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Repowering von alten Windrädern: Kommunen kritisieren Sonderrechte

Viele alte Windräder lassen sich gegen wenige, leistungsstärkere austauschen. Zur Förderung des Repowerings hat die Bundesregierung mehrere Gesetze geändert. Das kritisieren Kommunen scharf.

Lesezeit: 7 Minuten

In Deutschland gibt es aktuell rund 9.000 Windenergieanlagen (WEA), die älter als 20 Jahre sind. Sie haben zusammen eine Leistung von 10 GW. „Hier verbirgt sich ein erhebliches Potenzial zur Steigerung der installierten Leistung an Bestandsstandorten“, sagt Ralf Hendricks, Geschäftsführer der Bürgerenergie GmbH aus Hamburg und Vize-Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE).

Gemeint ist das Repowering, also der Ersatz bestehender Anlagen durch größere, leistungsstärkere Anlagen. Das Positive daran: Durch Repowering kann bei geringerer Anlagenzahl die gleiche oder sogar mehr Leistung erzielt werden. In der Folge können die Zubauziele mit einer geringeren Gesamtzahl an Anlagen erreicht werden. Bei 9.000 Anlagen mit 10 GW liegt die durchschnittliche Leistung pro Altanlage bei 1,1 MW. Moderne Windräder haben dagegen eine Leistung von 5 MW und mehr.

Das Negative: Damit die neuen, größeren Anlagen den Wind optimal ausnutzen können oder heutigen Genehmigungsauflagen entsprechen, können sie meist nicht exakt dort stehen, wo die Altanlagen standen. Nun ist die Frage, wie weit die neuen Standorte vom alten Platz entfernt liegen dürfen.

BWE für umfangreiches Repowering

Zwar wird nicht gleich jede Anlage nach Ablauf der 20 Jahre EEG-Förderung abgebaut. „Windenergieanlagen können bei guter Wartung auch deutlich über die EEG-Förderdauer von 20 Jahren hinweg betrieben werden. Manche Betreiber werden sicherlich lieber eine laufende Anlage noch einige Jahre weiter betreiben, als den Weg einer Neugenehmigung zu gehen“, erklärt ein Sprecher des BWE gegenüber top agrar.

Dessen ungeachtet plädiert der BWE für ein möglichst umfangreiches Repowering des bestehenden Anlagenparks. Schließlich würden die Flächen bereits genutzt, die Anschlüsse an das Stromnetz sowie die Kabel seien bereits vorhanden und die Anlagen als Teil des Landschaftsbildes und vor Ort akzeptiert.

Widersprüche in Gesetzen

Doch viele der älteren Anlagen stehen an Standorten, die heute nicht mehr genehmigungsfähig wären: Außerhalb von Windvorranggebieten oder nahe an der Wohnbebauung. Wird eine alte Anlage abgebaut und durch ein neues, größeres Windrad ersetzt, ist es sehr wahrscheinlich, dass es an anderer Stelle errichtet wird.

Mit einer Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (§16b BImschG) hat der Gesetzgeber im Jahr 2021 erstmals genauere Bestimmungen zum Repowering von Anlagen vorgenommen. Damit soll, laut Gesetzesbegründung, „der Vollzug erleichtert werden.“

Eine der vielen Regelungen besagt, dass der Abstand zwischen alter und neuer Anlage maximal das Zweifache der Gesamthöhe der Neuanlage betragen darf. Umgangssprachlich wird dieser Abstand auch als „2H“ bezeichnet. „Die Gesamthöhe bemisst sich am höchsten Punkt, also an der Rotorblattspitze in senkrechter Stellung“, erklärt der BWE in einer Arbeitshilfe zur Auslegung des Gesetzes.

Verwirrung hat der Gesetzgeber kurzer Zeit später gestiftet, indem er bei einer Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (§45c) einen Abstand von 5H einführte: Danach darf der Abstand zwischen alter und neuer Anlage das Fünffache der Höhe betragen. Eine typische Neuanlage misst vom Boden bis zur senkrechtstehenden Rotorblattspitze nicht selten 280 m. Entsprechend dürfte eine neue Anlage bei 2H im Radius von 560 m, bei 5H im Radius von 1400 m um die Altanlage errichtet werden.

Doch damit nicht genug: Im Entwurf zur nationalen Umsetzung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED III) (§ 249 Absatz 3 Baugesetzbuch, BauGB) ist wieder von 2H die Rede, während das im Juli 2024 verabschiedete Artikelgesetz den §16b im BImSchG auf 5H änderte mit der Begründung, dass damit eine Angleichung von Bundesnaturschutzgesetz und Bundes-Immissionsschutzgesetz erreicht sei.

Streit um 5H

Nicht nur, dass dieses Hin und Her Projektierer und Betreiber von älteren Windkraftanlagen maximal verwirrt. Um den Abstand gibt es auch Uneinigkeit zwischen dem Bundesverband Windenergie und der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. „Auch die Bundesländer drängen in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Bundestag auf die Vereinheitlichung und 5H. Davon profitieren nicht nur Projektierer, sondern auch Kommunen“, erklärt der BWE auf top agrar-Anfrage.

Der BWE begründet das so: mit 5H wachse der Handlungsspielraum der Kommunen bei der Wahl möglicher Standorte. Ein weiterer wichtiger Vorteil: Je mehr Möglichkeiten beim Repowering bestehen, desto weniger neue Flächen seien für das Erreichen der Ausbauziele notwendig. Das stärke die Akzeptanz für die Energiewende.

„Planung wird konterkariert“

Das sieht der Niedersächsische Landkreistag (NLT) ganz anders. „Mit den Repoweringbegünstigungen sollte im Kern ermöglicht werden, direkt am Standort einer Altanlage eine neue einfacher zu errichten, wenn das an diesem Standort noch sinnvoll ist. Von diesem Grundsatz ist die Politik immer weiter abgekommen“, kritisiert Prof. Hubert Meyer, Hauptgeschäftsführer im NLT.

2 H wäre noch akzeptabel gewesen. „5 H – also bei einer 280 m-Anlage in 1,4 km Entfernung – würde den Bezug zum Ort der Altanlage zu weit entgrenzen und sich damit vom Grundgedanken des Repowerings entfernen“, sagt Meyer. Der räumliche Bezug und damit die Grundvoraussetzung für das Repowern wäre nicht mehr gegeben. Die neue Anlage würde an einem anderen Ort stehen, an dem u.U. andere natürliche Gegebenheiten vorliegen.  

Was die kommunalen Verbände weiter kritisieren: Das Repowering von Altanlagen läuft der „normalen“ Planung von neuen Windenergieanlagen zuwider und konterkariere die Planung. Hintergrund ist, dass die Landkreise verpflichtet sind, die Maßgabe der Bundesregierung umzusetzen, um im Schnitt 2 % der Bundesfläche für die Windenergie vorzusehen. Für Niedersachsen bedeutet das beispielsweise 2,2 % der Landesfläche. In umfangreichen Planungen haben die Kommunen Plangebiete wie z.B. Windvorranggebiete ausgewiesen, um dieses Ziel zu erfüllen. „Die Gebiete werden so ausgewählt, dass es möglichst wenig Konflikte mit Natur- und Artenschutz, ausreichend Abstand zur Wohnbebauung oder gute Windhöffigkeit gibt“, erklärt Meyer.

Mit den neuen Gesetzen würde beim Repowering dagegen eine „Super-Privilegierung“ für neue Anlagen entstehen, die anstelle von Altanlagen gebaut würden, heißt es in einem Schreiben des NLT an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. „Wir müssen dieser Bewegung Einhalt gebieten, damit die Energiewende gelingen kann“, schreibt das NLT-Präsidium.

„Herausrepowern“ zerstört Akzeptanz

Die Vertreter der Kommunen begründen das so: Steht eine Altanlage in einem Windvorranggebiet und greift 5H, dann darf die neue Anlage wegen der bestimmten Rechte beim Repowering auch außerhalb eines Windvorranggebietes stehen. Der NLT spricht hierbei vom „Herausrepowern“. In den Plänen vorgesehene Vorsorgeabstände beispielsweise zur Wohnbebauung wären damit Makulatur. Deshalb hatte die Niedersächsische Landesregierung die Initiative gestartet, bundesrechtlich in § 245 e Abs. 3 BauGB klarzustellen, dass das „Herausrepowern“ nicht zulässig ist.

„Das Repowering hat seine Berechtigung vor allem dort, wo keine Planungen in hinreichendem Maße vorhanden sind bzw. stattfinden. Es darf aber nicht dazu führen, dass Planungen funktionslos werden“, heißt es in dem Schreiben.

Gerade Niedersachsen und Schleswig-Holstein wäre von 5H besonders betroffen, so der NLT. Denn in diesen Pionierländern der Windenergie stehen besonders viele Altanlagen, die vor dem Jahr 2000 gebaut wurden. „Mit dieser Aussicht fiele es schwer, der kommunalen Politik zu erläutern, warum die teuren Windplanungen überhaupt durchgeführt werden sollten – schließlich könnte wegen der großen Anzahl an Altanlagen auf Grund der Vorreiterrolle Niedersachsens in weiten Teilen des Landes dann dennoch ungeordnet gebaut werden“, sagt Meyer.

Ohne geordnete Steuerung beim Ausbau der Windenergie drohe die notwendige Akzeptanz für den Ausbau zu schwinden. „Die Inanspruchnahme ungeeigneter Flächen, die Zerstörung des Landschaftsbilds, einseitige Flächeninanspruchnahme durch einzelne Investoren sowie den Anstieg der Strompreise sind nicht akzeptabel“, erklärt NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer auf Anfrage von top agrar.         

Bewertung des BWE

Der Bundesverband WindEnergie widerspricht dieser Ansicht: „Der Zweck des Repowerings ist es, bestehende Standorte zu erhalten. Wenn dies aufgrund der technologischen Fortschritte, die die Anlagen in den vergangenen Jahren gemacht haben, unter einer restriktiven Regelung wie 2H nicht möglich ist, führt das den Gedanken des Repowerings vollkommen ad absurdum“, begründet ein Sprecher des Verbandes das.  Wenn seit Jahrzehnten etablierte Standorte aufgrund von Höhenbeschränkungen aufgegeben werden müssten, würden den Standortkommunen Einnahmen aus Pacht und Beteiligung wegbrechen.

Auch die Sorge, dass die Anlagen mit 5H näher an die Häuser rücken, teilt der BWE nicht: „Das Schutzniveau für die Anwohner wird dadurch nicht beeinträchtigt, da natürlich weiterhin die Abstände nach der TA Lärm etc. im Genehmigungsverfahren geprüft werden.

Was der BWE auch beobachtet: „Nicht alle Länder kommen ihren Verpflichtungen zur Ausweisung von Windenergiegebieten in der nötigen Geschwindigkeit nach. Zudem sind nicht alle ausgewiesenen Flächen auch tatsächlich voll nutzbar.“ So gäbe es zum Beispiel Konflikte mit militärischen Flugkorridoren oder Radarführungsmindesthöhen, die Teile der bereits bestehenden Flächenkulisse von der Nutzung ausschließen. Repowering in einem größeren Abstand als bisher zu ermöglichen, sei daher eine geeignete Möglichkeit, den Ausbau und die Modernisierung des Anlagenparks voranzutreiben.

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