Der Biomethanmarkt ist seit dem Jahr 2022 in ständiger Bewegung. Gaskrise, Anstieg der THG-Quotenpreise, dann der Absturz der Preise aufgrund von kriminellen Machenschaften und die Insolvenz von Europas größtem Biomethanhändlers Landwärme. Wie die Situation sich Anfang 2025 darstellt, schildert Gründer und Geschäftsführer Henning Dicks vom Unternehmen agriportance, das verschiedene Dienstleistungen rund um den Handel, die Bilanzierung und die Zertifizierung von Biomethan anbietet.
Wie ist die aktuelle Stimmung auf dem Biomethanmarkt?
Dicks: Die Stimmung ist leicht positiv. Seit November steigen die Preise für Biomethan wieder leicht. Bei Gas aus Wirtschaftsdünger wird aktuell ca. 12 ct/kWh gezahlt, für Nawaro-Gas sind es etwas unter 9 ct, bei Biomethan aus Reststoffen leicht über 9 ct. Das ist schon mal in Ordnung, aber insgesamt ist die Verunsicherung noch massiv. Viele Akteure versprechen sich aktuell eigentlich mehr. Es gibt positive Signale wie den steigenden Erdgaspreis oder die Situation bei den Treibhausgasquoten. Aber das kommt noch nicht beim Preis für die Produzenten an. Hier sehen wir also noch Potenzial.
Wie hat sich die Situation bezüglich Landwärme entwickelt?
Dicks: Im Moment passiert da relativ wenig, allerdings wird auch wenig kommuniziert. Was wir wissen, ist, dass im Dezember im Rahmen des Eigenverwaltungsverfahrens noch einmal einige Verträge mit Produzenten, aber auch mit Gasabnehmern wie z.B. Stadtwerken gekündigt wurden. Darüber hinaus ist aber relativ wenig bekannt, ob da jetzt wirklich ein potenzieller Investor einsteigt und was genau die nächsten Monate kommt. Zudem soll es Entlassungen beim Personal gegeben haben. Ob diese Neustrukturierung ausreicht oder ob das Unternehmen liquidiert wird, kann man wahrscheinlich erst in ein bis zwei Jahren genau sagen.
Wie reagieren die Biomethanproduzenten bzw. die Anlagenbetreiber?
Dicks: Hier gibt es zwei Lager. Die einen produzieren bereits seit zehn Jahren oder mehr Biomethan und haben 20 bis 40 % der Gasmenge über die Landwärme vermarktet. Sie sind jetzt zwar auch betroffen, aber nicht in der Existenz bedroht. Der Geschäftsbetrieb geht bei ihnen ganz normal weiter, weil die Produktionskosten ja auch, bedingt durch die niedrigen Substratpreise, gesunken sind. Sie haben die Gasmenge neue Abnehmer gesucht.
Ganz anders sieht es bei neuen Anlagen aus. Hier reden wir entweder von Anlagenzusammenschlüssen oder von einzelnen Anlagen, die mit erheblichen Investitionen die Leistung erweitert bzw. auf Wirtschaftsdünger umgestellt haben, teilweise sogar auf 100 %. Einige haben die Pläne wieder auf Eis gelegt, wenn das Projekt noch nicht weiter fortgeschritten war. Wenn sie letztes Jahr in Betrieb gegangen sind oder die Inbetriebnahme in diesem Jahr ansteht, ist die Situation bedrohlich. Einige versuchen, in Verhandlungen mit der Hausbank bzw. mit externen Investoren die Liquidität zu erhalten. Andere Anlagen haben von der Landwärme vier bis fünf Monate kein Geld bekommen, obwohl sie Biomethan geliefert haben. Auch ihnen ist die Finanzlücke jetzt massiv.
Haben die Produzenten denn noch Vertrauen in den Gashandel? Gibt es Alternativen zu den Händlern?
Dicks: Die Auswirkungen merken wir deutlich. Die Vertragslaufzeiten sind erheblich kürzer geworden, Verträge werden heute für drei bis maximal zwölf Monate abgeschlossen, nicht mehr für bis zu sieben Jahre. Auch die Abnehmer denken kurzfristiger. Bei Biomethan auf Wirtschaftsdüngerqualität will keiner mehr einen fixen Preis für mehrere Jahre abschließen. Das ist ein Problem für die Finanzierung, da sich auch die Banken erst einmal an die Situation gewöhnen müssen. Es schreckt aber auch Neueinsteiger ab. Neben dem Handel steigt die Zahl der Direktbelieferung z.B. von Stadtwerken.
Nach der Gaskrise im Jahr 2022 und der unsäglichen Erlösabschöpfung galt die Biomethanproduktion bei vielen Biogasanlagenbetreibern als willkommene Alternative zur Verstromung, vor allem für Post-EEG-Anlagen oder bei Betrieben mit viel Wirtschaftsdünger. Wegen des immer noch zu geringen Ausschreibungsvolumens für eine Anschlussvergütung hat sich die Situation mittlerweile verschärft. Sehen sie im Biomethanmarkt tatsächlich eine nachhaltige Alternative?
Dicks: Klar ist, dass auch die Folgevergütung laut EEG nur für zehn Jahre gezahlt wird und für die meisten Betreiber eher eine Übergangsregelung ist. Der Biomethanmarkt ist allerdings keine Alternative für jeden, sondern nur etwas für Experten. Hier braucht man sehr unternehmerisches Denken mit Risikobereitschaft, die richtige Technologie und langfristig Zugriff auf geeignete Substrate. Für die klassische 500 kW-Anlage wäre es ein Mittelweg, sich mit drei bis vier anderen zusammenzuschließen und das Rohgas gemeinsam aufzubereiten und zu vermarkten. Das verteilt das Risiko. Außerdem sinken die Kosten der größeren Aufbereitungsanlage um mindestens 1 ct/kWh im Vergleich zu einer kleineren Einzelanlage. Das erleichtert die Wirtschaftlichkeit.
Wird der Wärmemarkt eventuell neue Impulse setzen beim Absatz? Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung scheint das zumindest in einigen Kommunen ein Thema zu sein.
Dicks: Ja, die kommunale Wärmeplanung erzeugt bei einigen Stadtwerken gewisses Interesse, weil sie ihre Gaskunden anstatt mit Erdgas mit Biomethan beliefern und damit die Vorgaben der Bundesregierung bezüglich Gebäudeenergiegesetz bzw. Wärmeplanungsgesetz einhalten können. Hier ist die Zahlungsbereitschaft allerdings nicht so groß wie im Strom- oder Kraftstoffmarkt. Aktuell ist nicht abzusehen, ob hier ein großer Nachfragesog entsteht.
Wird die anstehende Bundestagswahl und ein möglicher Regierungswechsel nötige Änderungen bringen?
Dicks: Zumindest hoffen das einige Betreiber, wie wir aus Gesprächen wissen. Vor allem hoffen sie darauf, dass eine neue Regierung die Betrügereien im Quotenmarkt endlich entschlossen anpackt und nicht so verschläft wie die aktuelle Regierung. Allerdings muss man auch realistisch ein und damit rechnen, dass nach der Wahl für Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung schnell ein halbes bis dreiviertel Jahr vergehen kann. In der Zeit hängen die Betreiber dann weiter in der Luft, sowohl die bestehenden Vorortverstromungsanlagen als auch die Biomethanproduzenten. Was wir brauchen, ist endlich ein Ende der politischen Unsicherheit, wie es mit Biogas und Biomethan weitergehen soll.