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topplus Tipps von der Ausbildertagung

Öffentlichkeitsarbeit in der Landwirtschaft: „Das geht besser“

Wütende Schilder, aber zu wenig Dialog mit der Gesellschaft – Julia Nissen, bekannt als „Deichdeern“ teilt, was Landwirte in ihrer öffentlichen Kommunikation verbessern können.

Lesezeit: 4 Minuten

Jeder in der Landwirtschaft trägt Verantwortung für den Berufsstand – Ausbilder und Ausbilderinnen jedoch in besonderem Maße. Sie prägen nicht nur die beruflichen Fähigkeiten ihrer Azubis, sondern auch deren Haltung zur Landwirtschaft, zu gesellschaftlichen und politischen Themen. „Die Azubis lernen von ihrem Ausbilder den Schnack der Branche vom ersten Tag an“, so Markus Reher, Leiter des Bereichs Berufsbildung der Landwirtschaftskammer NRW. Reher eröffnete als erster Redner die gestrige Ausbildertagung 2024 auf dem Gut Havichhorst in Münster.

Ausbildertagung 2024

Unter dem Motto „Brücken bauen – Öffentlichkeitsarbeit in der Ausbildung“ luden der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband (WLV), der Ring der Landjugend in Westfalen-Lippe, die Landwirtschaftskammer NRW und die Westfälisch-Lippische Landjugend am 6. November zur jährlichen Ausbildertagung ein. Die Veranstaltung, moderiert von top agrar-Redakteurin Stefanie Awater-Esper, fokussierte sich auf die Bedeutung der Kommunikation in der Landwirtschaft.

„Deichdeern“ Julia Nissen plädiert für Öffentlichkeitsarbeit außerhalb der Filterblase

Zu Gast auf der Tagung war die Gründerin Julia Nissen, besser bekannt als „Deichdeern“. Die Nordfriesländerin wurde durch den gleichnamigen Blog bekannt und gründete 2021 die Agrarkommunikationsagentur Klönstedt. Dort unterstützt sie Landwirte bei ihrer öffentlichen Wahrnehmung. Ihr Fokus liegt verstärkt auf Imagearbeit und Verbrauchern als Zielgruppe.  „Wenn ich nur Agrarcontent und viel Blech poste, erreiche ich auch nur Landwirte. Nutzt die Chancen, aus der Filterblase auszubrechen“, appellierte sie.

Um die Bevölkerung über den Berufsstand aufzuklären, sollten die Inhalte also nicht zu fachlich werden. Vielmehr empfiehlt Nissen etwas, das sie den „Sendung mit der Maus-Effekt“ nennt: „Erklärt die Inhalte so, dass auch ein Achtjähriger sie versteht“, so Nissen.

Bauernproteste: „Daraus hätte man mehr machen können.“

Rund um den Jahreswechsel 2023/2024 sorgten die Bauernproteste für Schlagzeilen. Mit Traktoren, Mahnfeuern und Demonstrationen machten Landwirte ihren Unmut über die Agrarpolitik der jüngst zerbrochenen Ampelkoalition Luft.

Rückblickend lobte Julia Nissen den Aktionismus und die Sichtbarkeit, die die Treckerdemos im vergangenen Winter brachten. Doch sie übte auch Kritik: „Zu viele haben sich hinter ihren wütenden Schildern versteckt. Das geht besser.“ Ihrer Meinung nach fehlte es an klarer, verständlicher Kommunikation mit der Bevölkerung. Statt sich nur auf politische Forderungen zu konzentrieren, hätten die Demonstrierenden persönliche Geschichten teilen können, die die Hintergründe der Proteste am eigenen Betrieb erklärten. „In seiner Kabine ist man nicht mehr auf Augenhöhe mit der Bevölkerung“, so Nissen.

Sie sieht darin eine Aufgabe für die landwirtschaftliche Ausbildung: „Wir sind leider keine Kommunikationsexperten. Hier muss die Ausbildung ansetzen.“ Als Lösung schlägt sie überbetriebliche Seminare vor, die Öffentlichkeitsarbeit und Rhetorik in den Fokus stellen, um Landwirte besser auf solche Situationen vorzubereiten.

Praxistipps von Landwirten und Beratern

Weitere Anstöße aus Nissens Ideenrucksack, um das Image der Landwirtschaft zu stärken:

  • Ein monatlicher Brief oder Newsletter an die Anwohner, der erklärt, was auf dem Betrieb aktuell ansteht, warum beispielsweise die Straße verschmutzt wird oder warum nachts gearbeitet wird.

  • Auf die Presse zugehen und Einblicke in den Betrieb ermöglichen. In dem Zuge einen Betriebsspiegel vorbereiten – das wirkt professioneller.

  • Die Trecker- oder Hoftür öffnen und Menschen einladen. Das kann die Mitfahrt auf dem Rübenroder sein, eine kleine Weihnachtsfeier oder eine Hoftour für Kinder.

Nach dem Impulsvortrag von Julia Nissen erarbeiteten Ausbilder und Berater gemeinsam weitere Best-Practice-Tipps für eine gelungene Öffentlichkeitsarbeit.

  1. Eine Person im Betrieb für den Social Media-Auftritt benennen.

  2. Eine gemeinsame WhatsApp Gruppe erstellen. Dort teilt das Hofteam Fotos und Videos, die die zuständige Person über die Kanäle verbreitet.

  3. Kritische Inhalte bzw. Fettnäpfchen identifizieren – man sollte nicht alles posten.

  4. Neue Ideen lassen sich mithilfe von KI-Werkzeugen wie Chat GPT generieren.

  5. Öffentlichkeitsarbeit in die Ausbildung integrieren. Ein Ausbilder erzählt: „Der Azubi bekommt gezielt Aufgaben im Bereich Social Media: Er soll z. B. drei kurze Videosequenzen aus seinem Alltag mitbringen.“

  6. Die „reale“ Öffentlichkeitsarbeit wie Hoffeste, Flyer, Zeitungsartikel und ehrenamtliches Engagement sollten zwischen Instagram und Co. nicht untergehen.

  7. Erst einmal anfangen: „Kostet ja nichts und bringt am Ende viel“, fasst ein Ausbilder zusammen.

Die Ausbilder waren sich am Ende einig: Ihre Azubis bringen als Digital Natives neue Fähigkeiten und Perspektiven ein. Dennoch sollte die Verantwortung für den Internetauftritt nicht allein bei den Azubis liegen. „Wir klären direkt im Erstgespräch: Keine Bilder verlassen den Hof“, berichtete ein Teilnehmer. Besonders bei sensiblen Themen wie Tierhaltung sei Vorsicht geboten.

Ein anderer Ausbilder betonte, wie wichtig es sei, den Azubis Respekt und Offenheit im Umgang mit den Anwohnern und Verbrauchern zu vermitteln: „Der kritische Verbraucher hat berechtigte Fragen. Die gilt es mit Ruhe und Respekt zu beantworten.“

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