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„Wasserbedarf für die Elektrolyse wird viel zu wenig berücksichtigt!“

Grüner Wasserstoff soll in Deutschland künftig in großen Mengen über die Spaltung von Wasser hergestellt werden. Doch reicht die Wassermenge überhaupt aus?

Lesezeit: 6 Minuten

Grüner Wasserstoff ist nach Ansicht der Bundesregierung ein Schlüsselelement, um Wirtschaftszweige wie die Chemie- oder Stahlindustrie unabhängiger von fossilen Rohstoffen zu machen. Nach der novellierten nationalen Wasserstoffstrategie will die Regierung bis 2030 zehn Gigawatt Elektrolysekapazität aufbauen. Das reicht voraussichtlich aus, um 30 bis 50 % des deutschen Wasserstoffbedarfs zu decken.

Elektrolyse bedeutet: Mithilfe von Strom wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Um 1 kg Wasserstoff herzustellen, sind folgende Energie- und Rohstoffmengen nötig:

  • Die benötigte Strommenge liegt je nach Elektrolyseurtechnik in etwa zwischen 40 und 80 kWh/kg.

  • Für 1 kg Wasserstoff werden rund 10 l Wasser als Rohstoff benötigt.

Laut Initiative GET H2 lassen sich mit einem Elektrolyseur mit 100 MW pro Stunde 1,9 t Wasserstoff erzeugen, der Wasserverbrauch würde bei 19 m3/h liegen. Die von der Bundesregierung geplante Leistung von 10 GW wäre die hundertfache Menge.

Die mit den 10 GW Elektrolyseleistung erzeugte Wasserstoffmenge (und entsprechend der Wasserverbrauch) hängt von den tatsächlichen Volllaststunden der Elektrolyseure ab:

  • Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) nimmt 2500 Stunden Laufzeit pro Jahr an. Bei dieser Menge würde der Wasserbedarf überschlägig bei 4,7 Mio. m3 liegen. Der DVGW gibt dagegen in einer Studie aus dem Jahr 2023 einen deutschlandweiten Wasserverbrauch für die Elektrolyse von ca. 7 Mio. m3 Reinstwasser/Jahr an. Dies entspricht ca. 9 Mio. m3 aus natürlichen Ressourcen gewonnenem Süßwasser.

  • Die Initiative GET H2 geht in ihrem Factsheet von 4000 Volllaststunden für Elektrolyseure aus. Damit würde der Wasserverbrauch bei 7,6 Mio. m3 pro Jahr liegen.

Erheblicher Kühlbedarf

Größer noch als der Verbrauch des Rohstoffwassers ist der Bedarf an Kühlwasser. Laut GET H2 liegt der Kühlwasserverbrauch einer Elektrolyse mit 100 MW bei bis zu rund 76 m³ pro Stunde. Inwieweit dieses Wasser verbraucht wird, hängt von dem Kühlsystem ab. Bei einer herkömmlichen Kreislaufkühlung gehen 51 m3 als Dampf in die Umgebungsluft, 25 m3 lassen sich zurückgewinnen. „Die Wärme lässt sich aber auch über Wärmetauscher auskoppeln und z.B. in einem Wärmenetz verwenden. Das würde den Kühlwasserbedarf erheblich reduzieren“; sagt die Wasserexpertin Dr. Florencia Saravia vom Engler-Bunte-Institut Wasserchemie und Wassertechnologie aus Karlsruhe.

Sorge um Wasser

Schon länger gibt es unter Experten Diskussionen darüber, wie sehr die Erzeugungskapazitäten von Wind- und Solarenergie in Deutschland ausgebaut werden müssen, um genügend zusätzlichen Strom für die Elektrolyseleistung bereitstellen zu können. Jetzt kommt zudem die Sorge um die Ressource Wasser dazu. „Wir Landwirte verfolgen die Entwicklung mit großer Sorge, weil unsere knappen Wasserressourcen grundsätzlich für die Wasserstofferzeugung und vor allen anderen Wassernutzungen zur Verfügung stehen sollen“, sagt Landvolkpräsident Dr. Holger Hennies, der sich in diesen Tagen mit einem Schreiben an alle niedersächsischen Bundestagsabgeordneten gewandt hat, um auf die Problematik aufmerksam zu machen.

In Folge des Klimawandels steige der Wasserbedarf aber für verschiedene andere Bereiche noch deutlich an, hier insbesondere der Bewässerungsbedarf von Feldern für die Nahrungsmittelerzeugung. „Politik und Wasserwirtschaftsverwaltung stehen daher in der Verantwortung, bei der Vergabe von neuen Nutzungsrechten die gesellschaftlichen Bedürfnisse an Wassernutzungen sehr sorgfältig abzuwägen“, gibt Hennies zu bedenken.

Kein Trinkwasser

Die Sorge hat DVGW im Jahr 2023 in einer Untersuchung aufgegriffen und kommt zu dem Schluss: Der Wasserbedarf für die Herstellung von grünem Wasserstoff mit Wasser als Rohstoff via Wasserelektrolyse in der „Gesamtbetrachtung“ entspricht nur einem kleinen Teil der Mengen, die andere Gruppen benötigen. Allerdings: Es gibt extrem große regionale Unterschiede. Verfügbarkeit und Qualität lokaler Wasserressourcen werden ein wichtiger Teil der Wasserstoffstrategie sein.

Alternativen gefragt

Ganz konkret wird der Wasserbedarf gerade in Sande im Landkreis Friesland. Hier entsteht in den nächsten Jahren das bis dato größte Wasserstoffprojekt in Deutschland: Die Friesen Elektra plant bis 2029 eine erste Ausbaustufe mit einer Leistung von 650 Megawatt, die bis in die 2030er-Jahre auf die geplante Größe von 2,4 Gigawatt ausgebaut werden soll. Pro Jahr sollen hier 400.000 t Wasserstoff produziert werden. Dafür werden rund 3,6 Mio. m3 Wasser benötigt. „Friesland ist eine sehr wasserreiche Region, sodass der Bedarf ganzjährig und aus verschiedenen Quellen nachhaltig gedeckt werden kann. Bevorzugt verwenden wir Oberflächenwasser, das in Friesland schon seit Jahrhunderten in einem komplexen Entwässerungssystem, den Sielen, gesammelt und in die Nordsee geschöpft wird“, so Friesen Elektra.

Inwieweit das Konzept umgesetzt werden kann, soll jetzt eine Analyse des zuständigen Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbandes (OOWV) zeigen. „Wir pumpen jedes Jahr 407 Mio. m³ Süßwasser aus der Oberflächenentwässerung in die Nordsee“, sagt Sven Ambrosy, Landrat im Landkreis Friesland und OOWV-Vorsteher. Dieses Wasser wäre für die Elektrolyse geeignet. „Wir haben zudem die ersten Multi-ReUse-Verfahren, um das Abwasser aus Kläranlagen nutzen zu können“, ergänzt er. Außerdem sollten, wo möglich, Entsalzungsanlagen für Meerwasser zum Einsatz kommen. „Das macht zwar den Wasserstoffpreis um 2 ct teurer, aber es ist ein entscheidender Punkt auch für die Akzeptanz“, sagt er.

Mit Blick auf die Politik mahnt er: „Wenn Länder oder der Bund Elektrolyseure finanziell fördern, sollten sie auch immer Wassermanagementsysteme im Blick haben. Denn das Problem der Wasserversorgung wird durch Klimaänderungen verschärfen und wird dafür sorgen, dass nicht überall, wo Strom vorhanden ist, auch Elektrolyseure möglich sind.“

Das Fazit des DVGW

  • Der Wasserbedarf für die Herstellung von grünem Wasserstoff via Elektrolyse entspricht nur einem Bruchteil der Mengen, die andere Nutzergruppen benötigen. Allein für die Beregnung von landwirtschaftlichen Flächen wurden im Jahr 2019 fast 450 Millionen Kubikmeter Rohwasser genutzt. In der Energiewirtschaft entwichen im selben Jahr mindestens 300 Millionen Kubikmeter aus den Kühltürmen der Kraftwerke durch Verdunstung

  • Nutzungskonflikte sind zu vermeiden durch Berücksichtigung der lokalen Standortbedingungen auch bzgl. Wasserverfügbarkeit, Auswahl geeigneter Kühlsysteme und Abwärmenutzung.

  • Je nach lokalen Standortbedingungen stehen neben natürlichen Süßwasserressourcen alternative Quellen zur Verfügung, z.B. Meerwasser oder Abwasser aus Kläranlagen.

  • Ob eine Elektrolyse vor Ort möglich ist, hängt also nicht nur vom lokalen Stromangebot, sondern auch von der Verfügbarkeit von Prozess- und Kühlwasser ab bzw. von der Möglichkeit, Wärme an ein lokales Netz abgegeben zu können.

Leistung und Produktion

  • Viele Elektrolyseure, die in den kommenden Jahren gebaut werden sollen, haben eine Leistung von 100 MW.

  • Mit 100 MW Leistung lassen sich bei Volllast 1,9 t Wasserstoff pro Stunde erzeugen.

  • Pro kg Wasserstoff liegt der Wasserbrauch als Rohstoff bei 10 l.

  • Der Wasserverbrauch liegt für 1,9 t bei 19 m3/h für Prozesswasser und 76 m3 /h für Kühlwasser.

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