Bleiben wir bei der Milchviehhaltung. Bundeslandwirtschaftsminister hat ein Anhörungsverfahren zu Artikel 148 GMO gestartet, um die Milchviehhalter am Markt zu stärken. Der BDM findet es gut, der Bauernverband ist dagegen. Werden Sie das Gesetzgebungsverfahren stoppen?
Felßner: Klar ist, wir müssen alles tun, um Milchviehhalter am Markt zu stärken. Am Markt stärkt man Milchviehhalter dann, wenn sie sich erfolgreich organisieren und zusammenschließen können. Und nicht, wenn man Formalien vorschreibt. Ich weiß, dass es heute im Prinzip Standard ist, dass es schriftliche Verträge gibt, die diese Dinge enthalten. Und ich halte das auch für richtig. Ich halte aber auch die Freiheit für wichtig, dass Genossenschaften sich selbst organisieren können, ohne dass der Staat vorschreibt, wie sie arbeiten müssen. Sobald der Staat vorschreibt, wie Verträge geschrieben werden müssen, bringt das einen Zuwachs an Bürokratie und wirkt unter Umständen sogar kontraproduktiv. Wenn sich z. B. eine Molkerei im Voraus auf einen Preis verpflichten muss, dann wird sie eine Art Sicherheitsabschlag in die Bepreisung einbauen, wie man die Milch einkauft, um hinterher nicht drauf zu zahlen. Unter Umständen könnte das sogar den Milchpreis dann senken.
Zudem kam ein Gutachten zum Schluss, dass diese Regelungen zwar wirken würden, aber dass sie mehr kosten, als sie de facto nutzen. Das heißt, am Schluss steigt zwar der Preis um einen Cent, aber die Kosten sind zwei Cent höher und dann haben wir Erzeuger nicht profitiert. Deswegen halte ich es für nicht zielführend, diesen Weg mit Ordnungspolitik weiter zu verfolgen.
Die Tierhaltung liegt Ihnen sehr am Herzen. Um den Umbau der Tierhaltung zu finanzieren, hat die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) eine Erhöhung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Produkte vorgeschlagen. Sie haben sich zu diesem Vorschlag kritisch geäußert. Wie soll man dann stattdessen den Umbau der Tierhaltung finanzieren?
Felßner: Die Weiterentwicklung in Richtung mehr Tierwohl halte ich für wichtig und richtig und sie muss finanziert werden. Mit dem Borchert-Konzept liegt eine Roadmap vor, die aber zwei Regierungen in der Schublade verstauben haben lassen. Ich halte dieses Konzept für eine wichtige Grundlage, um den Umbau anzugehen und zu finanzieren. Das Konzept zeigt ja auch auf, woher die notwendigen 4 bis 6 Mrd. € pro Jahr kommen sollen.
Entscheidend für mich ist: Tierische Produkte sollten nicht einfach verteuert werden. Die Wissenschaft sagt, dass tierische Produkte ein essenzieller Bestandteil einer gesunden und abwechslungsreichen Ernährung sind. Und deswegen macht es für mich keinen Sinn, innerhalb dieser Ernährungsration einzelne Bestandteile über verschiedene Mehrwertsteuersätze unterschiedlich zu bepreisen. Wir müssen vielmehr darüber reden, wie man Dinge einfach und in der Sache nachvollziehbar umsetzen kann. Der Mehrwertsteuersatz für Lebensmittel sollte in jedem Fall einheitlich sein. Am Ende braucht es da immer eine politische Entscheidung diese Ausgaben über den Bundeshaushalt zu finanzieren, weil es eine Zweckbindung in der Verwendung der Mehrwertsteuer Steuer nicht gibt.
Gehen wir zum Thema Haltungskennzeichnung. Die Wirtschaft hat ein System installiert, das gut funktioniert. Minister Özdemir hat jetzt für Mastschweine eine staatliche Haltungskennzeichnung oben drauf gesetzt. Wollen Sie den Weg mit einer staatlichen Haltungskennzeichnung fortsetzen?
Felßner: Wir haben eine gut funktionierende privatwirtschaftliche Haltungskennzeichnung. Der Fehler, der von Özdemir umgesetzten staatlichen Haltungskennzeichnung ist, dass sie im Prinzip nicht in Einklang gebracht werden konnte mit der Haltungskennzeichnung, die die Wirtschaft bereits erfolgreich etabliert hatte. Zudem kam sie nur für Schweinefleisch und ist so am Schluss nur Stückwerk geblieben. So kann man das nicht machen.
Ich bin dafür, sich mit den Wirtschaftsbeteiligten zusammenzusetzen und eine verpflichtende staatliche Haltungskennzeichnung auf den Weg zu bringen, die schon vorhandenes nicht kaputt macht und den Verbrauchern bei der Kaufentscheidung noch mehr Information und Orientierung bietet. Ich glaube, das ist machbar! Neben einem staatlichen System für die Haltungskennzeichnung braucht es aber auch eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung. Das ist etwas, das Özdemir überhaupt nicht angepackt hat, obwohl es im Koalitionsvertrag vereinbart war. Haltung und Herkunft zu kennzeichnen, halte ich für richtig, weil der Verbraucher diese Transparenz möchte und für eine Kaufentscheidung auch braucht.