkatalog.org nur für schwach gebundenen Asbest. Dieser kommt etwa in alten Cushion-Vinyl-Bodenbelägen vor, hat mit mehr als 60 % eine höhere Asbestkonzentration und ist brüchiger – schon bei kleinen Erschütterungen gibt das Produkt Fasern ab.
Dachplatten und Fassaden enthalten fest gebundenen Asbest. Solange diese Materialien intakt sind, geht von ihnen keine akute Gefahr aus, denn sie sind besonders dicht verarbeitet. Bei mechanischen Arbeiten, wie Bohren oder Abbruch, können sich jedoch auch hier Fasern freisetzen. Sanierungsbedarf entsteht bei festem Asbest dann, wenn z.B. die Außenfassaden verwittern – oder eben die neue PV-Anlage aufs Dach soll.
Was würde für Sie für oder gegen die zeitnahe Sanierung sprechen?
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Sollte also ein Asbestverdacht vorliegen, weil das Gebäude aus der betroffenen Zeit entstammt, gilt als Erstes: Eine Probe nehmen und in ein Labor schicken. In der Regel sollten die Ergebnisse nach zehn Tagen da sein. Bernhard Beßmann von der Firma Cosawa aus Peine ist Experte für Schadstoffsanierung und weiß, was dabei zu beachten ist: „Brechen Sie an unterschiedlichen Stellen etwa Daumennagel große Stücke ab.“ Beßmann ergänzt: „Am besten feuchten Sie die Stellen vor der Probenahme gut durch und tragen entsprechende Schutzausrüstung.“ Alternativ nehmen geschulte Mitarbeiter eines Fachlabors die Proben vor.
Ist das Laborergebnis positiv auf Asbest, sollte eine Sanierungsfirma beauftragt werden. Eine Auflistung dieser gibt es z. B. unter www.gesamtverband-schadstoff.de . Alternativ bieten qualifizierte Dachdeckerunternehmen Arbeiten mit Asbestzement an. Vor Aufnahme der Arbeiten ist eine Anzeige an die Bezirksregierung bzw. das staatliche Gewerbeaufsichtsamt verpflichtend – spätestens sieben Tage vor Beginn der Sanierung.
Bundesrat nimmt Bauherren aus der Verantwortung
Der Bundesrat hat am 18.10.2024 eine Novellierung der Gefahrstoffverordnung verabschiedet. Danach ist nicht der Auftraggeber zur Probenahme verpflichtet, sondern die Baufirmen stehen nun in der Verantwortung, auf Asbest zu testen. Der Auftraggeber ist lediglich verpflichtet, alle Unterlagen herauszugeben, die auf den Stoff hinweisen könnten. Gerhard Citrich, Arbeitsschutzexperte der IG BAU, übt Kritik: „Wenn nicht nachweislich bekannt ist, ob Asbest im Produkt ist, sind die Beschäftigten potenziell einer großen Gefahr ausgesetzt.“ Eine sichere Gefährdungsbeurteilung sei so nicht möglich. Er appelliert deshalb an Landwirte Proben zu nehmen, um sich und andere zu schützen.
So schützen Sie sich und die Umwelt
Die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 519) geben den Umgang mit Asbest vor. Folgende Punkte gelten für jeglichen Umgang – egal ob Privatperson oder Fachunternehmen:
Schutzkleidung: Partikeldichte Schutzanzüge, mindestens FFP2-Masken und Handschuhe.
Staub- und bruchfrei arbeiten: Je nasser, desto besser. Staub sollte mit einem Industriestaubsauger der Kategorie H sofort entfernt werden.
Bei Dächern die Absturzsicherung gewährleisten: Asbestzementplatten sind nicht durchtrittsicher.
Dauern die Arbeiten länger als drei Tage, so ist auch bei fest gebundenen Asbestprodukten eine Dekontaminationsschleuse nötig.
Wenn die Platten abmontiert sind, folgt als nächster Schritt die fachgerechte Entsorgung. „Dafür packen wir die Platten in staubdichte und gekennzeichnete Big Bags, jeder davon fasst bis zu 15 Stück“, so Beßmann. Ein Unternehmen bringt diese anschließend zur Deponie. Transportunternehmen und Entsorger müssen zugelassen sein für gefährliche Abfälle.
Das sind die Kosten
Die Kosten für eine Probe belaufen sich auf rund 120 €. Für das Verpackungsmaterial berechnet die Deponie 20 €. Jede Tonne Asbestabfall kostet noch einmal 150 bis 350 € – eine Tonne entspricht rund 50 m2 Dachplatten. Weitere Kostenstellen sind der Gerüstbau, die Anfahrt, die Arbeitsstunden und die Not-Abdeckung. „In der Regel kostet das Abmontieren eines 4.000 m2 Daches insgesamt rund 40.000 €, inklusive Entsorgung“, sagt Beßmann. Staatliche Unterstützung, etwa entsprechend der Pkw-Abwrackprämie, gibt es aktuell nicht. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und die KfW-Bank fördern Dachsanierungen, wenn sie mit Maßnahmen zur Wärmedämmung kombiniert werden. Auch Programme zur Förderung erneuerbarer Energien können greifen, wenn die Sanierung als Basis für eine Photovoltaikanlage dient.
Wo Heimwerker anpacken dürfen – und wo nicht
Nun stellt sich die Frage: Was können Heimwerker überhaupt selbst tun, um anfallende Kosten zu sparen – und was sollten sie dem Fachmann oder der Fachfrau überlassen? Hier gibt es allein rechtlich bereits klare Grenzen: Jede Form von Arbeiten an Asbestprodukten ist verboten, wenn Sie dadurch Dritte gefährden könnten. Dazu kann es unter anderem kommen, wenn Sie asbesthaltige Stoffe dem herkömmlichen Bauschutt beimischen oder an den Produkten bohren, sägen, schleifen oder fräsen.
Arbeiten an fest gebundenem Asbest, also z. B. an Dachplatten, dürften Privatpersonen zwar grundsätzlich selbst erledigen. Sachkundige empfehlen jedoch dringend, diese Arbeiten abzugeben, da die nötige Ausrüstung fehlt. Genau wie Fachleute müssen sich Privatpersonen an die Regeln der TRGS 519 halten, um sich und ihre Umwelt zu schützen (siehe oben). Wichtig ist, dass zu keiner Zeit Fasern freigesetzt werden.
Im privaten Haushalt schlummert Asbest beispielsweise in Blumentöpfen, im Toaster oder in der Heizung. Beßmann weiß: „Wertstoffhöfe bieten in diesen Fällen geeignete Verpackungsmaterialien. Sicher verstaut, dürfen Sie die Produkte dann zur Deponie bringen.“ Er ergänzt: „Arbeiten Sie am besten im Freien, bei Windstille – und das Anfeuchten nicht vergessen.“