Seit März 2024 gilt ein gemeinsamer Erlass der Finanzverwaltungen aller Bundesländer zur steuerlichen Bewertung von Flächen, auf denen Wind- oder Photovoltaikanlagen errichtet sind.
Wesentlicher Inhalt: Die tatsächlich mit Wind- und PV-Anlagen bebauten Flächen gelten steuerlich als Grundvermögen und können im Erb- oder Schenkungsfall z. B. bei Hofübergaben zu einer deutlich höheren Steuerbelastung führen.
Wie sich das konkret auswirken kann, zeigen zwei Beispiele – jeweils für Windkraft- und Freiflächen-Photovoltaikanlagen, die Fachanwalt Mandus Fahje anlässlich des Agrarrecht-Symposiums der Kanzlei Geiersberger Glas & Partner Anfang März in Rostock erläutert hat.
So wird die Erbschaftsteuer berechnet
Nach dem Erlass wird die steuerliche Bemessungsgrundlage für im Außenbereich errichtete Anlagen im Regelfall wie folgt berechnet: das kapitalisierte jährliche Nutzungsentgelt für die Restlaufzeit des Vertrages plus der abgezinste Bodenrichtwert der Fläche.
Beispiel WEA
5.000 m², jährliches Nutzungsentgelt 150.000 €, Restlaufzeit 10 Jahre, Bodenrichtwert Ackerland 3€/m² (je nach Region deutlich höher)
kapitalisiertes Nutzungsentgelt: 150.000 € x 7,36 (Multiplikator für 10 Jahre) = 1.104.000 €
abgezinster Bodenwert: 5.000 m² x 3€/m² x 0,5854 = 8.781 €
Summe: 1.112.781 €
Erbschaftsteuer Steuerklasse I: 19% = 211.428 € (sonstiges Vermögen und Freibeträge sind nicht berücksichtigt; Kinder können bis zu 400.000 € erben, ohne Erbschaftsteuer zahlen zu müssen.)
Durch diese Neubewertung haben sich die Beträge für Windenergieflächen deutlich erhöht. Dies ist insbesondere für Bestandsanlagen problematisch, da in den bestehenden Verträgen aus der Vergangenheit hierzu keine Regelungen getroffen wurden, warnt Fachanwalt Fahje. Eine aktuelle Rechtsprechung der Finanzgerichte, die die Berechnung gemäß den Erlassen bestätigt oder die Kritik an der Methodik aus den Beraterkreisen aufgreift, liegt hierzu noch nicht vor.
Für Freiflächen-PV-Anlagen ist der Ansatz hingegen deutlich realistischer:
Beispiel Freiflächen-PV
10.000 m², jährliches Nutzungsentgelt 3.500 €/ha, Restlaufzeit 10 Jahre, Bodenrichtwert Ackerland 3€/m²
kapitalisiertes Nutzungsentgelt: 3.500 € x 7,36 = 25.760 €
abgezinster Bodenwert: 10.000 m² x 3€/m² x 0,5854 = 17.562 €
Summe: 43.322 € pro ha
Erbschaftsteuer Steuerklasse I: von 7% (bis 75.000 €) bis 30 % (über 26 Mio. €)
Agri-PV-Anlagen hingegen gelten als hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt. Sie gehören weiterhin zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen und sind erbschaftsteuerlich begünstigt. Zudem fällt wegen der landwirtschaftlichen Nutzung weiter Grundsteuer A statt B an.
Möglichkeiten der vertraglichen Gestaltung
Um die Steuerbelastung der Erben in Grenzen zu halten, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Der einfachste Schritt ist laut Fachanwalt Fahje die Gestaltung der Nutzungsverträge.
Um die Erbschaftsteuer nicht zu hoch anzusetzen, kann die Laufzeit der Verträge von beispielsweise 30 auf 20 Jahre verkürzt und gegebenenfalls eine Verlängerungsoption vereinbart werden. So wird die Erbschaftsteuer niedriger angesetzt als bei längerer Laufzeit.
Bei Pachteinnahmen aus der Windenergie kann das Nutzungsentgelt aufgeteilt werden in den Anteil für die bebaute Fläche, die zum Grundvermögen zählt und in den Anteil für die Abstands- und Rotorüberflugflächen, die zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören. Ob die Finanzverwaltung dies anerkennt, bleibt allerdings abzuwarten, meint Rechtsanwalt Fahje.
Möglichkeiten der finanziellen Kompensation
Zusätzlich zur Gestaltung des Vertrags gibt es verschiedene Ansätze, die potenzielle Steuerbelastung finanziell abzusichern:
Der Grundstückseigentümer kann mit dem Projektierer ein höheres Entgelt vereinbaren, um das Risiko der Erbschaftsteuer auszugleichen.
Die Erben des Grundstückseigentümers können eine Risikolebensversicherung für den Grundstückeigentümer abschließen und die Versicherungsprämie zahlt der Anlagenbetreiber.
Der Anlagenbetreiber übernimmt die anteilige Erbschaftsteuer. Dies setzt jedoch eine sehr detaillierte vertragliche Regelung voraus.
Auch eine abgezinste Einmalzahlung des Nutzungsentgelts ist möglich. Bei Inbetriebnahme der Anlage wird das Entgelt für die gesamte Laufzeit oder anteilig für x Jahre im Voraus ausgezahlt. Dies schafft Liquidität für die Steuerlast im Erbfall oder ermöglicht eine Reinvestition in begünstigtes Vermögen und reduziert gleichzeitig das Insolvenzrisiko des Betreibers für den Eigentümer.
Beteiligungsoption
Eine weitere Möglichkeit zur Minderung der Erbschaftsteuerlast ist die Beteiligung des Eigentümers an der Betreibergesellschaft. Dadurch entsteht begünstigtes Sonderbetriebsvermögen, das die gleichen Begünstigungen wie land- und forstwirtschaftliches Vermögen hat. Voraussetzung ist, dass es sich bei der Betreibergesellschaft um eine Personengesellschaft handelt – in der Regel eine GmbH & Co. KG. Der Grundstückseigentümer muss eine natürliche Person sein und tritt als Kommanditist auf. Allerdings kommt es hier auf den Zeitpunkt an und es fällt für die Gesellschaft, die die Anlage betreibt, eine höhere Gewerbesteuer an. Daher ist eine Beteiligung nicht für jeden Eigentümer geeignet.
Insgesamt kommt es immer auf den Einzelfall an. Wer Flächen mit Wind- oder PV-Anlagen vererbt, sollte frühzeitig mit Steuerberatern und Fachanwälten über eine geeignete Gestaltung sprechen.