Die Obst- und Gemüse- sowie auch die Spargel- und Beerenanbauer blicken mit Sorge auf die aktuellen Koalitionsverhandlungen in Berlin. Hintergrund ist die geplante Erhöhung des Mindestlohns auf 15 € ab 2026, eine Forderung des Koalitionspartners SPD.
Sonderregelung dringend nötig
Claus Schliecker, Vorsitzender der Landesgruppe Obstbau Niedersachsen, und Thorsten Flick, Geschäftsführer des Netzwerkes der Spargel- und Beerenverbände, betonen die Dringlichkeit einer Sonderregelung für die Landwirtschaft. Die beiden Branchenvertreter sehen in der Erhöhung des Mindestlohns eine massive Bedrohung für die Wettbewerbsfähigkeit und Existenz vieler Betriebe, berichtet das Landvolk Niedersachsen.
„Um weiterhin heimisches Gemüse und Obst zu erzeugen, muss es für kurzfristig Beschäftigte in Landwirtschaft und Gartenbau eine Sonderregelung geben“, fordern sie. Der größte Kostenfaktor in der arbeitsintensiven Obst- und Gemüseproduktion seien die Lohnkosten, die bis zu 60 € der Betriebsausgaben ausmachen.
30 % der Spargelbetriebe haben schon aufgegeben
„Wir sind mit großen Erwartungen in den Bundestagswahlkampf gegangen und haben mit diversen Schreiben unsere Belange für den notwendigen Politikwechsel an verantwortliche Bundestagsabgeordnete und Politiker gerichtet“, erklären Schliecker und Flick gegenüber dem Landvolk-Pressedienst.
Seit Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 mussten bereits fast 30 % der Spargelbetriebe aufgeben, die Erntemenge von Erdbeeren ist um 30 Prozent zurückgegangen. Eine erneute Anhebung könnte diese Entwicklung weiter verschärfen.
Ausnahme für ungelernte Arbeiter bzw. Hilfsarbeiten
„Wir sind nicht gegen einen Mindestlohn für Festangestellte, sondern brauchen diese Ausnahme für die Erntearbeiten, um ansatzweise konkurrenzfähig zu bleiben“, verdeutlichen Flick und Schliecker, dass es nicht um das Lohnniveau an sich gehe, sondern die Ausnahme beim Mindestlohn solle für Arbeiten, die keine Ausbildung erfordern, die eine Hinzuverdienstmöglichkeit suchen oder als Saisonarbeitskräfte tätig sind, geschaffen werden.
In Deutschland beträgt der aktuelle Mindestlohn 12,82 €, während er in Rumänien bei 4,87 €, in der Türkei bei 3,75 € und in Bulgarien bei 3,32 € liegt. „Wir spüren deutlich den enormen Wettbewerbsdruck durch europäische und außereuropäische Produzenten“, erklärt Flick. Besonders betroffen sei der Himbeeranbau, der nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei, während die Ware nun verstärkt aus Ägypten und Spanien komme.
Sonst wird´s teuer im Laden
Der versprochene Politikwechsel müsse jetzt stattfinden, kritisiert Claus Schliecker. „Es reicht nicht, die Politiker auszutauschen, sondern die Politik muss sich ändern!“, fordert er. Die Rücknahme des Agrardiesels sei nicht ausreichend, um Sonderkulturbetriebe zu entlasten.
Die steigenden Lohnkosten würden Produkte verteuern und heimische Betriebe weiter unter Druck setzen. Neben den wirtschaftlichen Konsequenzen für die Betriebe sieht Schliecker auch Nachteile für Verbraucher und Umwelt.
Die Verlagerung der Produktion ins Ausland bringe Probleme wie unkontrollierten Pflanzenschutzmitteleinsatz, längere Transportwege und fragwürdige soziale Arbeitsstandards mit sich. „Wir produzieren gesunde Lebensmittel für eine ausgewogene Ernährung und leisten einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit. Jeder Verbraucher soll sich deutsches Obst und Gemüse leisten können“, betonen Schliecker und Flick.