Bürokratie in der Landwirtschaft: Ein nicht endendes Thema, das viel Arbeitszeit auf den Höfen frisst – oft mit überschaubarem Nutzen. Diese Ansicht hat sich im vergangenen Jahr auch endlich in der Politik durchgesetzt. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) versprach substanzielle Verbesserungen und die Bundesländer steuerten zudem fast 200 Vorschläge bei, mit denen Auflagen und Berichtspflichten für Landwirte reduziert werden sollen.
Aber was ist tatsächlich seitdem passiert? Nach Auffassung der Union so gut wie nichts. Auch die FDP-Bundestagsfraktion ist skeptisch und hat sich in einer Kleinen Anfrage bei der Bundesregierung erkundigt, was dran ist am versprochenen Bürokratieabbau. Die Antworten liegen top agrar vor.
BMEL: Kein deutsches „Goldplating“ bei EU-Vorgaben
Eine der wichtigsten Aussagen: Eigenen Angaben zufolge ist das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) in der In der 20. Legislaturperiode bei der nationalen Umsetzung von EU-Richtlinien aus dem Bereich des Landwirtschafts- und Umweltrechts in keinem Fall über eine 1:1 Umsetzung einer EU-Richtlinie hinausgegangen. Diese sogenannte „Goldplating“ ist seit Jahren Gegenstand von Kritik, da hiermit oft genug Wettbewerbsnachteile gegenüber Marktteilnehmern aus anderen EU-Ländern einhergehen, wo die Brüsseler Regeln nicht in gleicher Schärfe umgesetzt werden.
Bei den konkreten Maßnahmen zum Abbau von Bürokratie bleibt es aber überschaubar: So hat das BMEL für die Verordnung zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (BEV) die Verlängerung der Aufzeichnungsfristen gemäß § 10 Absatz 2 Satz 1 Düngeverordnung (DüV) von zwei auf 14 Tage eingereicht und eine Vereinfachung bei der Angabe von Allergenen und Zusatzstoffen in loser Ware.
Bürokratie eine „Daueraufgabe“
Ansonsten räumt das Agrarressort ganz allgemein ein, dass unnötige Bürokratie Ressourcen bindet, die alternativ anderweitig eingesetzt oder eingespart werden könnten. Das BMEL verfolge deshalb „konsequent das Ziel, Maßnahmen zum Abbau unnötiger bürokratischer Belastungen zu identifizieren und umzusetzen und dabei staatliche Aufgaben effizient, wirtschaftlich, bürgerfreundlich und in hoher Qualität zu erfüllen“. Der Bürokratieabbau sei als Daueraufgabe in die Prozesse des BMEL integriert, heißt es.
Gleichwohl bleibt das Ministerium unter anderem eine Antwort schuldig, was etwa die Bürokratiekosten des Green Deal angeht und kann auch nicht sagen, wie die Bevölkerung zum Goldplating steht. Immerhin: versucht das Agrarressort, absehbare Lasten der EU-Entwaldungsrichtlinie für Rinderhalter abzumildern, indem sie die damit verbundenen Berichtspflichten über eine Schnittstelle zur bestehenden HIT-Datenbank abdecken will.
Harzer: Maßnahmen längst nicht ausreichend
Aus Sicht der FDP-Agrarsprecherin Ulrike Harzer ist das und ähnliche Maßnahmen zwar lobenswert, aber längst nicht ausreichend. Sie sagt: „Der Bürokratieabbau muss dringend vorangetrieben werden, um die landwirtschaftlichen Betriebe von unnötigen Belastungen zu befreien.“ Zudem findet Harzer es „enttäuschend“, dass das BMEL keine Zahlen zu den Bürokratiekosten im eigenen Bereich nennen kann. Die Floskel „unnötige Bürokratie kostet Ressourcen“ helfe den Landwirten nicht weiter. Insbesondere die Umsetzung des Green Deal und die vielen widersprüchlichen Umweltauflagen erhöhten den bürokratischen Aufwand erheblich und bei der Harmonisierung dieser Vorschriften das das BMEL nach wie vor zu zögerlich. „Wir fordern mehr Tempo und vor allem eine radikale Vereinfachung und Digitalisierung der Regelungen“, so die FDP-Politikerin.
Ihr zufolge zeigt die Antwort des BMEL auch: „Ein bisschen Bürokratieabbau reicht nicht. Wir brauchen echte Veränderungen, die den Landwirten in der Praxis spürbar helfen. Die nächste Bundesregierung muss den Bürokratieabbau zu einer ihrer zentralen Aufgaben machen und den Landwirten echte Entlastungen bringen.“ Laut Harzer ist es an der Zeit, Bürokratieabbau nicht nur als symbolische Geste, sondern als echte Entlastung für die Landwirtschaft voranzutreiben.