Herr Ruffer, statt 9,0 % gilt seit dem 6. Dezember 2024 der neue Pauschalierungssatz von 8,4 %. Am 1. Januar 2025 sinkt er dann auf 7,8 %. Was passiert, wenn Landwirte einen falschen Pauschalierungssatz in Rechnung stellen?
Ruffer: In den meisten Fällen erfolgt die Abrechnung über das Gutschriftverfahren, etwa mit Genossenschaften, Molkereien oder Schlachthöfen. In diesen Fällen sind die Abnehmer verpflichtet, den Satz anzupassen. Erhalten Sie als Landwirt eine Gutschrift mit dem falschen Wert, sollten Sie dieser widersprechen und eine Korrektur verlangen.
Tag der Lieferung entscheidend
Was ist für den Mehrwertsteuersatz entscheidend: der Tag der Lieferung, der Tag, an dem ich die Rechnung stelle oder der Zeitpunkt, zu dem mein Käufer die Rechnung begleicht?
Ruffer: Entscheidend ist der Steuersatz, der am Tag der Lieferung galt. Das Rechnungsdatum oder wann das Geld fließt, spielen keine Rolle.
Was ist zu tun, wenn ich selbst eine Rechnung ausstelle und nicht im Gutschriftverfahren abrechne?
Ruffer: Dann kommt es ebenfalls auf den Tag der Lieferung an. Beispiel: Sie verkaufen vor dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes Stroh an einen Nachbarn. Dann rechnen Sie 9 % ab und dürfen diese behalten.
Haben Sie das Stroh nach dem Inkrafttreten des Gesetzes mit 9 % verkauft, sollten Sie hingegen die Rechnung korrigieren. Am besten belassen Sie es in diesem Fall bei dem Bruttobetrag und ändern lediglich den Mehrwertsteuersatz. Dann müssen Sie Ihrem Abnehmer nicht die zu viel erhaltene Umsatzsteuer zurückzahlen. Beispiel: Sie verkaufen Stroh für 100 € inkl. 9 MwSt. Dann bleibt es in der korrigierten Version bei einem Bruttobetrag von 100 €, nur statt 9 % notieren Sie 8,4 % MwSt und passen die Nettosumme entsprechend an.
Ist Ihr Käufer Pauschalierer, dürfte diese Form der Korrektur kein Problem sein. Optiert Ihr Käufer, kann er sich weniger Vorsteuer erstatten lassen. Ist Ihr Käufer damit nicht einverstanden, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als den Nettobetrag zu reduzieren, damit Ihr Käufer nicht draufzahlt. Bis auf Winzer bzw. Verkäufer von alkoholischen Getränken, die 19 % Mehrwertsteuer in Rechnung stellen müssen, hält sich der Schaden aber in Grenzen.
Am besten korrigieren
Was ist bei Korrekturen grundsätzlich zu beachten?
Ruffer: Nur der Leistungserbringer darf Rechnungen korrigieren, und das innerhalb von drei Jahren, d.h. innerhalb der zivilrechtlichen Verjährungsfristen. Auf der neuen Rechnung sollte „Korrektur-Rechnung“ vermerkt sein, mit Bezug auf die Originalrechnung. Die Korrektur muss in der gleichen Form wie das Original erfolgen. Bei einer elektronischen Rechnung müssen Sie die korrigierte Version somit ebenfalls elektronisch erstellen. Eine Papierrechnung muss im Papierformat korrigiert werden usw.
Was passiert, wenn Rechnungen nicht korrigiert werden?
Ruffer: Sie als Empfänger des Rechnungsbetrages schulden dem Finanzamt die zu viel erhaltene Mehrwertsteuer. Daher sollten Sie auf jeden Fall eine Rechnung korrigieren.
Welche Besonderheiten gelten bei Geschäften mit Verbrauchern?
Ruffer: Landwirte rechnen hier in der Regel auf Bruttobasis ab und müssen die Mehrwertsteuer auf der Quittung nicht angeben. Wenn Sie hingegen ein Kassensystem nutzen, müssen Sie deren Programm an den neuen Pauschalierungssatz anpassen.
Pauschalierung per Verordnung
Künftig wird der Pauschalierungssatz automatisch per Verordnung festgelegt. Was bedeutet das?
Ruffer: Bislang haben Bundestag und Bundesrat über den Pauschalierungssatz abgestimmt. Künftig wird die Bundesregierung den Satz automatisch berechnen lassen und in einer Verordnung mit Zustimmung des Bundesrates festlegen. Dieses Verfahren ist nicht ungewöhnlich. Das Problem ist allerdings, die Berechnungsmethode bzw. die Datengrundlage für die Kalkulation, denn bislang hat die Regierung die Werte aus der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung übernommen. Diese unterscheidet aber nicht nach regelbesteuerten oder pauschalbesteuerten Umsätzen. Die Berechnung spiegelt daher nicht die Wirklichkeit für die pauschalierenden Landwirte wider. Das muss die Regierung ändern.
Hinweis: Wir haben das Interview aktualisiert, da mittlerweile der Satz von 8,4 % gilt (9.12.2024).