Ob Flächen für die Wind- oder Solarnutzung oder auch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung: Ab dem 1.1.2025 ist für langfristige Pachtverträge nicht mehr die Schriftform erforderlich, sondern es reicht die Textform aus. Was heißt das?
Dr. Grabe: Die Schriftform erfordert zwei Originalunterschriften auf einer einheitlichen Vertragsurkunde mit den wesentlichen Vertragsbedingungen. Unterschriebene, eingescannte Dokumente, die per E-Mail ankommen, genügen dieser Anforderung nicht. Die Textform hingegen umfasst jede dauerhafte, lesbare Erklärung, solange die Identität der erklärenden Person erkennbar ist. Auch per E-Mail, SMS oder einem Messenger-Dienst lassen sich künftig wirksam langfristige Verträge abschließen.
Weshalb sieht das Bürokratieentlastungsgesetz nun die Textform vor?
Dr. Grabe: Die bisherige Schriftform hat sich bei Pachtverträgen zum juristischen Minenfeld entwickelt. Nicht selten nutzten Verpächter minimale Formfehler im Pachtvertrag oder Nachträgen, um sich aus unliebsamen langfristigen Pachtverträgen zu lösen, da ein Formverstoß zur Kündbarkeit führt. Mit der Textform ist ab 1.1.25 die Kündigung wegen solcher Formfehler nur noch eingeschränkt möglich.
Gibt es Übergangsvorschriften?
Dr. Garbe: Für vor dem 1.1.2025 abgeschlossene Verträge gibt es eine Übergangsfrist bis zum 1.1.2026. Bis dahin sind die „alten“ Verträge also noch wegen Schriftformmängeln kündbar. Danach sind Schriftformverstöße gewissermaßen kraft Gesetz geheilt.
Welche Risiken hat die neue Textform?
Dr. Grabe: Ein Vertrag mit jahrzehntelanger Laufzeit kann per E-Mail oder SMS ungewollt abgeschlossen werden. Denn ab 1.1.2025 ist nicht auszuschließen, dass z.B ein „Daumen-hoch“-Emoji als Antwort auf die Zusendung eines Vertragsangebotes nicht als ein reines „Dankeschön“, sondern als Vertragsannahme gilt. Neben dem ungewollten Vertragsabschluss besteht das Risiko, dass Sie Verträge mit ungewolltem oder unklarem Inhalt abschließen. Dazu kommt, dass sich vertragliche Abreden im Nachgang nicht mehr eindeutig sind, weil sie sich erst aus einer Interpretation der gesamten E-Mail-Abfolge ergeben.
Was kann man tun, um künftig wasserdichte Pachtverträge abzuschließen?
Dr. Grabe: Wichtig ist, dass Grundstückseigentümer und Pächter die neuen Regeln und Risiken kennen. Die Risiken der neuen Formvorschriften liegen nicht mehr in erster Linie beim Pächter liegen, sondern auch beim Grundstückseigentümer. Die Sicherstellung der Beweisbarkeit und die Eindeutigkeit der Kommunikation ist daher jetzt sehr wichtig.
Die neuen Regeln für Pachtverträge bringen neue Risiken für Verpächter!"
Wie kann man bei Vertragsabschluss vorgehen?
Dr. Grabe: Wichtige langfristige Vertragsabschlüsse sollten Sie auch weiterhin mit Ihrer Unterschrift absichern. Dazu können Sie vorab festlegen, das nicht die gesetzliche Textform gelten soll, sondern die vertraglich vereinbarte Schriftform. Es lässt sich bei diesem Vorgehen auch vereinbaren, dass z. B. eine eingescannte Unterschrift auf einem Dokument ausreicht, das dem Vertragspartner als E-Mail-Anhang zur Gegenzeichnung übersendet wird. Dies sollten Sie auch für alle Nachträge vereinbaren.
Alle Vereinbarungen und Nachträge sollten Sie dokumentieren und sicher speichern. Lassen Sie sich den Erhalt von Erklärungen stets bestätigen und heben Sie diese Bestätigungen auf.
Was sollte man noch vereinbaren?
Dr. Grabe: Ein wichtiger Punkt ist die eindeutige Kommunikation, damit letztendlich alle Beteiligten wissen, wozu sie zustimmen. Auch bei der Textform müssen Nachträge weiterhin eindeutig auf den Hauptvertrag und frühere Nachträge Bezug nehmen.
Für den Vertragsabschluss sind zwei übereinstimmende Willenserklärungen erforderlich. Annahmeerklärungen wie „ja, aber…“ können einem solchen Konsens entgegenstehen und ein neues Angebot darstellen oder zumindest Streit auslösen. Wesentliche Vertragsbestandteile sollten Sie daher stets abschließend zusammenfassen.
Wie kann man ungewollte Vertragsabschlüsse vermeiden?
Dr. Grabe: Um nicht aus Versehen zuzustimmen, ist bei den Verhandlungen stets ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass noch keine Einigung vorliegt. Bei einem Vertragsschluss ist künftig die Klausel zur Vollständigkeit der vertraglichen Regelungen und zum Ausschluss von Nebenabreden unerlässlich.