Betriebe mit einem Umsatz von mehr als 600000 €/Wirtschaftsjahr dürfen voraussichtlich ab dem 1.1.2022 nicht mehr pauschalieren. Das deutete sich kurz vor Redaktionsschluss (17.11.2020) an. Außerdem will die Bundesregierung den Pauschalierungssatz von derzeit 10,7% jedes Jahr neu auf den Prüfstand stellen und bei Bedarf nachschärfen.
Stimmen Bundestag und -rat den neuen Regeln zu, müssten rund 7000 bis 10000 Betriebe Anfang 2022 in die Regelbesteuerung wechseln. Zwar erzielen rund 20000 Landwirte Jahr für Jahr einen Umsatz von mehr als 600000 €. Rund die Hälfte aus dieser Einkommensklasse versteuert ihre Umsätze jedoch ohnehin schon mit den Regelsätzen von 19 bzw. 7%.
Dass die Große Koalition neue Grenzen für die Pauschalierung zieht, kommt nicht überraschend. Brüssel kritisiert seit Jahren, dass zu viele Betriebe in Deutschland pauschalieren dürfen (aktuell 65%). Dabei sei die Methode lediglich für kleinere Betriebe gedacht, um diesen den Aufwand bei den Aufzeichnungen für die Umsatzsteuer zu ersparen. Um einen Showdown vor dem Europäischen Gerichtshof zu vermeiden, hat Berlin nun die neuen Regeln präsentiert.
Im Übrigen kann sich auch ein freiwilliger Wechsel in die Regelbesteuerung auszahlen, wenn Sie
- viel investieren, z.B. durch einen Stallbau. Denn dann bekommen Sie die Vorsteuer vom Finanzamt zurück. Selbst wenn Sie schon in den zurückliegenden Jahren einen Schlepper gekauft oder einen Stall gebaut haben, kann sich ein Wechsel noch auszahlen. Denn dann erhalten Sie auch die Vorsteuer aus zurückliegenden Investitionen teilweise zurück.
- eine geringe Wertschöpfung haben. Dann bekommen Sie womöglich mehr Vorsteuer vom Finanzamt zurück als Sie ausgeben. Das betrifft vor allem extensiv geführte Ackerbaubetriebe, Höfe mit einem hohen Anteil an Lohnarbeiten und Waldbauern.
Viehhalter, Ökobetriebe oder Landwirte, die Sonderkulturen anbauen, profitieren hingegen meistens von der Pauschalierung.
Einen Wechsel in die Regelbesteuerung können Sie bis zum 10. Januar eines Jahres für das Kalenderjahr davor beantragen. Achtung: Wechseln Sie, sind Sie fünf Jahre lang an die Regelbesteuerung gebunden.
Wollen Sie nicht zwangsweise in die Regelbesteuerung gedrückt werden, kann auch eine Betriebsteilung infrage kommen. Mehr dazu erfahren Sie in der nächsten top agrar.