Obwohl die SPD bei der Bundestagswahl einer der großen Wahlverlierer war, kann sie sich bisher in den Koalitionsverhandlungen glänzend behaupten. Viele der sozialdemokratischen Forderungen können anscheinend durchgesetzt werden, während die Union bei eigenen Themen schon zurückgesteckt hat. Beim Mindestlohn ist das letzte Wort in den Arbeitsgruppen Agrar sowie Arbeit und Soziales noch nicht gesprochen, Agrar- und Gartenbauverbände befürchten allerdings, dass auch hier am Ende das SPD-Ziel von 15 €/h stehen könnte – mit drastischen Folgen für die deutschen Branchenbetriebe.
Rentabilität der Betriebe schon gesunken
Branchenorganisationen wie der Deutsche Bauernverband (DBV), der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) und der Zentralverband Gartenbau (ZVG) haben deshalb an die Mitglieder der beiden Arbeitsgruppen geschrieben und die Konsequenzen einer weiteren Anhebung des Mindestlohns für die im internationalen Wettbewerb stehenden deutschen Agrar- und Gartenbaubetriebe deutlich gemacht.
Der langjährige Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern und SPD-Urgestein Dr. Till Backhaus gehört der Arbeitsgruppe Agrar an und hat deshalb ein gewichtiges Wörtchen beim Thema Mindestlohn mitzureden. Ihn und die anderen Verhandler machen die Verbände in einem Brief darauf aufmerksam, dass der rasante Anstieg des Mindestlohns die Rentabilität von arbeitsintensiven Betrieben in den vergangenen Jahren schon erheblich reduziert haben. Im Obst-, Gemüse und Weinbau mache der Lohnkostenanteil bereits 60 % der gesamten Lohnkosten aus. Zudem müssten diese Betriebe mit Wettbewerbern im EU-Ausland klarkommen, die zu deutlich niedrigeren Stundenlöhnen produzieren können.
Deutsche Anbaufläche längst im Rückwärtsgang
Die deutschen Agrarunternehmen können diese höheren Kosten nicht in voller Höhe an Handel oder Verbraucher weiterreichen. Die Folge: In den vergangenen fünf Jahren ist die deutsche Anbaufläche bei Beerenobst um knapp 14 %, bei Baumobst um ein Zehntel und beim Spargel um 13 % gesunken. Der Bauernverband und die anderen Unterzeichner des Briefs warnen, dass sich diese Entwicklung mit einem 15 Euro-Mindestlohn dramatisch beschleunigen würde, Betriebsaufgaben wären die Folge.
Die Branchenverbände fordern deshalb dringend eine Ausnahme vom gesetzlichen Mindestlohn für Obst-, Gemüse- und Weinbau. Diese müsse zumindest für die einfachen Arbeiten gelten, die keine Ausbildung erfordern. Dieser Punkt sei ein „existenzielles Thema“ für die deutschen Anbaubetriebe.