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Bundestagswahl 2025 Maul- und Klauenseuche Gülle und Wirtschaftsdünger

topplus Exklusives Interview

Günter Felßner: "Der Rollenwechsel gehört bei mir zum Tagesgeschäft"

Günther Felßner soll im Fall eines Wahlsiegs der Union Bundelandwirtschaftsminister werden. Welche Positionen vertritt er zur Anbindehaltung, zum Artikel 148 GMO, zum Agrardiesel, zu Mercosur usw.?

Lesezeit: 19 Minuten

Herr Felßner, bis zur Bundestagswahl sind es nur noch wenige Wochen, wie schätzen Sie selbst Ihre Chancen ein, Bundesminister zu werden?
Felßner: Ich schätze die Chancen als sehr groß ein. Denn bundesweit liegt die Union im Moment in den Umfragen bei über 30 %, die CSU in Bayern sogar bei 43 bis 44 %. Sie bekommt damit von allen Parteien den stärksten Zuspruch der Bürger. Und dieser Zuspruch ist insbesondere getragen von Landwirten und Forstwirten und den Menschen im ländlichen Raum. Wenn sich der aktuelle Trend im Ergebnis der Bundestagswahl manifestiert, wird die Union auf jeden Fall das Landwirtschaftsministerium für sich beanspruchen.  

Zur Person

Günther Felßner hat Landwirtschaft gelernt und studiert. Mit seiner Frau und einem Mitarbeiter bewirtschaftet er einen 200 ha-Betrieb in Lauf bei Nürnberg, den er von Milchkühen auf Mastrinder umgestellt hat. Seit 2022 ist er Präsident des Bayerischen Bauernverbandes. Für die CSU ist Felßner bisher als Stadt- und Kreisrat kommunalpolitisch aktiv. Aktuell kandidiert er auf Platz 3 der CSU-Liste für den Bundestag. Er soll Agrarminister werden, wenn die CDU/CSU an die Regierung kommt.

Als Minister in Berlin könnten Sie nicht mehr die reinen Bauerninteressen vertreten, sondern wären qua Amt ja auch für Ernährung, Verbraucher und den ländlichen Raum zuständig. Wie würden Sie den Rollenwechsel vom Bauernverbandspräsidenten zum Bundesminister gestalten?
Felßner: Mir ist bewusst, dass das eine neue und grundlegend andere Rolle und Verantwortung wäre. Aber solche „Rollenwechsel“ zwischen der Interessenvertretung für die Bauern auf der einen Seite und der Arbeit im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger gehört für mich beinahe zum Tagesgeschäft. Ich mache seit 20 Jahren für die CSU Kommunalpolitik im Stadtrat in Lauf und im Kreistag im Landkreis Nürnberger Land. Dort bin ich der gesamten Bevölkerung gegenüber verpflichtet.
In meiner jetzigen Tätigkeit im Bauernverband arbeite ich natürlich vorrangig für die Interessen meiner Mitglieder. Mein Anspruch dabei ist aber, dass wir als Bauernverband auch Denkfabrik für die ganze Gesellschaft sind und gesamtheitliche Lösungen erarbeiten. Das heißt, die Anforderungen und Wünsche, die die Gesellschaft hat, wie regionales gutes Essen, regionale Energie, Dekarbonisierung der Wirtschaft, Naturschutz, Wasserschutz usw. denken wir schon immer mit. Insofern ist für mich keine radikale Veränderung in meiner Haltung und bei meinem Denken erforderlich. Ich glaube, dass tragfähige Lösungen immer allen dienen müssen und Lösungen keine Verlierer hinterlassen dürfen. Aber es wäre natürlich ein Wechsel in der Verantwortung.
Was ich auch beibehalte, ist mein Wertesystem. Ich bin und bleibe Bauer. Die Prägung, die ich aus meiner bäuerlichen Familie erhalten habe, die Bedeutung der Nachhaltigkeit, das legt man nicht ab.

Als Landwirt und ehemaliger Vertreter des Bauernverbandes würden Sie als Minister in Berlin unter besonderer Beobachtung der Medien stehen. Fühlen Sie sich für solche Angriffe gewappnet?
Felßner: Ich halte es für richtig, dass man Ministerien möglichst mit Leuten besetzt, die von dem Fachgebiet, für das sie Verantwortung übernehmen, Ahnung haben. Entweder dass sie lange politisch in diesem Bereich gearbeitet haben oder dass sie eine entsprechende fundierte Ausbildung haben. Insofern finde ich es spannend, dass wir in Deutschland nicht drüber diskutieren, wenn ein Minister in ein Ressort berufen wird, der nie großartig mit diesem Fachgebiet zu tun hatte. Der ist dann unverdächtig. Aber sobald ein Fachmann aus der Branche kommt, um die es geht, gehen Riesen-Diskussionen los. Vielleicht müssen wir diese Haltung mal überdenken
Mir ist bewusst, dass ich als Minister in Berlin noch mehr zur Zielscheibe werden würde wie jetzt als Verbandsvertreter. Dem fühle ich mich aber gewachsen. Ich möchte sogar einen Beitrag dafür leisten, dass wir trotz harter inhaltlicher Auseinandersetzung fairer und wertschätzend miteinander umgehen. Das erwarte ich und das möchte ich auch selbst bieten.

Ich halte es für richtig, Ministerien mit Leuten zu besetzen, die von dem Fachgebiet Ahnung haben."

Sie führen einen Landesbauernverband, haben aber noch keine größere Erfahrung im Umgang mit einer öffentlichen Verwaltung, geschweige denn mit einem Bundesministerium. Wie wollen Sie die Unterstützung der Beamten gewinnen, die jetzt drei Jahre von einem grünen Minister geführt wurden?
Felßner: Von meiner Verbandsarbeit kenne ich zwar den politischen Betrieb im Parlament oder in den Ministerien in Berlin, aber nicht die Häuser von innen. Davor habe ich auch Respekt. Auf der anderen Seite habe ich auch im Bauernverband irgendwann mal bei Null angefangen und die BBV-Gruppe, für die ich Verantwortung trage, hat immerhin rund 2500 Mitarbeiter. Neben dem Beruf Landwirt ist meine zweite Sozialisierung Fußballer. Als Mannschaftssportler ist man es gewohnt, schnell in Mannschaften anzukommen und dann gemeinsam etwas zu erreichen. Das ist die erste und wichtigste Grundlage des Erfolgs, sonst kannst du weder dich noch die Menschen um dich herum erfolgreich machen.
Ich bin auch dafür bekannt, dass ich sehr auf Menschen zugehe, auch auf Andersdenkende, und zwar offen und wertschätzend.  Daher glaube ich, es ist möglich, schnell in einem Ministerium anzukommen. Da sind sehr viele kompetente Mitarbeiter unterwegs. Ich glaube, dass sie danach lechzen, wieder eine wirklich zukunftsgerichtete Vision zu bekommen, wohin sich die Landwirtschaft in den nächsten 20 Jahre entwickelt, und zwar so, dass sie enormen Nutzen für unsere gesamte Volkswirtschaft stiftet und eine breite gesellschaftliche Unterstützung hat.

Ich glaube, dass die Ministeriumsmitarbeiter danach lechzen, wieder eine zukunftsgerichtete Vision zu bekommen, wohin sich Landwirtschaft in den nächsten 20 jahren entwickelt."

Sie kommen aus Bayern und bewirtschaften einen Betrieb mit 200 ha und 170 Mastrindern. Stehen Sie eher für den bayerischen Weg mit kleinen Strukturen und Diversifizierung oder für eine leistungsorientierte Landwirtschaft?
Felßner: Für beides. Ob man 100 Kühe hat oder 30 Kühe und 10 Fremdenzimmer und noch Lohnunternehmen dabei oder sonst noch diversifiziert ist oder vielleicht nur 5 ha bewirtschaftet und einen Job hat: Jeder von uns muss irre viel Leistung bringen. Und wie er es macht, das entscheidet jeder für sich. Aufgabe der Politik muss sein, dass sie einen Rahmen vorgibt und gleichzeitig die Freiheit lässt, dass Menschen ihren eigenen Weg gehen können.
Die Größe meines Hofes ist für einen Vollerwerbsbetrieb in Bayern nicht ungewöhnlich und im bundesweiten Verhältnis normal. Andererseits komme ich aus einem extrem kleinstrukturierten Landkreis. Im Bayerischen Bauernverband haben knapp drei Viertel  % unserer 135.000 Mitgliedsbetriebe weniger als 20 ha, bei 90 Prozent sind es unter 50 Hektar.  Ich mache also jeden Tag auch Politik für kleine Höfe. Ich weiß: Je kleiner die Einheiten sind, desto härter müssen die Menschen arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Ich will möglichst viele landwirtschaftliche Betriebe erhalten. Dafür braucht es eine Antwort, woher das Einkommen kommt. Das ist mein ureigenstes Ziel , für das ich seit 30 Jahren unterwegs bin.

Unter diesen Betrieben sind in Bayern auch viele Anbindehalter. Als BBV-Präsident haben Sie massiv gegen ein Verbot der Anbindehaltung von Kühen gekämpft. Bleiben Sie bei dieser Position, sollten Sie Minister werden?
Felßner: Natürlich. Jedem ist klar, dass die ganzjährige Anbindehaltung nicht die Haltungsform der Zukunft ist. Solche Ställe werden schon seit 40 Jahren nicht mehr gebaut. Das heißt: Diese Form der Tierhaltung läuft ohnehin aus. Es ist also nicht erforderlich, dass der Staat das verbietet. Ein Verbot würde nur dazu führen, dass die in Anbindung stehende Kuh unmittelbar in den Schlachthof geht. Darum hilft es der Kuh nichts, dem Staat nichts und auch dem Landwirt nichts, wenn der Staat sich hier einmischt.
Der Markt tut sein Übriges mit der Haltungsformkennzeichnung. Dauerhaft erhalten möchte ich die Kombihaltung, bei der die Tiere einen Teil des Jahres auf der Weide oder in Bewegung verbringen und den anderen im Anbindestall. Diese Haltungsform wird von den Verbrauchern akzeptiert und muss auch dauerhaft möglich bleiben.

Es ist nicht erforderlich, dass der Staat die ganzjährige Anbindehaltung von Kühen verbietet."

Bleiben wir bei der Milchviehhaltung. Bundeslandwirtschaftsminister hat ein Anhörungsverfahren zu Artikel 148 GMO gestartet, um die Milchviehhalter am Markt zu stärken. Der BDM findet es gut, der Bauernverband ist dagegen. Werden Sie das Gesetzgebungsverfahren stoppen?
Felßner: Klar ist, wir müssen alles tun, um Milchviehhalter am Markt zu stärken. Am Markt stärkt man Milchviehhalter dann, wenn sie sich erfolgreich organisieren und zusammenschließen können. Und nicht, wenn man Formalien vorschreibt. Ich weiß, dass es heute im Prinzip Standard ist, dass es schriftliche Verträge gibt, die diese Dinge enthalten. Und ich halte das auch für richtig. Ich halte aber auch die Freiheit für wichtig, dass Genossenschaften sich selbst organisieren können, ohne dass der Staat vorschreibt, wie sie arbeiten müssen. Sobald der Staat vorschreibt, wie Verträge geschrieben werden müssen, bringt das einen Zuwachs an Bürokratie und wirkt unter Umständen sogar kontraproduktiv. Wenn sich z. B. eine Molkerei im Voraus auf einen Preis verpflichten muss, dann wird sie eine Art Sicherheitsabschlag in die Bepreisung einbauen, wie man die Milch einkauft, um hinterher nicht drauf zu zahlen. Unter Umständen könnte das sogar den Milchpreis dann senken.
Zudem kam ein Gutachten zum Schluss, dass diese Regelungen zwar wirken würden, aber dass sie mehr kosten, als sie de facto nutzen. Das heißt, am Schluss steigt zwar der Preis um einen Cent, aber die Kosten sind zwei Cent höher und dann haben wir Erzeuger nicht profitiert. Deswegen halte ich es für nicht zielführend, diesen Weg mit Ordnungspolitik weiter zu verfolgen.

Die Tierhaltung liegt Ihnen sehr am Herzen. Um den Umbau der Tierhaltung zu finanzieren, hat die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) eine Erhöhung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Produkte vorgeschlagen. Sie haben sich zu diesem Vorschlag kritisch geäußert. Wie soll man dann stattdessen den Umbau der Tierhaltung finanzieren?
Felßner: Die Weiterentwicklung in Richtung mehr Tierwohl halte ich für wichtig und richtig und sie muss finanziert werden. Mit dem Borchert-Konzept liegt eine Roadmap vor, die aber zwei Regierungen in der Schublade verstauben haben lassen. Ich halte dieses Konzept für eine wichtige Grundlage, um den Umbau anzugehen und zu finanzieren. Das Konzept zeigt ja auch auf,  woher die notwendigen 4 bis 6 Mrd. € pro Jahr kommen sollen.
Entscheidend für mich ist: Tierische Produkte sollten nicht einfach verteuert werden. Die Wissenschaft sagt, dass tierische Produkte ein essenzieller Bestandteil einer gesunden und abwechslungsreichen Ernährung sind. Und deswegen macht es für mich keinen Sinn, innerhalb dieser Ernährungsration einzelne Bestandteile über verschiedene Mehrwertsteuersätze unterschiedlich zu bepreisen. Wir müssen vielmehr darüber reden, wie man Dinge einfach und in der Sache nachvollziehbar umsetzen kann. Der Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel sollte in jedem Fall einheitlich sein. Am Ende braucht es da immer eine politische Entscheidung diese Ausgaben über den Bundeshaushalt zu finanzieren, weil es eine Zweckbindung in der Verwendung der Mehrwertsteuer Steuer nicht gibt.

Gehen wir zum Thema Haltungskennzeichnung. Die Wirtschaft hat ein System installiert, das gut funktioniert. Minister Özdemir hat jetzt für Mastschweine eine staatliche Haltungskennzeichnung oben drauf gesetzt. Wollen Sie den Weg mit einer staatlichen Haltungskennzeichnung fortsetzen?
Felßner: Wir haben eine gut funktionierende privatwirtschaftliche Haltungskennzeichnung. Der Fehler, der von Özdemir umgesetzten staatlichen Haltungskennzeichnung ist, dass sie im Prinzip nicht in Einklang gebracht werden konnte mit der Haltungskennzeichnung, die die Wirtschaft bereits erfolgreich etabliert hatte. Zudem kam sie nur für Schweinefleisch und ist so am Schluss nur Stückwerk geblieben. So kann man das nicht machen.
Ich bin dafür, sich mit den Wirtschaftsbeteiligten zusammenzusetzen und eine verpflichtende staatliche Haltungskennzeichnung auf den Weg zu bringen, die schon vorhandenes nicht kaputt macht und den Verbrauchern bei der Kaufentscheidung noch mehr Information und Orientierung bietet. Ich glaube, das ist machbar! Neben einem staatlichen System für die Haltungskennzeichnung braucht es aber auch eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung. Das ist etwas, das Özdemir überhaupt nicht angepackt hat, obwohl es im Koalitionsvertrag vereinbart war. Haltung und Herkunft zu kennzeichnen, halte ich für richtig, weil der Verbraucher diese Transparenz möchte und für eine Kaufentscheidung auch braucht.

Sie waren einer der Köpfe der Bauernproteste. Der Auslöser dafür war die Abschaffung des Agrardiesels. Werden Sie in einer möglichen unionsgeführten Regierung für eine vollumfängliche Rückkehr zu der bisherigen Regelung sein?
Felßner: Entscheidend sind die Wettbewerbsbedingungen auf dem europäischen Binnenmarkt. Wenn die Rückerstattung wie geplant komplett abgeschafft würde, fahren die deutschen Landwirte den teuersten Diesel in der EU. Das kann und darf nicht sein. Es braucht aus meiner Sicht  eine Agrardieselrückerstattung, die sich daran orientiert, dass der Treibstoffpreis für die deutsche Landwirtschaft auf dem durchschnittlichen Niveau in der EU liegt. Das finde ich fair.
Dieses Vorhaben halte ich für wichtig und möchte es einlösen, weil sie es für den Fall einer Regierungsbeteiligung der Union versprochen wurde. Ich fühle mich verantwortlich dafür, das umzusetzen, weil ich es auch selber als Kopf der Bauerndemonstrationen gefordert habe.
Neben Agrardiesel und grüner Nummer brauchen wir auch eine Steuerfreistellung nicht-fossiler Kraftstoffe, damit auch das Klima profitiert. Dazu gehören der Biodiesel, das Rapsöl und hydrierte Pflanzenöle (HVO). Aber wir müssen sicherstellen, dass es sich um regionale biogene Produkte handelt. Die Treibstoffe sind da, HVO ist sofort mit der nächsten Tankfüllung in jeder Landmaschine nutzbar. Aber diese Alternative zu fossilem Treibstoff ist derzeit 10 bis 13 Cent/Liter teurer als Diesel. Wenn man den Unterschied noch über eine steuerlichen Anreiz abbaut, wäre das ein wichtiger Schritt, um die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft vielleicht als erste Branche CO2-neutral zu machen.

Eines Ihrer Kernanliegen ist die Transformation der Wirtschaft von fossilen zu biogenen Rohstoffen. Ist Deutschland beim Ausbau der Wind- und Solarenergie auf dem richtigen Weg?
Felßner: Ja, wir sind auf dem richtigen Weg, aber es wird nicht alles richtig gemacht und umgesetzt. Der Ausbau der Wind- und Solarenergie ist der richtige Weg, um aus der Abhängigkeit von fossiler Energie wegzukommen. Das sind die Energieerzeugungsformen, die sich anbieten. Das ist übrigens eine wahnsinnige Wertschöpfungschance für ländliche Räume. Aber nicht richtig ist, dass irgendwelche Projektierer und Investoren sich im Moment Freiflächen für Photovoltaik unter den Nagel reißen und weiter ein Großteil der Dächer leer sind. Das sind falsche Anreize. Wir müssen Fläche schützen, landwirtschaftliche Flächen sind essentiell wichtig, um schwarzen durch grünen Kohlenstoff zu ersetzen. Bevor die für Photovoltaik genutzt werden, müssen erst die Dächer gefüllt werden. Da braucht es eine klare Priorisierung.
Beim Wind müssen wir im Ausbau zügiger vorankommen. Wind ist eine flächensparende Erzeugungsform. Sie ist aber genau wie die Photovoltaik nicht grundlast- und nicht spitzenlastfähig.

Bayern ist nicht unbedingt der Musterknabe bei diesem Thema.
Felßner: Wenn du ein bisschen langsamer losläufst, musst du schneller spurten. Ich meine: Und das bekommt Bayern in den nächsten Jahren hin.

Ein wichtiges Thema für die Landwirte ist Biogas und Biomethan. Tausende Erzeuger stehen vor dem Aus, weil die jetzige Bundesregierung viel zu geringe Mengen für das EEG 2.0 ausgeschrieben hat und im Gegensatz zu Wasserstoff auch keine Strategie für Biomethan hat. Wie muss die neue Bundesregierung hier gegensteuern?
Felßner:  Die Ampelregierung war aus meiner Sicht in ihrem Handeln ein absoluter Gegner der Biomasse-Nutzung, egal ob als Energieträger oder Tierfutter. Biogasanlagen wurden im EEG zunehmend restriktiv bewertet. Überall wollte man Biomasse aus der Nutzung drängen, um stattdessen Flächen nicht mehr zu bewirtschaften. Kurz: Das Ding geht völlig in die falsche Richtung - und zwar aus rein ideologischen Gründen und unberechtigterweise. Denn Biomasse ist Kohlenstoff, der sich im biogenen Kreislauf bewegt. Und deswegen müssen wir auf Biomasse setzen. Das ist die einzige Stromerzeugungsform, die tatsächlich grund- und spitzenlastfähig ist. Diese Energieerzeugung kann man auch vom Übertragungsnetzentgelt freistellen, weil sie sie vor Ort für die Region produziert und keine Übertragungsnetze beansprucht.
Wir brauchen eine klare Perspektive für die bestehenden Biogasanlagen. Dass der Zubau neuer Anlagen hauptsächlich mit organischen Reststoffen bedient wird, das mag richtig sein. Aber die Anlagen, die wir jetzt schon haben und die im Übrigen auch noch billig Wärme erzeugen und Netze bedienen, die müssen erhalten und maßvoll weiterentwickeln.

Aber hier müsste schnell etwas passieren, weil schon in diesem Jahr viele Anlagen vom Netz gehen müssen.
Felßner: Es muss und es wird schnell etwas passieren. Der Politikwechsel kann ab 23. Februar 2025, 18 Uhr stattfinden.

Wir brauchen eine klare Perspektive für die bestehenden Biogasanlagen."

Sie haben gesagt, die Landwirte und die Landwirtschaft haben eine Schlüsselposition bei der Transformation zu biogenen Rohstoffe. In vielen Medien und auch in weiten Teilen der Gesellschaft wird die Landwirtschaft jedoch immer noch als Problem und Bremser beim Thema Umwelt- und Klimaschutz wahrgenommen, was die Bäuerinnen und Bauern sehr schmerzt. Was könnten Sie als Bundesminister tun, damit sich dieses Image dreht und Landwirte mit den Themen Umwelt- und Klimaschutz Geld verdienen können?
Felßner: Das ist in etwa das Dilemma , in dem wir uns in Bayern nach dem Volksbegehren befanden: Dieses Zerwürfnis und Misstrauen zwischen Gesellschaft, Politik und der Landwirtschaft. Die Landwirte fühlen sich an allem schuld, meinen sie machen alles falsch. Was muss man dann tun? Man muss eine neue gemeinsame Perspektive von Gesellschaft, Politik und Landwirtschaft schaffen, in einem Miteinander. Uns ist das in Bayern gelungen. Das Ergebnis war der Zukunftsvertrag Landwirtschaft. Das ist ein Gesellschaftsvertrag über die Frage, was trägt Landwirtschaft in Zukunft für unsere Lebensgrundlagen bei? Und sowas brauchen wir auch auf der Bundesebene. Wir haben in der ZKL eine gesellschaftliche Debatte in einer ganz breiten Art und Weise geführt. Auf dieser Grundlage muss jetzt ein Gesellschaftsvertrag geschürt werden. Wir haben in Bayern genau vier Monate dafür gebraucht. Im Bund hat man drei Jahre diskutiert und ist immer noch nicht fertig.

Die EU-Kommission verhandelt gerade mit Südamerika das Mercosur-Abkommen. Auch eine unionsgeführte Bundesregierung würde dem wohl zustimmen. Was müsste konkret geändert werden, damit ein solches Abkommen auch für die europäischen und speziell für die deutschen Landwirte vertretbar wäre?
Felßner: Wir Bauern sind Europäer, wissen um die Bedeutung von Exporten für unsere Volkswirtschaft und sind nicht gegen Handelsabkommen. Auch wir haben ja eigene Exportinteressen. Wir brauchen und wollen daher offene Märkte und sind am Abbau von Handelshemmnissen interessiert. Wir haben aber etwas gegen Handelsabkommen, wenn die Bedingungen unfair sind. Der Bauernverband ist nicht gegen Mercosur, sondern gegen den aktuell vorliegenden Agrarteil von Mercosur. Der soll nämlich ermöglichen, dass Produkte, die zu völlig anderen Produktionsstandards erzeugt worden sind, bei uns ohne Zölle eingeführt werden. Das halte ich nicht nur aus landwirtschaftlicher Sicht für untragbar, sondern auch aus Verbrauchersicht. Da werden Pflanzenschutzmittel und Medikamente eingesetzt, die bei nie zugelassen waren oder seit 20, 30 Jahren verboten sind. Das ist gefährlich. Fleisch und andere Lebensmittel oder Agrargüter aus Südamerika müssen auch im Produktionsprozess unseren Standards beim Tierwohl, im Naturschutz, im Regenwaldschutz usw. entsprechen. Und wenn das nicht sichergestellt ist, kann und darf ein Abkommen nicht unterzeichnet werden.
Sollte ich Mitglied einer Bundesregierung werden, werde ich diese Diskussion führen. Ich weiß aber auch um die wirtschaftspolitischen Erfordernisse in Deutschland und kann eins und eins zusammenzählen. Aber wir Bauern stehen nicht allein da, es gibt die Chance, den Agrarteil in der Umsetzung fair zu machen. Oder wenn sich diese Wettbewerbsbenachteiligung nicht verhindern ließe, dann muss es eine echte Kompensation für die europäischen Landwirte geben.

Es gibt Chancen, den Agrarteil von Mercosur in der Umsetzung fair zu machen."

Aktuell startet die neue EU-Kommission die Vorbereitungen für die nächste GAP. Wenn Sie Bundeslandwirtschaftsminister werden, könnten sie diese maßgeblich mitgestalten. Was muss unbedingt rein in die neue GAP?
Felßner: Dass die sichere Versorgung mit Lebensmitteln eine öffentliche Leistung ist. Dieses Verständnis haben wir so nicht mehr. Wenn von öffentlichen Leistungen die Rede ist, sind seit einigen Jahren nur noch Umweltleistungen gemeint. Doch spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine muss klar sein, dass eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln eine Notwendigkeit ist, die entsprechend unterstützt und honoriert werden muss. Das heißt, eine Basisprämie muss auf jeden Fall bleiben. Landwirtschaft kann Lebensmittel und regenerative Energie regenerativ erzeugen, kann dekarbonisieren und die Umwelt schützen. Agrarpolitik muss das Potenzial dieser Branche heben und diese Leistungen in der GAP honorieren. Und das Thema  Ernährungssicherung wird wegen der Kriege um uns herum und der weltpolitischen Lage leider jeden Tag wichtiger.

Eines der größten Probleme der Landwirtschaft sind die endlosen Dokumentations- und Meldepflichten. Der aktuelle Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat bisher nur sehr wenig davon vereinfacht bzw. abgeschafft, obwohl die Bundesländer 196 Vorschläge eingebracht haben. Was ließe sich aus Ihrer Sicht sofort abschaffen bzw. vereinfachen?
Felßner: Das ist z. B. die Entwaldungsverordnung und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Diese zusätzliche Regulierung braucht Deutschland nicht und die braucht Europa nicht. Das ist etwas, das kann man nicht besser machen oder verschieben. Das muss weg!
Man muss über die ganze EU-Taxonomie reden. Wenn Klimaschutz passieren solll, kann man das über eine klare Formel mit der CO2-Bepreisung. Darüber hinaus über alle Wirtschaftsbereiche nochmal wie Mehltau einen CO2-Administrationsaufwand zu legen, halte ich für grundlegend falsch.
Bürokratieabbau heißt für mich nicht bloß, die Umsetzung zu vereinfachen, zu digitalisieren usw. Das ist wie Grundbodenbearbeitung, die man sowieso machen muss. Bürokratieabbau heißt: Weg mit Regelungen, weg mit Dingen, die wir nicht brauchen, z. B. die Stoffstrombilanz. Auch die Umsetzung der GAP in Deutschland geht noch einfacher.

Cem Özdemir will die Stoffstrombilanz abschaffen und durch eine freiwillige Nährstoffbilanz für Betriebe ersetzen, die damit nachweisen können, dass sie gewässerschonend wirtschaften. Würden Sie dieses Vorhaben weiterführen?
Felßner: Ich bin der Überzeugung, wir brauchen Einzelbetriebsgerechtigkeit. Wir wissen ja auch, dass die Umsetzung, wie wir sie jetzt im Moment in Deutschland haben mit der Grundlage von Grundwasserkörpern aus der Wasserrahmenrichtlinie nicht die richtige Basis ist. Also brauchen wir ein besseres System. Besser ist es, in Nährstoffsalden und Nährstoffströmen zu denken. Dass wir einzelbetriebliche Nährstoffbilanzen rechnen, halte ich für vernünftig und fachlich nachvollziehbar.

Warum ist die Union momentan dagegen?
Felßner: Entscheidend ist, dasss wir dafür sorgen, dass wir auf den Flächen vernünftige Nährstoffsalden haben. Und wer das nachweist, der muss bei den anderen Auflagen außen vor sein. Denn der weist ja nach, dass er grundwasserschonend wirtschaftet. Das halte ich für richtig. Dass wir den  der gesamten Stoffstrom eines Betriebes dokumentiert werden muss, halte ich dagegen für falsch.


Herr Felßner, noch eine letzte Frage zum Thema Bürokratie. Kann es sein, dass wir hier ein Mentalitätsproblem in Deutschland haben, da unsere Verwaltungen sehr juristisch geprägt sein. Brauchen wir einen Mentalitätswechsel in der Verwaltung?
Felßner: Wir brauchen sogar einen Mentalitätswechsel in der ganzen Bevölkerung. Es ist nämlich nicht nur die Verwaltung. Es ist auch nicht nur die Politik. Es sind wir alle. Auch wir als Verbände haben immer wieder Forderungen gestellt. Wir brauchen hier oder da noch eine Ausnahme. Hier für kleine Betriebe, dort für Hanglagen, dort für schwierige Strukturen. Wir haben immer wieder die Ausnahme von der Ausnahme gefordert und dazu beigetragen, dass eine enorme Komplexität entstanden ist.  Das führt nämlich dazu, dass Gesetze, die eigentlich nur vier, fünf Seiten bräuchten, plötzlich 100 Seiten lang werden. Da müssen wir uns selbst an der Nase fassen und umdenken. Und wie schwierig das ist, und wie weit weg wir da sind, habe ich festgestellt, als ich zusammen mit Ministerin Kaniber die Gülle-App Bayern vorgestellt habe. Das Schöne daran ist: Man muss nichts aufschreiben, man muss die neuen Regelungen, wie bei der Straßenverkehrsordnung, nur einhalten und es gibt Stichprobenkontrollen. Und dann meldet sich ein Landwirt und fragt: „Und wie dokumentieren wir das jetzt?“ Das zeigt: Wir Landwirte denken selber schon so. Wir haben die letzten 20 Jahre immer mehr und immer mehr aufgeschrieben und dokumentiert und meinen, das geht fröhlich so weiter. Aber das müssen wir jetzt ändern. Und ich möchte einer sein, der bei diesem Thema vorausgeht.

Herr Felßner, vielen Dank für das Gespräch!

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