Der Obst- und Gemüseanbau in Deutschland ist seit zehn Jahren rückläufig. Das betrifft vor allem besonders arbeitsintensive Kulturen wie Erdbeeren und Spargel. „Seit 2015 sind die Erdbeeranbauflächen um 30 % zurückgegangen, bei Spargel ist die Fläche für Junganlagen um 40 % eingebrochen“, berichtet Simon Schumacher, Geschäftsführer des Verbandes Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer. Viele Betriebsleiter hören auf, weil sich die Produktion wegen der steigenden Kosten nicht mehr rechnet, so Schumacher. Höhere Preise bei den Abnehmern seien nicht durchsetzbar, weil ausländische Ware viel günstiger angeboten werde.
„Schon mit 12,82 € pro Stunde nicht mehr wettbewerbsfähig“
Das Hauptproblem sind die hohen Lohnkosten, die je nach Kulturart 40 bis 60 % der Produktionskosten ausmachen. „Wir sind mit dem derzeitigen Mindestlohn von 12,82 € kaum mehr wettbewerbsfähig“, sagt Schumacher. Bei einem Anstieg auf 15 € würden viele Betriebe arbeitsintensive Kulturen weglassen, ein Teil müsste ganz aufhören.
„Spanien und Polen sind bei 7 bis 8 € pro Stunde“
Nicole Spieß, Geschäftsführerin des Gesamtverbandes der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA), bestätigt das: „Wir haben in den letzten Jahren schon viele Sonderkulturbetriebe und auch Produktion von Obst und Gemüse verloren." So seien beispielsweise seit 2021 die Anbauflächen beim Baumobst um knapp 10%, beim Beerenobst und beim Spargel um über 13% zurückgegangen.
"Bei einer weiteren Erhöhung des Mindestlohnes wird sich diese Entwicklung verstärken und besonders arbeitsintensive Kulturen werden aus dem deutschen Anbau verschwinden", befürchtet die GLFA-Geschäftsführerin.
"Auch wenn in anderen Staaten, wie Spanien oder Polen die dort geltenden Mindestlöhne zuletzt stark gestiegen sind, liegen sie doch noch deutlich unter dem in Deutschland zur Zeit geltenden Mindestlohn von 12, 82 €", gibt Spieß zu bedenken. "Bei einem Stundenlohn von 7 bis 8 € in Polen und Spanien, oder weniger als 5 € in Rumänien können Landwirte dort viel günstiger erzeugen."
Kleine Betriebe besonders betroffen
Besonders bitter dabei: Austeigen werden in Deutschland vor allem kleine Betriebe, die von der Politik eigentlich gewollt sind. Denn Investitionen in die extrem teure Robotik, die Arbeitskräfte in Sonderkulturen zum Teil ersetzen könnte, können sich diese Betriebe nicht leisten.
„Abnehmer wollen Produktpreise senken“
Für Markus Läpple, der in Ilsfeld im Landkreis Heilbronn unter anderem Kohl, Zucchini, Radicchio, Kürbisse und Wein anbaut und in der Spitze bis zu 15 Saisonarbeitskräfte sozialversicherungspflichtig beschäftigt, werden die Margen immer enger. „Den steigenden Mindestlohn können wir nicht mehr in Form höherer Preise weitergeben“, erklärt Läpple. Bei den diesjährigen Preisverhandlungen hätte ihm ein Abnehmer aus der Industrie, an den er einen Teil seiner Kulturen vermarktet, deutlich zu verstehen gegeben, dass die Preise sinken müssten. Ansonsten würde er vom LEH ausgelistet. Auch Berufskollegen, die über den Wochenmarkt verkaufen, stellten fest, dass die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher nachlasse.
„Nur Betriebsleiter noch unter Mindestlohn“
„Wir Sonderkulturbetriebe können das nicht mehr wegstecken“, so Läpple. „Die Einzigen, die für weniger als den Mindestlohn arbeiten, sind der Betriebsleiter und seine Familie. Reagieren könne er nur, indem er besonders arbeitsintensive Kulturen nicht mehr anbaue. Etliche Betriebe müssten sogar komplett aufhören.
Biosonderkulturen: 70 bis 80 % der Produktionskosten sind Löhne
Andreas Frank, der im nordwürttemberischen Weinsberg Biogemüse und -obst anbaut, würde die Erhöhung des Mindestlohnes noch härter treffen. Weil der ökologische Anbau von Sonderkulturen noch mehr Handarbeit erfordert, machen die Lohnkosten in seinem Betrieb 70 bis 80 % der Produktionskosten aus. In der Spitze hat er 25 Saisonkräfte sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Er bezweifelt stark, dass er die Mehrkosten von rund 20 % bei seinen Abnehmern im Biofachhandel und LEH durchsetzen kann. „Wenn wir 10 % Preiserhöhung schaffen könnten, wäre das schon viel“, sagt Frank. Die Folge werde sein, dass er arbeitsintensive Kulturen wie Erdbeeren, Äpfel und Birnen stark reduzieren muss. Zudem werde der Druck auf die Mitarbeiter steigen, mehr Leistung zu bringen.
„Wir werden die Produktion einschränken“
Spargel- und Erdbeeranbauer Hinrich Niemann aus Eimke im Landkreis Uelzen sieht durch die angedachte Erhöhung des Mindestlohnes massive Probleme auf sich zukommen. „Wir hatten in den letzten zehn Jahren schon enorme Lohnsteigerungen und konnten diese durch Rationalisierungen und Preiserhöhungen noch halbwegs kompensieren, aber jetzt seien beide Schrauben am Anschlag“, sagt Niemann, der 20 Saisonarbeitskräfte beschäftigt. So sei im letzten Jahr der Umsatz in der Direktvermarktung bereits um 10 % gesunken. Die Folge werde sein, dass die Produktion noch mehr ins Ausland wandere. Komme es zum Lohnanstieg auf 15 €, werde er die Produktion einschränken und weniger Personal anstellen.
Niemann kann nicht verstehen, warum sich die Politik in die Tarifautonomie einmischt. „Wir haben doch eine Mindestlohnkommission, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzt ist und miteinander den Wert jährlich neu festlegt. Warum braucht es da noch politische Vorgaben?“, fragt sich der Landwirt.
„Die Politik setzt uns das vor nach dem Motto friss oder stirb!“
Diese Frage stellt sich auch Maximilian Schäfer, der bei Ahrweiler Erdbeeren in Folienhäusern anbaut. „Das wird uns jetzt so vorgesetzt, nach dem Motto „friss oder stirb“, sagt der Landwirte, der das Jahr über 70 Mitarbeiter beschäftigt. Er verweist auch darauf, dass der Mindestlohn alle Bereiche betrifft und insgesamt das Lohnniveau steigern wird. Für seinen Betriebe sieht er gravierende wirtschaftliche Folgen, weil er die steigenden Kosten nur zu einem geringen Teil an seinen Abnehmer, den Großhandel, weitergeben kann. „Das geht alles zu Lasten unserer Rentabilität und Liquidität“, sagt Schäfer.
Anbauer fordern branchenspezifische Lösung
Angesichts der Pläne der neuen Bundesregierung sitzt der Frust bei den Sonderkulturanbauern tief. Sie und ihre Verbände fordern deshalb von der neuen Regierungskoalition, beim Mindestlohn eine branchenspezifische Lösung zu finden. Die Landwirtschaft müsse von der Erhöhung ausgenommen werden und sollte erst bei Überschreitung von 16 € 20% unter dem Mindestlohn liegen. Wenn keine Lösung gefunden werde, wäre das ein Versagen der Politik.
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Der Obst- und Gemüseanbau in Deutschland ist seit zehn Jahren rückläufig. Das betrifft vor allem besonders arbeitsintensive Kulturen wie Erdbeeren und Spargel. „Seit 2015 sind die Erdbeeranbauflächen um 30 % zurückgegangen, bei Spargel ist die Fläche für Junganlagen um 40 % eingebrochen“, berichtet Simon Schumacher, Geschäftsführer des Verbandes Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer. Viele Betriebsleiter hören auf, weil sich die Produktion wegen der steigenden Kosten nicht mehr rechnet, so Schumacher. Höhere Preise bei den Abnehmern seien nicht durchsetzbar, weil ausländische Ware viel günstiger angeboten werde.
„Schon mit 12,82 € pro Stunde nicht mehr wettbewerbsfähig“
Das Hauptproblem sind die hohen Lohnkosten, die je nach Kulturart 40 bis 60 % der Produktionskosten ausmachen. „Wir sind mit dem derzeitigen Mindestlohn von 12,82 € kaum mehr wettbewerbsfähig“, sagt Schumacher. Bei einem Anstieg auf 15 € würden viele Betriebe arbeitsintensive Kulturen weglassen, ein Teil müsste ganz aufhören.
„Spanien und Polen sind bei 7 bis 8 € pro Stunde“
Nicole Spieß, Geschäftsführerin des Gesamtverbandes der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA), bestätigt das: „Wir haben in den letzten Jahren schon viele Sonderkulturbetriebe und auch Produktion von Obst und Gemüse verloren." So seien beispielsweise seit 2021 die Anbauflächen beim Baumobst um knapp 10%, beim Beerenobst und beim Spargel um über 13% zurückgegangen.
"Bei einer weiteren Erhöhung des Mindestlohnes wird sich diese Entwicklung verstärken und besonders arbeitsintensive Kulturen werden aus dem deutschen Anbau verschwinden", befürchtet die GLFA-Geschäftsführerin.
"Auch wenn in anderen Staaten, wie Spanien oder Polen die dort geltenden Mindestlöhne zuletzt stark gestiegen sind, liegen sie doch noch deutlich unter dem in Deutschland zur Zeit geltenden Mindestlohn von 12, 82 €", gibt Spieß zu bedenken. "Bei einem Stundenlohn von 7 bis 8 € in Polen und Spanien, oder weniger als 5 € in Rumänien können Landwirte dort viel günstiger erzeugen."
Kleine Betriebe besonders betroffen
Besonders bitter dabei: Austeigen werden in Deutschland vor allem kleine Betriebe, die von der Politik eigentlich gewollt sind. Denn Investitionen in die extrem teure Robotik, die Arbeitskräfte in Sonderkulturen zum Teil ersetzen könnte, können sich diese Betriebe nicht leisten.
„Abnehmer wollen Produktpreise senken“
Für Markus Läpple, der in Ilsfeld im Landkreis Heilbronn unter anderem Kohl, Zucchini, Radicchio, Kürbisse und Wein anbaut und in der Spitze bis zu 15 Saisonarbeitskräfte sozialversicherungspflichtig beschäftigt, werden die Margen immer enger. „Den steigenden Mindestlohn können wir nicht mehr in Form höherer Preise weitergeben“, erklärt Läpple. Bei den diesjährigen Preisverhandlungen hätte ihm ein Abnehmer aus der Industrie, an den er einen Teil seiner Kulturen vermarktet, deutlich zu verstehen gegeben, dass die Preise sinken müssten. Ansonsten würde er vom LEH ausgelistet. Auch Berufskollegen, die über den Wochenmarkt verkaufen, stellten fest, dass die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher nachlasse.
„Nur Betriebsleiter noch unter Mindestlohn“
„Wir Sonderkulturbetriebe können das nicht mehr wegstecken“, so Läpple. „Die Einzigen, die für weniger als den Mindestlohn arbeiten, sind der Betriebsleiter und seine Familie. Reagieren könne er nur, indem er besonders arbeitsintensive Kulturen nicht mehr anbaue. Etliche Betriebe müssten sogar komplett aufhören.
Biosonderkulturen: 70 bis 80 % der Produktionskosten sind Löhne
Andreas Frank, der im nordwürttemberischen Weinsberg Biogemüse und -obst anbaut, würde die Erhöhung des Mindestlohnes noch härter treffen. Weil der ökologische Anbau von Sonderkulturen noch mehr Handarbeit erfordert, machen die Lohnkosten in seinem Betrieb 70 bis 80 % der Produktionskosten aus. In der Spitze hat er 25 Saisonkräfte sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Er bezweifelt stark, dass er die Mehrkosten von rund 20 % bei seinen Abnehmern im Biofachhandel und LEH durchsetzen kann. „Wenn wir 10 % Preiserhöhung schaffen könnten, wäre das schon viel“, sagt Frank. Die Folge werde sein, dass er arbeitsintensive Kulturen wie Erdbeeren, Äpfel und Birnen stark reduzieren muss. Zudem werde der Druck auf die Mitarbeiter steigen, mehr Leistung zu bringen.
„Wir werden die Produktion einschränken“
Spargel- und Erdbeeranbauer Hinrich Niemann aus Eimke im Landkreis Uelzen sieht durch die angedachte Erhöhung des Mindestlohnes massive Probleme auf sich zukommen. „Wir hatten in den letzten zehn Jahren schon enorme Lohnsteigerungen und konnten diese durch Rationalisierungen und Preiserhöhungen noch halbwegs kompensieren, aber jetzt seien beide Schrauben am Anschlag“, sagt Niemann, der 20 Saisonarbeitskräfte beschäftigt. So sei im letzten Jahr der Umsatz in der Direktvermarktung bereits um 10 % gesunken. Die Folge werde sein, dass die Produktion noch mehr ins Ausland wandere. Komme es zum Lohnanstieg auf 15 €, werde er die Produktion einschränken und weniger Personal anstellen.
Niemann kann nicht verstehen, warum sich die Politik in die Tarifautonomie einmischt. „Wir haben doch eine Mindestlohnkommission, die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzt ist und miteinander den Wert jährlich neu festlegt. Warum braucht es da noch politische Vorgaben?“, fragt sich der Landwirt.
„Die Politik setzt uns das vor nach dem Motto friss oder stirb!“
Diese Frage stellt sich auch Maximilian Schäfer, der bei Ahrweiler Erdbeeren in Folienhäusern anbaut. „Das wird uns jetzt so vorgesetzt, nach dem Motto „friss oder stirb“, sagt der Landwirte, der das Jahr über 70 Mitarbeiter beschäftigt. Er verweist auch darauf, dass der Mindestlohn alle Bereiche betrifft und insgesamt das Lohnniveau steigern wird. Für seinen Betriebe sieht er gravierende wirtschaftliche Folgen, weil er die steigenden Kosten nur zu einem geringen Teil an seinen Abnehmer, den Großhandel, weitergeben kann. „Das geht alles zu Lasten unserer Rentabilität und Liquidität“, sagt Schäfer.
Anbauer fordern branchenspezifische Lösung
Angesichts der Pläne der neuen Bundesregierung sitzt der Frust bei den Sonderkulturanbauern tief. Sie und ihre Verbände fordern deshalb von der neuen Regierungskoalition, beim Mindestlohn eine branchenspezifische Lösung zu finden. Die Landwirtschaft müsse von der Erhöhung ausgenommen werden und sollte erst bei Überschreitung von 16 € 20% unter dem Mindestlohn liegen. Wenn keine Lösung gefunden werde, wäre das ein Versagen der Politik.