Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Neue Anteile zeichnen und ab Ausschüttungsbeginn fünf Jahre lang einen Bonus auf die Dividende sichern: Diese Werbeaktion startete die Bürgerenergiegenossenschaft Dülmen, Kreis Coesfeld, im Jahr 2024. Die 2022 gegründete Genossenschaft will den Ausbau erneuerbarer Energien in der Stadt vorantreiben und hat Photovoltaik- und Windkraftprojekte in Planung. Dafür braucht sie Eigenkapital, das sie bei den Bürgern einsammeln will. „Die beste Werbung für eine Energiegenossenschaft sind gute Projekte. Da wir noch am Anfang stehen, haben wir noch nicht umgesetzt. So kam die Idee auf, mit einer Bonuszahlung zu werben“, berichtet Landwirt Benedikt Wichmann. Er fungiert als ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender in der Energiegenossenschaft.
Bei solchen Angeboten stellen sich Fragen, etwa: Wie sicher ist das Geld privater Anleger in einer Energiegenossenschaft? Lohnt sich das Engagement finanziell? Welche Risiken tragen Mitglieder der Genossenschaft?
1.000 Verbünde bundesweit
Das Beispiel aus Dülmen ist kein Einzelfall. Rund 1.000 Energiegenossenschaften sind bundesweit aktiv, meldet die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband. Die Genossenschaften betreiben beispielsweise Anlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung oder sind in der regionalen Wärmeversorgung aktiv. Die meisten Genossenschaften haben einen ehrenamtlichen Vorstand und sind ehrenamtlich organisiert. 95 % der rund 220.000 Mitglieder sind Privatpersonen. Im bundesweiten Schnitt ist das einzelne Mitglied mit etwa 3600 € an seiner Energiegenossenschaft beteiligt. Dass mehr möglich ist, zeigt das eingangs genannte Beispiel aus Dülmen. Ein interessierter Bürger kann hier bis zu 100 Genossenschaftsanteile zu je 250 € zeichnen, also 25.000 € einlegen.
Keine Einlagensicherung
Je nach Ausrichtung der Energiegenossenschaft gibt es für die Anteilseigner spezielle unternehmerische Risiken. Bleibt beispielsweise die Windmenge hinter der kalkulierten Ernte zurück oder treten nicht versicherte Schäden an den Anlagen auf, greift das die finanziellen Reserven der Genossenschaft an. Das kann die Rendite des eingesetzten Kapitals schmälern oder ans Eingemachte gehen. Für die Mitgliederanteile an einer Genossenschaft gibt es keine Einlagensicherung im Falle einer Insolvenz. Wer dagegen Geld bei der Bank anlegt, hat im Falle einer Insolvenz über die gesetzliche Einlagensicherung Beträge bis zu 100.000 € abgesichert. Das Risiko einer Pleite gilt bei Energiegenossenschaften allerdings als sehr gering, ordnet Benjamin Dannemann von der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften ein. Das bestätigt auch ein Blick in die Insolvenz-Statistik des Landes NRW. 2024 gab es zehn Insolvenzverfahren bei Genossenschaften aller Art. Allgemein waren es insgesamt 21.321 Insolvenzverfahren. 2023 wurden sechs Genossenschaften als insolvent gemeldet – bei 26.737 Verfahren landesweit.
Lange Kündigungsfristen
Die Aktivitäten einer Genossenschaft werden regelmäßig durch einen Prüfverband unter die Lupe genommen. Klappt finanziell alles gut, ist das noch keine Garantie für eine satte Dividende. Darüber entscheidet in der Regel die Mitgliederversammlung nach Vorschlag und Prüfung von Vorstand und Aufsichtsrat. Die Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften weiß aus jährlichen Mitgliederumfragen, dass etwas mehr als die Hälfte der angeschlossenen Gesellschaften Dividenden an die Mitglieder ausschüttet. Die Renditen liegen dabei zwischen 3 und 4 %.
Es lohnt sich, die Satzung einer Energiegenossenschaft genau zu lesen. Folgende Punkte sind zu prüfen:
Rechtsform – Die eingetragene Genossenschaft, kurz eG, ist die häufigste gewählte Rechtsform. Sie bietet eine demokratische Unternehmenskultur, weil jedes Mitglied eine Stimme hat. Mehrstimmrechte sind möglich, aber selten. Zudem lässt sich bei der eingetragenen Genossenschaft die Haftung der Gesellschafter beschränken, während beispielsweise bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts keine solche Beschränkung vorgesehen ist.
Kündigung – Wer sein Geld aus der Genossenschaft ziehen möchte, muss unter Umständen lange darauf warten. Kündigungsfristen von bis zu fünf Jahren sind nach Mitteilung der Verbraucherzentrale Hamburg keine Seltenheit bei Genossenschaften. Außerdem wird nur der sogenannte Buchwert einer Beteiligung zurückgezahlt, sagen die Verbraucherschützer. Er kann niedriger sein als die eingezahlte Beteiligungssumme.
Nachschusspflicht – Sie verpflichtet Genossen unter bestimmten Umständen zu zusätzlichen Zahlungen. Die Nachschusspflicht sollte in der Satzung explizit ausgeschlossen sein.
Geld für neue Projekte
Eine weitere Möglichkeit, Geld in eine Energiegenossenschaft zu investieren, ist das Nachrangdarlehen. Das nutzen viele Energiegenossenschaften zur Kapitalbeschaffung, wenn konkrete Projekte anstehen. Wer einen Vertrag über ein Nachrangdarlehen unterschreibt, kann in der Regel mit festen Laufzeiten und Zinssätzen für sein eingesetztes Kapital rechnen. Er geht aber auch ein höheres Risiko ein. Kommt es zur Insolvenz der Genossenschaft, haben andere Gläubiger Vorrang vor ihm.
Fazit: Energiegenossenschaften sind vorrangig dazu da, eine dezentrale, ökologische und von Großkonzernen unabhängige Energieversorgung aufzubauen. Interessierte können mit überschaubaren Beträgen Mitglied werden und mitbestimmen. Wer größere Beträge in eine Energiegenossenschaft einlegen will, sollte bedenken, dass er langfristig und mit unternehmerischem Risiko investiert. Entsprechend gründlich sind vorab alle Informationen über die Genossenschaft, ihre Führung und ihre Projekte zu prüfen.