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Kosten explodieren

Hessens Milchbauern scheuen teure Investitionen

Extreme Arbeitsbelastung, hohe Kosten, Bürokratie und Planungsunsicherheit vermiesen immer mehr Milchviehhaltern die Freude am Beruf. Besonders in Hessen hören viele dauerhaft auf.

Lesezeit: 4 Minuten

Vor zehn Jahren demonstrierten Milchbauern für einen Milchpreis von 40 Cent pro Liter. Damals lag er bei 30 ct. Dieses Jahr liegt er jenseits der 48 ct und erreicht in Norddeutschland sogar 56 ct, aber verlassen wollen sich die Bauern auf das derzeit einigermaßen auskömmliche Preisniveau nicht und scheuen Investitionen in neue Stall- und Melktechnik, erfuhr die Zeitung HNA. Sie hat bei verschiedenen Praktikern in Nordhessen nachgefragt, warum die Stimmung auf den Milchhöfen weiter schlecht ist.

Ohne zweites Standbein ginge es nicht

Die HNA sprach etwa mit Landwirt Martin Jütte aus Fuldatal-Simmershausen im Kreis Kassel. Der befürchtet, dass die Produktionskosten weiter steigen werden. Dazu kommt die Anhebung des Mindestlohns.

„In sechs Fuldataler Ortschaften haben wir nur noch zwei Milchviehbetriebe, in letzter Zeit haben wieder drei dichtgemacht“, sagt Jütte. Vor dem Hintergrund exorbitant hoher Baukosten traue sich kaum noch ein Betrieb, einen neuen Stall zu bauen. Die Rücklagen seien in den vergangenen eher mageren Jahren bei vielen aufgebraucht. Sich über mindestens zwei Jahrzehnte hoch zu verschulden, sei für die meisten ein zu großes wirtschaftliches Risiko, sagte er der HNA weiter. Der Halter von 70 Kühen hat nach eigener Aussage mit seiner Direktvermarktung und einem Hofcafè einen Weg gefunden, wirtschaftliche Risiken zu umgehen.

Biogasanlage auf dem Milchhof

Auch Milchviehhalter Elmar Möcklinghoff aus Hofgeismar kennt das. Er setzt parallel auf eine Biogasanlage mit Fernwärme als weiteres Standbein neben seinen Milchkuhherde. Um die steigenden Personal- und Energiekosten in den Griff zu bekommen, lässt Möcklinghoff seine Kühe automatisch füttern und per Roboter melken. Damit habe die wöchentliche Arbeitszeit um 18 Stunden verringert werden können. Die Automaten sparen zudem 77 Megawattstunden Strom und fast 8.000 Liter Diesel ein.

Auch gesunde Betriebe hören auf

Dass die Milchmenge tendenziell knapper werden wird vermutet Helmut Flörke aus Wolfhagen. Der Halter von 60 Milchkühen berichtet, dass die anderen Betriebe die Milchmengen von aufgebenden Berufskollegen noch durch eigene Aufstockung ausgleichen konnten. Nun sei eine Grenze erreicht und neu einsteigen in die Milchviehhaltung würde niemand mehr.

Auflagen, Bürokratie, unzählige Dokumentationspflichten, enorme Investitionskosten und der Mangel an guten Arbeitskräften führten dazu, dass „auch gesunde Betriebe aufhören“, so Flörke gegenüber der Zeitung.

„Wie überall in der Landwirtschaft „ist die allgemeine Stimmung unter den Kollegen mies“, sagt der Praktiker. Ein weiterer Grund für die Verknappung des Milchangebots in der Region sieht Flörke in der Blauzungenkrankheit, die in diesem Jahr grassierte. Durch die Virusinfektion hätten Kühe zu früh gekalbt und nicht lebensfähige Kälber zur Welt gebracht. „Wer Arbeitskräfte hat und einen abbezahlten Stall, dem geht‘s noch gut“, sagt der Wolfhager. Aber „starke Nerven“ gehörten in jedem Fall dazu.

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Kreis Kassel von heftiger Aufgabewelle betroffen

Schon im August hatte die HNA von einer Aufgabewelle bei den Milchviehbetrieben im Kreis Kassel berichtet. Gab es dort 2016 noch 1.573 Betriebe mit 75.900 Milchkühen, waren es zum 1. März 2023 nur noch 800 Höfe mit 61.300 Kühen – ein Minus von 49 % an Betrieben und Minus 19 % bei den Kühen.

Oder als weiteres Beispiel Melsungen: 2008 gab es noch 61 Milchviehhalter, heute sind es geschätzt circa 17, Tendenz fallend. Nicht viel besser sieht es in anderen Regionen aus.

Gründe sind die fehlende Wirtschaftlichkeit und zu wenig Erträge sowie die hohe Arbeitsbelastung, der fehlende Nachwuchs, kaum Zukunftsperspektiven und ein hoher bürokratischer Aufwand mit immer neuen Auflagen, heißt es.

„Die nächste Generation sieht keinen Nutzen darin, 365 Tage im Jahr bei fast 60 Stunden in der Woche sich um alles zu kümmern, wenn der finanzielle Ertrag kaum da ist“, sagten im Sommer Kerstin und Dirk Fehr, die beim BDM aktiv sind, der Zeitung. Das Geld fehle vielen Landwirten an allen Ecken und Enden: Ein Großteil der landwirtschaftlichen Maschinen müssen über Jahre finanziert werden. Auch neue Investitionen wären heutzutage sehr kostspielig. So kostet ein neuer Kuhplatz 25.000 €. Bei 100 Kühen sind das Kosten von rund 2,5 Mio. €.

Zudem machen den Betriebsleitern die zunehmenden bürokratischen Verordnungen Sorgen: „Keiner weiß, wie der Stall oder die Landwirtschaft der Zukunft aussehen soll“, sagt Dirk Fehr. „Ständig kommen immer neue Auflagen.“ Das seien zusätzliche, unkalkulierbare Risiken, mit denen Landwirte kaum planen könnten. Ein weiteres Problem ist für die Fehrs die fehlende Planungssicherheit bei ihrem Haupteinkommensmittel Milch.

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