Immer mehr Auflagen, immer mehr Papierkram: Wollen Sie Prämienzahlungen aus der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) bekommen, müssen Sie zahlreiche Anforderungen erfüllen – und ab dem 1.1.2025 sogar noch einmal mehr als bislang: Denn wenn Sie Mitarbeiter in Ihrem Betrieb beschäftigen, darf die Zahlstelle nun auch Prämien kürzen, wenn Sie gegen die Arbeitnehmerrechte verstoßen.
Doch die neuen Regeln zur sogenannten „sozialen Konditionalität“ werfen zahlreiche Fragen auf. Wir haben die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was bedeutet „soziale Konditionalität“?
Ab 2025 tritt die Soziale Konditionalität im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU in Kraft, d. h.: Die landwirtschaftlichen Direktzahlungen werden mit der Einhaltung von Arbeits- und Arbeitsschutzstandards verknüpft. Um Ihre Prämienzahlungen nicht zu gefährden, müssen Sie daher sicherstellen, dass Sie bestimmte Vorgaben in Bezug auf Arbeitnehmerrechte, Arbeitssicherheit und faire Arbeitsbedingungen einhalten – wenn Sie Mitarbeiter beschäftigen.
Bisher wurden Verstöße gegen das Arbeitsrecht unabhängig von den EU-Direktzahlungen sanktioniert. Es gab keine direkte Verbindung zwischen der Einhaltung des Arbeitsrechts und der Agrarförderung. D. h., Sie können künftig theoretisch doppelt bestraft werden: Bisher mussten Sie „nur“ mit einem Bußgeld rechnen, wenn Sie gegen Arbeits- und Arbeitsschutzrechte verstoßen haben. Nun drohen zusätzlich Kürzungen im Rahmen der GAP. Betriebe, die sich an die Vorschriften halten, haben nichts zu fürchten und können der neuen Regelung gelassen entgegensehen.
Welche Vorschriften muss ich einhalten?
Für deutsche Landwirte ändern sich die bisherigen Regeln nicht, d. h.: Bei den Vorschriften gibt es keinen Unterschied zu den bereits geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Anforderungen und Pflichten. Neu ist nur die Verknüpfung mit den GAP-Prämienzahlungen.
Grob zusammengefasst sind die Vorschriften folgende:
Arbeitsrecht: Die geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften sind einzuhalten, insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten, Arbeitsverträge und Lohnzahlungen. Sie sind verpflichtet, die Arbeitsbedingungen in einem Arbeitsvertrag festzuhalten. Übrigens: Bisher musste der Arbeitsvertrag in Schriftform vorliegen, d. h. Arbeitgeber und -nehmer mussten den Vertrag beide mit ihrer Unterschrift unterzeichnen. Ab dem 1.1.2025 ist das unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr nötig. Dann können Sie einen Vertrag auch per Mail abschließen (ohne persönliche Unterschrift). Den Arbeitsvertrag müssen Sie spätestens innerhalb der ersten sieben Arbeitstage bereitstellen. Ändert sich irgendetwas am Arbeitsverhältnis, stockt beispielsweise Ihr Mitarbeiter seine Stunden auf, müssen Sie auch das schriftlich dokumentieren.
Wichtig ist auch die Arbeitszeiterfassung. Das Bundesarbeitsgericht hat 2022 festgestellt, dass die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist (Beschluss vom 13.9.2022, Az.: 1 ABR 22/21). Dafür verantwortlich ist der Arbeitgeber, er kann die Aufgabe aber auch den Mitarbeitern übertragen. Wie die Aufzeichnung erfolgen muss, wurde nicht festgelegt, hier sind Sie flexibel. Die meisten Betriebe notieren diese handschriftlich oder per App.
Sicherheits- und Gesundheitsschutz: Als Betrieb mit Mitarbeitern sind Sie verpflichtet, angemessene Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes Ihrer Mitarbeiter zu ergreifen, einschließlich der Gefahrenverhütung. Das umfasst unter anderem Schutzmaßnahmen im Umgang mit Maschinen, Pestiziden und anderen potenziellen Gefahren auf dem Hof. Die Arbeitsmittel in Ihrem landwirtschaftlichen Betrieb müssen für die jeweiligen Tätigkeiten geeignet sein, den geltenden Vorschriften entsprechen und regelmäßig gewartet sowie überprüft werden.
Sie müssen Ihre Mitarbeiter zudem umfassend informieren und regelmäßig schulen, um deren Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Auch müssen Sie Maßnahmen zur Ersten Hilfe und Brandbekämpfung im Betrieb ergreifen. Ein weiteres Beispiel wäre, dass Sie Ihre Angestellten während der Erntezeit im Sommer vor starker Hitze schützen (zum Beispiel ausreichend Getränke, Sonnenhüte oder Sonnencreme bereitstellen und Unterstellmöglichkeiten anbieten).
Die Anforderungen im Detail finden Sie in der Verordnung (EU) 2021/2115 des europäischen Parlaments und des Rates vom 2. Dezember 2021, im Anhang IV.
Gilt das auch für angestellte Familienangehörige?
Ja, die Vorgaben gelten grundsätzlich für alle landwirtschaftlichen Betriebe, die Direktzahlungen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU erhalten und Angestellte haben – egal welcher Art. Alle Arbeitgeber müssen die arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Pflichten einhalten, daran ändert sich nichts. Das gilt also auch für Landwirte, die „nur“ Azubis oder Aushilfen oder Familienangehörige per Arbeitsvertrag angestellt haben.
Welche Unterlagen muss ich im Betrieb parat haben?
Hier sind alle arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Pflichten zu beachten, die das deutsche Recht hergibt. Zusammengefasst sind es im Wesentlichen diese Unterlagen:
Arbeitsverträge (Änderungen des Arbeitsvertrages müssen schriftlich bzw. in Textform vorliegen),
Dokumentation der Arbeitszeiten und Überstunden,
Lohnabrechnungen inklusive Stundenzettel,
Dokumentation von Schulungen (z. B. Schulung von Mitarbeitern zur Nutzung von Pflanzenschutzmitteln),
Schriftliche Gefährdungsbeurteilung (GBU): Um den allgemeinen Grundsatz des Arbeitsschutzgesetzes zu erfüllen, verlangt der Gesetzgeber von Ihnen, dass Sie die Arbeitsbedingungen beurteilen (Details finden Sie unter www.svlfg.de/gefaehrdungsbeurteilung).
Wer prüft die Einhaltung der Anforderungen?
Kontrollen können im Rahmen regulärer Überprüfungen oder als Reaktion auf Beschwerden von Mitarbeitern durchgeführt werden. Für die Kontrollen sind vorwiegend verantwortlich:
Die Berufsgenossenschaft und Deutsche Rentenversicherung. Diese sind in den Bundesländern für die Überwachung der Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften zuständig. Sie prüfen, ob Sie die gesetzlichen Bestimmungen zu Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz einhalten.
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) als Einheit des Zolls. Diese überwacht, ob die Beschäftigungsverhältnisse legal sind, insbesondere im Hinblick auf die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Einhaltung von Mindestlöhnen und Arbeitszeiten.
Die gute Nachricht ist aber, es soll keine zusätzlichen Prüfungen geben. Falls den jeweiligen Kontrollstellen Missstände auffallen, werden diese gemeldet, soweit hierüber ein rechtskräftiger Bescheid ergangen ist. Als Verstoß zählt alles, was nach den arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Gesetzen bußgeldbewehrt ist, also z. B., wenn Sie jemanden „schwarz“ beschäftigen und auch, wenn kein Arbeitsvertrag vorliegt.
Gibt es Betriebe, die häufiger kontrolliert werden?
Es gibt keine festgelegte Frequenz, wie häufig Landwirte kontrolliert werden. Die Häufigkeit der Kontrollen wird oft nach einem risikobasierten Ansatz festgelegt: Betriebe, die als risikoreicher gelten, beispielsweise aufgrund der Größe, Zahl der Beschäftigten oder früheren Verstößen, werden häufiger kontrolliert als kleinere Betriebe oder solche, die bisher keine Verstöße aufweisen.
Kann ich Mängel nachbessern?
Bis es tatsächlich zu einer Prämienkürzung kommt, ist es ein langer Weg: Generell wird nur ein Teil der Betriebe geprüft. In Schleswig-Holstein sind die Arbeitsschutzbehörden zum Beispiel angewiesen 5 % aller wirtschaftenden Unternehmen zu prüfen. Werden Sie dann kontrolliert und stellt eine Behörde Mängel fest, haben Sie zunächst in der Regel die Möglichkeit zur Nachbesserung innerhalb einer bestimmten Frist. Falls Sie die Probleme dann nicht beheben, können die Behörden entsprechende Bußgeldbescheide verhängen. Dagegen könnten Sie Widerspruch einlegen. Wenn das nichts nützt, melden die Behörden das an die (Prämien-)Zahlstelle. Diese entscheidet dann, ob Ihnen wegen diesem Verstoß die Prämie gekürzt wird und in welcher Höhe.
Angenommen bei einer Kontrolle wurden Verstöße festgestellt und Ihnen wurde daher die Prämie gekürzt. Sie haben dann zudem zunächst einmal in der Regel das Recht, gegen die Sanktionen Einspruch einzulegen oder vor Gericht zu gehen, falls sie die Sanktionen als ungerechtfertigt betrachten.
Wie hoch können die Prämienkürzungen ausfallen?
Hier kommt es auf die Verhältnismäßigkeit an. Die Höhe der Sanktionen richtet sich nach dem Schweregrad, der Dauer und der Häufigkeit der Verstöße. Je schwerwiegender der Verstoß, desto größer ist die Kürzung der Direktzahlungen.
Gibt es Checklisten, die mir weiterhelfen?
Hilfreich ist zum Thema Arbeitsschutz der Selbstcheck der SVLFG zu Sicherheit und Gesundheit im Betrieb (www.svlfg.de/selbstcheck). An dessen Ende erhalten Sie eine Dokumentation mit Hinweisen und möglichen Maßnahmen zur Umsetzung und Verbesserung. Mit diesem Selbstcheck können Sie herausfinden, welchen Stellenwert die Themen Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz in Ihrem Unternehmen haben.
Zudem gibt es den sogenannten „GDA-ORGAcheck“. Dieser ist ein von Bund, Ländern, Unfallversicherungsträgern und Sozialpartnern im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) gemeinsam erarbeitetes Instrument zur Selbstbewertung der Arbeitsschutzorganisation. Der Check ermöglicht es, Schwachstellen in der Arbeitsschutzorganisation und Verbesserungsmaßnahmen zu erkennen (www.gda-orgacheck.de).
Bei Rechtsfragen helfen Ihnen zudem auch die Arbeitgeber- und Bauernverbände weiter.
Die Arbeitgeberverbände der einzelnen Bundesländer finden Sie hier:
Baden-Württemberg: Landwirtschaftlicher Arbeitgeberverband für Südbaden - BLHV
Bayern: AGV Bayern – Der Arbeitgeberverband für die Land- und Forstwirtschaft in Bayern e.V.
Brandenburg: Land- und Forstwirtschaftlicher Arbeitgeberverband Brandenburg e.V.
Hessen: Land- und Forstwirtschaftlicher Arbeitgeberverband für Hessen e.V.
Mecklenburg-Vorpommern: Land- und Forstwirtschaftlicher Arbeitgeberverband – bauernverband-mv.de
Niedersachsen: Arbeitgeberverband Agrar, Genossenschaften, Ernährung Niedersachsen e.V.
NRW: Arbeitgeberverband der Westfälisch-Lippischen Land- und Forstwirtschaft e.V.
Rheinland-Pfalz: LAV - Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e.V.
Sachsen: AGV Sachsen
Sachsen-Anhalt: Land- & Forstwirtschaftlicher Arbeitgeberverband Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein: Arbeitgeberverband Schleswig-Holstein
Thüringen: Land- und Forstwirtschaftliche Arbeitgeberverband Thüringen e.V.
Unsere Expertin: Alice Arp, Syndikusrechtsanwältin Arbeitgeberverband der Land- und Forstwirtschaft Schleswig-Holstein