Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Ende Januar haben die Fraktionen von SPD, Grünen sowie CDU/CSU gemeinsam das Biomassepaket verabschiedet. Zum Glück: Denn wären die Verhandlungen um das Paket geplatzt, hätte das in der Biogasbranche unwiederbringbaren Schaden angerichtet. So aber bestehen für viele Anlagen endlich faire Bedingungen zur Weiterentwicklung und für den Weiterbetrieb. Besonders Anlagen, die in der Vergangenheit in die hohe und konsequente Flexibilisierung investiert haben, werden jetzt für ihren Mut und die zukunftsorientierte Investition belohnt. Betreiber von Anlagen mit kurzer Restlaufzeit haben nun die Möglichkeit, ein nachhaltig wirtschaftliches Weiterbetriebskonzept zu guten Konditionen durch die Ausschreibung zu bringen.
Konsequent Flexibilisieren
Die individuellen Lösungen für die Anlagen sind dabei vielschichtig, aber in den Kernpunkten gleich. Grundlast war gestern. Weiter geht es nur mit einer konsequenten Flexibilisierung mit ausreichend dimensionierten Wärmepuffern und Gasspeichern. Alle Betreiber müssen Konzepte entwickeln, die eine möglichst hohe Überbauungen aufweisen und gleichzeitig möglichst lange Stillstandszeiten der BHKW ermöglichen. Auch Anlagen mit 350 kW oder weniger installierter Leistung werden trotz der geringeren Überbauung durch die Regelungen zur Förderaussetzung bei Spotmarktpreisen von unter 2 ct/kWh regelmäßig zu BHKW-Stillstandszeiten von 24 bis 36 Stunden gezwungen sein.
Die dazu nötigen Investitionen werden mit im Förderzeitraum kumulierten Flexzuschlagszahlungen von bis zu 1.200 €/kW für Weiterbetriebsanlagen bzw. 2.000 €/kW für Neuanlagen durchaus ansprechend gefördert.
Welches Recht gilt?
Das Biomassepaket entfaltet seine Gültigkeit erst, wenn es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht ist. Zudem steht nahezu das komplette Paket unter dem Genehmigungsvorbehalt durch die EU-Kommission. Deshalb ist die Rechtslage zur Ausschreibung am 1. April 2025 noch unklar. Erfolgt die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt zu spät, bleibt es zumindest in der Aprilausschreibung bei den bisher geltenden Regelungen des EEG 2023 (Maisdeckel 35 %, Höchstbemessungsleistung 45 %, Weiterbetriebsdauer 10 Jahre). Sollte das Paket im Bundesgesetzblatt veröffentlicht sein, aber die beihilferechtliche Genehmigung noch ausstehen, kommt es zu einem gewissen Rechtsdilemma: die Ausschreibungsbedingungen orientieren sich dann wahrscheinlich an den bisherigen Regelungen, nach Genehmigung durch die EU-Kommission dürften die teilnehmenden Anlagen aber in die neuen Regelungen wechseln. Möglich ist aber auch, dass die EU-Kommission festlegt, dass die neuen Regelungen nur auf zukünftige Ausschreibungstermine anzuwenden sind. In diesem Fall würden alle Anlagen, die in der Erwartung der neuen Regelungen an der Aprilausschreibung teilnehmen, herb enttäuscht werden.
Besonders betroffen sind 2005er-Anlagen. Ihre Betreiber brauchen, insbesondere, wenn für den Weiterbetrieb größere Investitionen nötig sind, zeitnah einen rechtssicheren Zuschlag. Ein unvorhergesehener Wechsel der Rechtslage kann Schäden im sechs- oder siebenstelligen Bereich bedeuten. Anlagen mit Inbetriebnahmedatum 2006 und 2007 sollten daher bei bestehender Rechtsunsicherheit, wenn überhaupt, nur mit Höchstgebot teilnehmen. Für 2008er-Anlagen ist die Teilnahme bei unklarer Rechtslage komplett uninteressant.
Diese Änderungen bringt das Biomassepaket
Die Hauptänderungspunkte des Biomassepakets:
Erhöhung der Ausschreibungsmenge für 2025 auf mindestens 1300 MW, für 2026 auf mindestens 1126 MW und für 2027 auf 326 MW jeweils zuzüglich 29 % der nicht bezuschlagten Biomethanausschreibungsmenge und der vor zwei Jahren nicht bezuschlagten Biomasseausschreibungsmenge. Die Ausschreibungsmenge für 2028 sinkt auf 76 MW.
Der Zahlungsanspruch für die Weiterbetriebsanlagen verlängert sich von 10 auf 12 Jahre.
Der Flexibilitätszuschlag steigt von 65 € auf 100 € pro installiertem kW. Die bereits durch die Flexibilitätsprämie geförderten kW werden weiterhin mit 50 € Flexibilitätszuschlag bezuschusst, sodass Anlagen, die in der ersten Förderperiode bereits das Maximum an Flexibilitätsprämie ausgeschöpft haben, künftig im Durchschnitt mindestens 75 € pro installiertem kW erhalten.
Die Südquotenregelung entfällt endgültig und die endogene Mengensteuerung sowie der generelle Zuschlagsmechanismus erhalten eine Vorrangregelung für Anlagen, die vor dem 1. Januar 2024 an eine Wärmeversorgungseinrichtung mit einer thermischen Gesamtleistung von mehr als 300 kW Wärme geliefert haben.
Die Zeiträume, in denen Anlagen vorzeitig in die Ausschreibung für eine zweite Förderperiode gehen können, sinken von acht Jahren auf fünf Jahre vor Auslaufen der ersten Förderperiode. Der Umstiegszeitraum nach Zuschlagserteilung, in dem eine Anlage ohne Verlust der bisherigen Vergütung weiter betrieben werden kann, sinkt von bisher 60 auf 42 Monate.
Bei der Höchstbemessungsleistung wechselt das System vom prozentualen Anteil der Höchstbemessungsleistung (bisher 45 %) auf eine konkrete Anzahl an Betriebsviertelstunden. Dabei wird eine Betriebsviertelstunde gezählt sobald die erste kWh produziert ist. Wenn die maximale Anzahl der förderfähigen Betriebsviertelstunden überschritten wird, fallen die Viertelstunden mit den geringsten Einspeisemengen aus der Wertung. Für Anlagen mit einer installierten Leistung von bis einschließlich 350 kW beträgt die Anzahl der förderfähigen Betriebsviertelstunden 16 000 pro Jahr und für Anlagen mit einer installierten Leistung größer 350 kW beträgt die Anzahl der förderfähigen Betriebsviertelstunden 11 680 pro Jahr. Bei Zuschlag in einer Ausschreibung zum 1. April sinken die vorgenannten förderfähigen Betriebsviertelstunden um je 500 zum 1. Januar des fünften, des siebten, des neunten und des elften Jahres nach Zuschlagserteilung. Bei Zuschlag in einer Ausschreibung zum 1. Oktober erfolgt diese Absenkung zum 1. Januar des sechsten, des achten, des neunten und des elften Jahres nach der Zuschlagserteilung.
Der Maisdeckel sinkt für die Ausschreibungen in 2025 auf 30 Masseprozent; ab 2026 auf 25 Masseprozent.
Für Anlagen, die in einer Ausschreibung im Jahr 2025 oder später einen Zuschlag erhalten, sinkt die Förderung ab einem Börsenstrompreis von 2 ct/kWh oder weniger unabhängig von der Anlagengröße auf null.
Mehr Zuschläge, höhere Zuschlagswerte, aber auch höhere Anforderungen
Aufgrund der deutlich höheren Ausschreibungsmenge in den Jahren 2025 und 2026 dürften viele Anlagen einen Zuschlag bekommen. Die Zuschlagswerte dürften sich wieder auf höherem Niveau stabilisieren, sofern die Bundesnetzagentur die Höchstgebotswerte auf den bisherigen Werten hält oder gar erhöht.
Durch die Verkürzung der Übergangszeit auf 42 Monate sind die Ausschreibungen in 2025 nur für Anlagen mit Inbetriebnahme bis einschließlich 2007 und mit leichten Einschränkungen auch für Anlagen aus 2008 interessant. 2026 können dann auch Anlagen mit Inbetriebnahme 2009 über eine Teilnahme nachdenken. Gleichzeitig ist gerade für diese Weiterbetriebsanlagen das Zeitkorsett bei der Umsetzung der meistens nötigen Investitionsmaßnahmen sehr eng. In höchstens 42 Monaten die nötigen Genehmigungen zu erlangen, die Finanzierung auf die Beine zu stellen und auch die Baumaßnahmen umzusetzen ist eine durchaus sportliche Herausforderung. Besonders für Anlagen aus 2006 und 2005 die aktuell weniger als 23 Monate bzw. weniger als 11 Monate vor dem Auslaufen ihrer aktuellen Förderperiode unvermittelt mit den deutlich höheren Flexibilitätsansprüchen konfrontiert werden, fehlt es im Biomassepaket an Sonderregelungen zur beispielsweise stufenweisen Umsetzung der Anforderungen. Diese Anlagen werden sich für eine gewisse Zeit außerhalb des EEG bewegen müssen und sollten die dadurch entstehenden Mehraufwendungen in ihre Finanzkonzepte einfließen lassen.
Bei der Entwicklung und Umsetzung der gewünschten Anlagenkonzepte dürfte für viele Betreiber der Knackpunkt im Bereich der Genehmigungen und künftig nötigen Nachhaltigkeitszertifizierung liegen. Anlagen mit einer Bemessungsleistung von 200 bis 250 kW werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit jenseits der Grenze für die Nachhaltigkeitszertifizierung (2.000 kW Feuerungswärmeleistung bzw. rund 800 kWel) wiederfinden.
Auch Anlagen in der Klasse bis 350 kW installierter Leistung (rund 159 kW Bemessungsleistung) werden in Anbetracht der künftig nötigen Stillstandzeiten von 24 bis 36 Stunden erhebliche Gasspeichervolumina zubauen müssen. Auch diese eigentlich im Baurecht angesiedelten Anlagen fallen so schnellin den Regelungsbereich der 12. BImSchV (Störfallverordnung).
Die Viertelstundenregelung
Die Förderbegrenzung auf die konkreten Betriebsviertelstunden sieht keinerlei Ausnahmen vor. Es ergeben sich zwei mögliche Handlungskonzepte:
Durch eine mindestens vierfache Überbauung (etwa 2.190 Volllaststunden) wird ein ausreichender Puffer an Betriebsviertelstunden für Rampen, Wartung und Tests geschaffen, ohne gleich aus der Förderung zu fahren.
Bei einem Konzept mit knapp dreifacher Überbauung werden ausschließlich die mit Volllast gefahrenen Viertelstunden für die Förderung angerechnet. Die Rampen, Wartungs- und Testfahrten werden ausgehend von der geringeren Einspeisung abgeschnitten. Zudem werden diese Anlagen wahrscheinlich eine gewisse Zahl von Viertelstunden, an denen die Börsenpreise deutlich über den variablen Kosten liegen, in Volllast über die geförderten Betriebsviertelstunden fahren. 2024 gab es 576 Viertelstunden mit mehr als 20 ct/kWh Spotmarktpreis.
Was ist mit der 350 kW-Sonderklasse?
Die Sonderklasse bis 350 kW installierte Leistung ist nur für Anlagen interessant, die bereits jetzt eine BHKW-Leistung in genau diesem Bereich haben und ihre Bemessungsleistung auf unter 160 kW absenken wollen. Für klassische bisher nicht flexibilisierte 500-kW-Anlagen ist der Gang in die Sonderklasse aufgrund der nötigen Investitionen sowie der großen Verminderung der Bemessungsleistung meist nicht wirtschaftlich und eine höhere Überbauung jenseits der 350-kW-Klasse meist deutlich besser.
Allerdings hat die 350-kW-Sonderklasse eine gewisse Attraktivität für neue Güllekleinanlagen. Dabei würden 180 kW installierte Leistung die bisherigen 75-kW-Grundlastanlagen ersetzen, 250 kW installierte Leistung die 100-kW-Grundlastanlagen und 350 kW die 150-kW-Grundlastanlagen.
Kritik an Absenkung des Maisdeckels
Bei höherer Flexibilisierung macht meist auch eine Verschiebung der Gasproduktion vom Sommer in den Winter energiesystematisch Sinn. Dazu sind Wirtschaftsdünger und Nebenprodukte aus der Lebensmittelherstellung aber ungeeignet, da sie im Gegensatz zu Mais und anderen nachwachsenden Rohstoffen kaum konserviert werden können. Mais ist aufgrund seiner Eigenschaften für den biologischen Gärprozess deutlich besser geeignet als viele Alternativen und bringt zudem hohe Methanerträge je Hektar. Seine Nutzung weiter einzuschränken, ist daher nicht unbedingt zielführend. Unverständlich ist auch, warum fachrechtliche Fragestellungen, wie die Gestaltung von Fruchtfolgen, in einem Energiegesetz gelöst werden sollen.
Kritikpunkte und offene Fragen
Güllekleinanlagen: Eine auf Grundlast ausgelegte Anlagenklasse mit kaum auskömmlichen Fördersätzen passt nicht zu den Klimaschutzzielen und auch nicht zur aktuellen Entwicklung unseres Energiesystems. Hier braucht es auch mit Blick auf die steigenden Anforderungen an den Klimaschutz in der Landwirtschaft dringend eine Überarbeitung.
Durch die starke Erhöhung der Flexibilitätsanforderungen und Absenkung des Maisdeckels ist auf nahezu jeder Anlage eine An-passung der Genehmigung erfor-derlich. Aufgrund komplexer Ge-nehmigungsprozesse droht unteraktuellen Bedingungen eine Überlastung der beteiligten Genehmigungsbehörden und ein großer wirtschaftlicher Schaden für die von langandauernden Genehmigungsverfahren betroffenen Anlagenbetreiber. Hier braucht es dringend eine Vereinfachungen.
Da die 20-jährige Förderperiode ihrer Anlage auslief, waren viele Betreiber gezwungen, zu grenzwertigen Konditionen am Ausschreibungsverfahren teilzunehmen. Sie brauchen eine Möglichkeit zum Umstieg in die neuen Förderbedingung. Andernfalls werden wahrscheinlich einige von ihnen nach kurzer Zeit im Weiterbetrieb aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sein, ihre Anlage abzuschalten.
Die gesamte Biogas- und Biomethanbranche braucht eine langfristige Entwicklungsperspektive weit über die im Biomassepaket adressierte Zeitlinie von 2026/27 hinaus.
Die Ausschreibungsmengen sind noch immer weit entfernt von den zum Beispiel durch Prof. Jürgen Karl von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg geforderten bis zu 4 GW pro Jahr. Diese Mengen würden die Klimaneutralität und Importunabhängigkeit unseres Stromsystems dann tatsächlich in großen Schritten vorantreiben und gleichzeitig auch die Stromkunden vor weiteren Preisschocks durch teure (eventuell wasserstofffähige) Gaskraftwerke bewahren.