Es ist unstrittig, dass sich die Landwirtschaft jetzt und in Zukunft an geänderte Rahmenbedingungen anpassen muss. Aber: Musste sich die Landwirtschaft nicht schon immer anpassen? Ist das nicht sogar die besondere Stärke dieser Branche?
Dass das funktioniert, zeigen gut ausgebildete Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, die regelmäßig neue Projekte in ihre Betriebe einbringen. Wie sich mutige und innovative Entscheidungen erfolgreich in effiziente Familienbetriebe etablieren lassen, zeigten vier Praktikerinnen und Praktiker beim LVM-Landwirtschaftstag am 19. November in Münster. Mit ihren Konzepten und Lösungsansätzen rund um den Klimaschutz haben sie nicht den einen Weg zum Klimaschutz eingeschlagen, sondern diesen in ein Delta gefächert und geben ihre Praxiserfahrungen an Berufskollegen weiter.
Benedikt Sprenker: “Bei uns finden Verbraucher Schweineschnitzel und Tofuwürfel”
Benedikt Sprenker aus Beckum in NRW, bewirtschaftet mit seiner Familie einen Betrieb mit Ackerbau, Schweinemast und eigener Direktvermarktung. Für regionale Kreisläufe und den Anbau heimischer Proteinquellen als Lebens- und Futtermittel baut er seit 2010 Sojabohnen an. Seit einigen Jahren setzt er auf den Anbau von Edamame, im grünen Zustand geerntete Gemüse-Sojabohnen und vermarktet diese im eigenen Hofladen, über einen Onlineshop und über den LEH.
Doch um neue Produkte zu vermarkten sei neben dem Freiraum zum Etablieren der neuen Betriebszweige auch das Netzwerken unabdingbar: “Da gehört auch mal das Scheitern und auch mal eine neue Idee mehr dazu.”
Ich finde es gut, wenn viele Betriebe viele Ideen nach vorne bringen und sich gegenseitig unterstützen.“
Für seinen Betrieb sah er den Schritt zum veganen Proteinquelle neben den Mastschweinen als Möglichkeit Trends und den Wandel an den Märkten zu bedienen. Er rät anderen Landwirten: “Wir sollten den Gegensatz zwischen Veganern und Fleischessern auflösen.” Im Hofladen von Familie Sprenker finden Verbraucher deswegen Lebensmittel für verschiedene Ernährungsweisen. „Wer bei uns einen Tofuwürfel kaufen will bekommt sie – wer ein Schweineschnitzel haben will, findet es bei uns auch.“
Beide Betriebszweige ergänzten sich gut. Für seine Berufskollegen hat der Landwirt motivierende Worte parat: „Ich finde es gut, wenn viele Betriebe viele Ideen nach vorne bringen und sich gegenseitig unterstützen.“
Anne Wieden: "Ich will mich nicht für die Produktion regionaler Lebensmittel rechtfertigen müssen"
Vor drei Jahren ist Landwirtin Anne Wieden in den elterlichen Milchviehbetrieb in Leverkusen eingestiegen und verantwortet dort die hofeigene Direktvermarktung. “Weil ich denke, dass es an der Zeit ist, etwas gegen den Klimawandel zu tun” und um Verbrauchern zu zeigen, dass Milchkuhhaltung kein Klimakiller ist, nimmt sie mit ihrem Betrieb, dem Imbacher Bauernhof, am Projekt „Klimacheck“ der Molkerei Arla teil. Anfeindungen aus der Gesellschaft nutzt sie nun, um zu kommunizieren und lädt unter anderem landwirtschaftsferne Gruppen auf ihren Hof ein, “denn da kann ich den Dialog fördern”.
Durch den Klimacheck erhoffe sich Wieden, dass die Klimabilanz der Höfe in Zukunft mehr und transparenter an die Verbraucher herangetragen werde. Sie bricht die aktuelle Problematik auf ein einfaches Beispiel herunter: „Wir produzieren ein Lebensmittel und müssen uns rechtfertigen, dass dabei CO2 entsteht.“ Es sei nicht zu rechtfertigen, dass parallel zu diesen Vorwürfen in einem Fußballstadion der Rasen beleuchtet und beheizt wird, sodass auch im Winter Fußball gespielt werden könne.
Wir produzieren ein Lebensmittel und müssen uns rechtfertigen, dass dabei CO2 entsteht.“
„Wir kämpfen um Legitimation, um am Markt teilnehmen zu können und in anderen Bereichen, wie dem Fußball oder bei Reisen, spielt das (die Klimabilanz) keine Rolle“, so Wieden. Für die Zukunft der Landwirtschaft wünsche sich die Junglandwirtin daher mehr Akzeptanz für ihre Arbeit, weniger Bürokratie – und vor allem eines: Planungssicherheit.
Jana Gäbert: "Konservierendes Wassermanagement wird immer wichtiger"
Für Ackerbäuerin Jana Gäbert, die 4.000 ha im südlichen Brandenburg bewirtschaftet und 950 Milchkühe samt Nachzucht betreut, ist der Klimawandel gelebte Realität: „Wir können uns quasi auf nichts einstellen. Wir haben Vorsommertrockenheit, Hitze, Kälte, zuletzt auch zu viel Niederschlag.“
Um mit den sandigen Böden, die das Wasser kaum halten, und trotz Temperaturschwankungen arbeiten zu können, habe der Betrieb schon unterschiedlichste Anbauverfahren ausprobiert, z. B. Untersaat und Strip-Til. Außerdem setze er auf eine breite Fruchtfolge und Kulturen, die besser an das Wetter angepasst sind, z. B. Kichererbsen.
Wir können uns quasi auf nichts einstellen."
Der Anbau von Raps jedoch funktioniere gar nicht mehr. Was Gäbert künftig als größte Herausforderung für ihren Betrieb betrachte? „Das Wassermanagement. Wir werden die Niederschläge aus dem Winter konservieren müssen.“
Jan Große-Kleimann: "Jeder muss seinen eigenen Weg finden"
Auf dem Familienbetrieb mit Schweinemast, Ackerbau und Agroforstsystem setzt Landwirt Jan Große-Kleimann aus dem Münsterland seine Version einer regenerativen Landwirtschaft um. Dabei versucht er die Bodenbearbeitung, wo möglich, zu reduzieren und setzt auf Direktsaat. „Das schafft natürlich neue Probleme, etwa Wühlmäuse. Es zeigt aber auch schnell seine Wirkung, z. B. in puncto Befahrbarkeit der Flächen und Anzahl der Regenwürmer“, erklärt Große-Kleimann.
In fünf Jahren würde ich gerne noch mehr Bäume gepflanzt haben und mehr Menschen auf den Hof holen, die Landwirtschaft beispielsweise über die Kultur erleben."
Auch ein Agroforstsystem mit Apfelbäumen rundet das Konzept ab. „In fünf Jahren würde ich gerne noch mehr Bäume gepflanzt haben und mehr Menschen auf den Hof holen, die Landwirtschaft beispielsweise über die Kultur erleben – etwa wenn sie zu einer Lesung auf unserem Hof am Agroforstsystem vorbeilaufen.“