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Günther Felßner: "Das war physische und psychische Gewalt"

BBV-Präsident Günther Felßner galt praktisch als gesetzt für das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers. Nach einem Übergriff zog er sich aber zurück. Wir haben mit ihm über seine Gründe gesprochen.

Lesezeit: 14 Minuten

Vielen galt die Ernennung des bayerischen Bauernpräsidenten Günther Felßner zum nächsten Bundeslandwirtschaftsminister als nahezu sicher. Am vergangenen Montag (24. März) änderte sich das aber grundlegend. Eine Gruppe von Tierrechtsaktivisten verschaffte sich Zugang zu Felßners Hof, sie stiegen auf seinen Stall, zündeten Bengalos und entrollten ein Banner. Die Aktion versetzte Felßners Familie und Angestellte in Angst und hinterließ auch bei ihm tiefe Spuren. Felßner zog seine Kandidatur kurz danach zurück. Wir sprachen mit ihm über seine Beweggründe, die Koalitionsverhandlungen und seinen Rat an den künftigen deutschen Agrarminister.

„Der Dialog ist der Weg und die Gewalt ist die Sackgasse"

Herr Felßner, die Übergriffe auf Ihrem Hof und Ihr Rückzug von Ihren Ambitionen auf das Amt als Bundeslandwirtschaftsminister liegen jetzt einige Tage zurück. Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie heute?

Günther Felßner: Die Belastung ist nach wie vor spürbar. Die Verunsicherung und die Angst hat Einzug gehalten auf unserem Hof. Meine Frau, die im Zentrum des Angriffes dieser Terroristen stand, ist tief getroffen. Ich habe noch am gleichen Tag aus Berlin versucht, Seelsorge zu organisieren. Die hat auch stattgefunden über einen Pfarrer, der sich mit der Landwirtschaft auskennt und den wir gut kennen.

Meine Frau hat aber zwei Tage nach diesen Aktionen dennoch einen kleinen Zusammenbruch erlitten, sodass sie sich gestern (27. März 2025) in ärztliche Behandlung begeben hat. Sie ist jetzt auch bis auf Weiteres krankgeschrieben. Die Familie wird das jetzt auffangen und das wird sich auch alles wieder normalisieren. Aber das sind die ganz konkreten Auswirkungen.

Die Aktivisten stellen den Überfall auf Ihren Hof als harmlos dar. Könnten Sie noch einmal schildern, was am Montag bei Ihnen passiert ist?

Günther Felßner: Also die Aussage, dass das eine legitime Form der politischen Auseinandersetzung, des Protests und harmlos ist, ist eine Verdrehung der Tatsachen und verhöhnt die unmittelbar Betroffenen. Meine Frau und ein Mitarbeiter waren im Stall, wurden unter Druck und eingeschüchtert, für die beiden ging es in dem Moment um Leib und Leben. Wenn eine Tat solche Auswirkungen hat und jemand das dann noch rechtfertigen oder verharmlosen will, ist das menschenverachtend.

Der Ablauf war wie folgt: Ich war Teil des Verhandlungsteams der Union bei den Sondierungsgesprächen und bin am Montag früh mit dem Zug nach Berlin gefahren. Kurz vor zehn Uhr bei meiner Ankunft im Berliner Hauptbahnhof, hat mich über das Telefon der Hilferuf meiner Frau erreicht. Sie war im Stall, Rauch drang ein, die Stalltür ließ wegen des Transparents nicht öffnen und auf dem Dach waren Schritte zu hören.

Meine Frau hat mir am Telefon Folgendes geschildert: Sie und unser Mitarbeiter Martin waren beide im Stall, wo dort gerade Umbauarbeiten ablaufen, als sie draußen Stimmen gehört haben. Meine Frau hat aus der Tür im vorderen Tor geschaut und gesehen, dass vermummte Gestalten, etwa fünfzehn Leute, zugange waren, und ein Transparent ausrollen wollten. Sie hatten Leitern dabei und waren bereits auf unserem Grundstück.

Meine Frau hat sie aufgefordert: „Bitte verlassen Sie unser Grundstück, sonst rufe ich die Polizei." Diese Demonstranten haben sinngemäß gesagt: „Dann rufen Sie doch die Polizei”. Meine Frau hat erst die Polizei verständigt und dann mich.

Sie sagte: „Wir haben hier Leute, die vermummt vor der Stalltür stehen.
Günther Felßner

Sie sagte: „Wir haben hier Leute, die vermummt vor der Stalltür stehen. Wir hören gerade, dass die aufs Dach steigen mit den Leitern. Ich höre auch die Schritte auf dem Dach. Ich kann auch nicht mehr zum Tor raus, weil da eine Folie oder ein Transparent vor dem Tor hängt. Und jetzt gerade im Moment sehen wir, dass durch die Spaceboard-Lüftung Rauch ins Gebäude dringt von außen. Die Tiere laufen gerade in die letzte Ecke des Stalls.“

Ich habe dann sofort auch bei der Polizei angerufen und Hilfe organisiert, so gut ich eben aus der Ferne konnte. Man ist ja da hilflos in dem Moment, weil man ja weit weg ist. Ich habe auch die Seelsorge und Freunde angerufen, damit sie sofort auf den Hof kommen. Meine Teilnahme an den Vorbesprechungen der Verhandlung habe ich abgesagt.

Der ganze Vorfall hat etwa fünfzehn bis zwanzig Minuten gedauert. Dann hat mich meine Frau wieder angerufen und gesagt: „Die ziehen jetzt ab, die Polizei ist aber noch nicht in Sicht. Hoffentlich entwischen die jetzt nicht." Sie hat aber gesehen, dass die Aktivisten etwa hundert Meter vom Hof entfernt geparkt hatten. Dort wurden sie auch von der Polizei gestellt und dann die Personalien aufgenommen.

Meine Frau ist dann möglichst schnell mit dem Fahrrad zum pflegebedürftigen Schwiegervater zu uns ins Wohnhaus gefahren. Das ist knapp vierhundert Meter weg. Sie wusste natürlich, dass er die Sirenen gehört hat und sich Sorgen macht. Sie wollte ihm sagen, dass es ihr körperlich gut geht. Er wusste ja nicht, was los ist.

Das war ein entsetzlicher und aus meiner Sicht mit nichts zu rechtfertigender direkter Angriff auf die Gesundheit meiner Familie.

Das war ein entsetzlicher und aus meiner Sicht mit nichts zu rechtfertigender direkter Angriff auf die Gesundheit meiner Familie.
Günther Felßner

Haben Sie Strafanzeige gegen die Aktivisten erstattet und wie ist der Stand der polizeilichen Ermittlungen?

Günther Felßner: Dafür hatte ich in den ersten Stunden nach diesem Vorfall noch gar nicht den Kopf und laut Polizei musste ich auch gar keine Strafanzeige erstatten, weil das Vergehen scheinbar so eine Schwere und Tragweite hatte, dass der Staat von sich aus ermittelt.
Heute (28. März 2025) war die Polizei wieder vor Ort und hat nochmals Spuren gesichert. Ich habe den Eindruck, da wird alles gemacht, was möglich ist. Die geben sich die größte Mühe. Das sage ich an der Stelle, ich habe hohen Respekt und kann nur loben, wie gut wir hier betreut und auch abgesichert werden.

Die Polizei patrouilliert und meldet sich alle paar Stunden und erkundigt sich, ob alles in Ordnung ist. Mehr kann der Staat an dieser Stelle nicht tun.

 

Wie kann der Rechtsstaat künftig einen besseren Schutz vor solchen Aktionen bieten?

Günther Felßner: Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz. Das weiß ich, das weiß jeder. Das ist auch nicht die Frage. Wir werden auch diese Situation meistern. Das ist keine Frage für mich. Wir brauchen aber Zeit und Vertrauen und Menschen, die uns schützen. Im Moment wird alles dafür getan.

Und wenn man dann wieder rationaler denken kann, dann wird auch klar, diese Leute dürfen nicht recht behalten. Und da geht es mir nicht nur um inhaltliche Fragen der Tierhaltung.

Ich habe vorhin das harte Wort „Terrorist" verwendet. Das sage ich nicht jetzt nur so, weil ich sauer bin, sondern ich will mich richtig ausdrücken. Laut Definition ist ein Terrorist jemand, der seine Überzeugung oder Ideologie mit psychischer oder physischer Gewalt durchsetzen will. Und genau das ist hier passiert.

Laut Definition ist ein Terrorist jemand, der seine Überzeugung oder Ideologie mit psychischer oder physischer Gewalt durchsetzen will. Und genau das ist hier passiert.
Günther Felßner

Das war physische und psychische Gewalt. Meine Frau und mein Mitarbeiter haben psychische Gewalt erfahren. Auch physische, das Eindringen auf den Hof, das Besetzen des Daches, das Anzünden von Feuer und Bengalos. Das ist für mich Terrorismus. Und das ist eine Gefahr nicht nur für die Familie, die es betrifft, sondern das ist eine Gefahr für unsere Demokratie und unseren Staat. Und deswegen, glaube ich, geht es weit darüber hinaus, was mir und meiner Familie widerfahren ist.

Aktivisten werde ich nicht mehr sagen. Das hört sich so harmlos an. Kriminelle wäre treffender, weil es ja krimineller Übergriff war. Aber letztlich ist der Begriff Terrorismus der richtige. Deswegen ermitteln jetzt auch Polizei und Staatsschutz.

 

Leiten Sie daraus auch eine politische Lehre ab?
Günther Felßner: Mich beschäftigt die Frage: Soll das künftig die Form sein, wie wir in unserer Demokratie miteinander umgehen und zusammenleben?

Soll das künftig die Form sein, wie wir in unserer Demokratie miteinander umgehen und zusammenleben?
Günther Felßner

Was ist denn passiert? Eine politische Partei hat eine Liste aufgestellt – ich habe auf Platz drei dieser Liste kandidiert – mit der Aussage: „Wenn es der Wähler möchte und wenn es die demokratischen Mehrheiten hergeben, dann würde ich das Landwirtschaftsministerium, diesen für uns Landwirte und die gesamte Gesellschaft wichtigen Job als Agrarminister übernehmen".

Das war ein Angebot an den Wähler. Und die Wählerinnen und Wähler, 50 Millionen Wahlberechtigte haben am 23. Februar gesprochen. Und jetzt sagen da 15 Leute: „Nö, diese demokratische Entscheidung und den Lauf der Dinge, das wollen und akzeptieren wir nicht. Wir setzen Gewalt ein, um unseren eigenen Willen durchzusetzen. Wir akzeptieren nicht, was auf Grundlage dieser demokratischen Wahl passiert.“

Wenn solche Aktionen Erfolg haben, ist das eine bittere Pille für unsere repräsentative Demokratie. Hinzu kommt dann das Gefühl, dass die gewonnen haben. Das hatte meine Frau auch als Erstes gesagt. Sie meinte zu mir: „Du solltest nicht in Berlin aufgeben. Wir stehen dahinter, wenn du das in Berlin machen möchtest. Wir rüsten unseren Stall auf und so weiter." Aber ich habe entschieden, dass ich das meiner Familie nicht zumuten will und kann.

Sie treten für den Dialog mit den gesellschaftlichen Gruppen ein, die der Landwirtschaft kritisch gegenüberstehen. Hat sich durch die Vorfälle Ihr Verständnis für Tierschützer verändert?

Nein. Ich sage jetzt vielleicht etwas Unerwartetes. Mein Verständnis ist, dass der Dialog jetzt noch wichtiger ist, denn der Dialog ist der Weg und die Gewalt ist die Sackgasse. Ich werde auch weiterhin mit den Menschen, die gedanklich in einer Sackgasse stecken, ins Gespräch gehen. Und deswegen werde ich auch die Kraft aufbringen, mit Leuten, die eine völlig andere Meinung haben, die sogar Gewalt gegen mich anwenden, in den Dialog zu treten.

 

Sind Vertreter dieser Tierschutzorganisation an Sie persönlich herangetreten?

Günther Felßner: Ich kannte von Animal Rebellion bislang nur den Namen. Es gab vorher keinen Kontakt, und hinterher auch nicht.

Ich kannte von Animal Rebellion bislang nur den Namen. Es gab vorher keinen Kontakt, und hinterher auch nicht.
Günther Felßner

Es war wohl nur die Tatsache, dass ich bereits als Minister gehandelt wurde, dass die öffentliche Aufmerksamkeit groß war und ist. Und wenn sie mit mir reden, dann funktionieren ja ihre Klischees vielleicht gar nicht mehr, dann hätten sie einsehen müssen, dass ich kein „Tierausbeuter“, „Lobbyist“ oder „Umweltsünder“ bin.

Eins irritiert mich aber wirklich: Diese Gruppe hat in unserer regionalen Zeitung, den Nürnberger Nachrichten, eine Dreiviertelseite bekommen mit dem Titel „Aktionsmethoden“. Gemeint waren die Bengalos, der Rauch, das Erstürmen des Stalldaches und so weiter. Das kann man aus journalistischer Blickrichtung natürlich machen, aber das ist Sensationsgier.

Mich hat das massiv getroffen, zumal ich für den Folgetag bereits ein Treffen und ein Interview mit einem Reporter der „Nürnberger Nachrichten“ vereinbart hatte. Ich habe dem Reporter am Telefon gesagt, dass so ein Artikel für mich nach Rechtfertigung terroristischer Aktivitäten klingt und dass damit für mich eine rote Linie überschritten ist. Trotzdem habe ich den Journalisten zum Kaffee eingeladen und habe mit ihm gesprochen und den Stall besucht.

Ich glaube an den Dialog und ich will auf die Leute zugehen – gerade auch auf Leute, die nicht meiner Meinung sind. Das gehört zu einer Demokratie dazu, ansonsten nimmt sie Schaden.

Renate Künast schrieb am 25.3. auf „X“, Ihre Erklärung habe einen „Beigeschmack“. Immerhin habe es ja die Bauernproteste gegeben mit Galgen und angeblichen Drohungen von DBV-Präsident Rukwied. Was würden Sie Frau Künast darauf antworten?

Günther Felßner: Nehmen wir das Beispiel Robert Habeck und den Vorfall an der Fähre in Schlüttsiel. Ich habe das nie gutgeheißen und das hatte auch nichts mit dem Bauernverband zu tun. Derartige Vorfälle müssen zudem in der richtigen Relation betrachtet werden. Robert Habeck konnte nicht von einer öffentlichen Fähre auf einen öffentlichen Anlandesteg aussteigen. Auch das kann Ängste auslösen, das verstehe ich.

Solche Aktionen zu vergleichen mit dem, was bei mir zu Hause passierte, ist aber nicht richtig. Bei mir ging es nicht darum, ob ich aus der Straßenbahn aussteigen kann oder nicht. Bei mir wurde kriminell und bewusst in die Privatsphäre eingedrungen. Ein Bauernhof ist nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch Lebensbereich. Stellen Sie sich einmal vor, Landwirte würden bei einem Politiker aufs Garagendach klettern, Bengalos anzünden und hätten gesagt, „das ist jetzt unsere Form der Kommunikation“.

Wir haben die mediale Berichterstattung nach der Aktion am Fährhafen erlebt. Die hat ganz Deutschland eine Woche lang beschäftigt. Das bei mir daheim hat aus meiner Sicht eine andere Dimension. Die gesundheitlichen Folgen für meine Frau sind real. Ich bin gespannt, ob darüber jetzt auch so intensiv diskutiert wird.

Wann haben Sie den Entschluss gefasst, sich von der Kandidatur zum Bundeslandwirtschaftsminister zurückzuziehen?

Günther Felßner: Da müsste ich in den Fahrplan der Bahn schauen. Der Anruf meiner Frau erreichte mich kurz vor dem Einfahren in den Berliner Hauptbahnhof. Mein erster Gedanke war, „wenn die meiner Frau so etwas antun, ist sofort Schluss“. Also ja, dieser Moment war einschneidend für mich.

 

Gab es eigentlich vorher Widerstand gegen Ihre Kandidatur?

Günther Felßner: Die Frage nach dem politischen Rückhalt habe ich in den letzten Tagen schon öfter gehört und als „Schwachsinn“ zurückgewiesen. Der Begriff ist vielleicht ein bisschen hart, aber an der Sache ist halt nichts dran – im Gegenteil. Ich habe vor diesem Angriff unglaublich viel Zuspruch aus der Agrarbranche und aus der CSU bekommen. Danach vielleicht sogar noch mehr.

Das gilt auch für Markus Söder. Er hat mir jederzeit volle Rückendeckung gegeben und auch alles an Unterstützung zugesichert, damit ich bei meiner Kandidatur bleiben kann. Er hat aber auch gesagt, „wenn du und deine Familie wirklich zu dem Schluss kommen, dass es nicht gut ist, dann werde ich es akzeptieren“. Das fand und finde ich menschlich hochanständig.

Eine Last ist, dass ich nun die Erwartungen dieser vielen Menschen nicht erfüllen kann. Das hätte ich sehr gern getan und das ist die zweite bittere Pille, die ich schlucken muss.

Wer könnte Ihnen nachfolgen? Muss es jemand von der CSU oder besser noch vom Fach sein?

Günther Felßner: Nach dem Vorfall hatte ich noch keine Zeit, mir um diese Frage wirklich Gedanken zu machen. Ich bin auch nicht in der Position, Markus Söder Ratschläge zu geben.

Ich hoffe aber, dass Der- oder Diejenige aus dem Agrarministerium heraus das ganze Fachwissen bündelt, alle Stakeholder an den Tisch holt und aus diesem Dialog heraus gute politische Entscheidungen gestaltet. Dieser Ansatz muss von wem auch immer ganz stark gelebt werden.

 

Nur zur Klarstellung: Bleiben Sie Präsident des Bayerischen Bauernverbandes?

Günther Felßner: Dieses Ehrenamt liebe ich so wie ich das politische Amt geliebt hätte. Ich habe in den vergangenen Tagen auch viel Nestwärme aus dem Verband spüren dürfen. Deshalb gibt es da für mich überhaupt keine Diskussion. Ich brenne weiter dafür die Interessen, die Probleme, die Wünsche und die Visionen der Bäuerinnen und Bauern in die Politik einzubringen. Das macht mir Riesenfreude, das halte ich für enorm wichtig und das möchte ich gern weiterhin tun.

Ich brenne weiter dafür die Interessen, die Probleme, die Wünsche und die Visionen der Bäuerinnen und Bauern in die Politik einzubringen. Das macht mir Riesenfreude, das halte ich für enorm wichtig und das möchte ich gern weiterhin tun.
Günther Felßner

 

Das Papier der Arbeitsgruppe Agrar im Rahmen der Koalitionsverhandlungen liegt inzwischen vor. Sie haben daran mitgewirkt. Wieviel davon trägt Ihre Handschrift?

Günther Felßner:  Da saßen sechzehn Leute am Tisch, also mindestens ein Sechzehntel. An manchen Stellen konnte ich mich auf jeden Fall einbringen und das kann man vielleicht in dem Dokument auch erkennen. An anderen Stellen waren Kompromisse nötig. Aber ich glaube, es ist eine sehr geeignete Grundlage, die auch der Regierung später die nötigen Spielräume lässt, um gute Politik zu machen.

 

Im Vorfeld hatten Branchenverbände dringend um eine Ausnahme von weiteren Mindestlohnanhebungen gebeten. Nun sieht es so aus, als ob die 15 €/h für alle kommen, auch für Gemüse- oder Spargelbauern. Ist das eine gute Idee?

Günther Felßner: Als bayerischer Bauernpräsident halte ich 15 € Mindestlohn für das Todesurteil einer Reihe von Sonderkulturbetrieben in der Landwirtschaft, egal ob das der Hopfen ist oder der Wein-, Obst- und Gemüsebau.

Als bayerischer Bauernpräsident halte ich 15 € Mindestlohn für das Todesurteil einer Reihe von Sonderkulturbetrieben in der Landwirtschaft, egal ob das der Hopfen ist oder der Wein-, Obst- und Gemüsebau.
Günther Felßner

Auch für den Öko-Landbau wäre das fatal. Auf diesem Lohnniveau werden bei uns nicht nur Arbeitsplätze und die regionale Lebensmittelerzeugung wegfallen, sondern dieselbe Arbeit wird dann anderswo gemacht – und zwar zu deutlich niedrigeren Sozial- und Umweltstandards und für wesentlich weniger Geld.

Damit ist den Menschen genauso wenig geholfen, wie der regionalen Erzeugung und den Bauern in Deutschland. Das ist nicht umsetzbar, deshalb brauchen wir eine Ausnahme. Das ist die Position des Deutschen und des Bayerischen Bauernverbandes und der Vertreter der Sonderkulturbetriebe.

 

Was würden Sie dem nächsten Bundeslandwirtschaftsminister als Rat auf den Weg mitgeben?

Günther Felßner: Wir müssen uns in Europa so organisieren, dass wir unsere Ernährung in den eigenen Händen behalten, unsere Energieversorgung sollte regenerativ aus den ländlichen Räumen für Stadt, Land und Wirtschaft.

Wir müssen uns in Europa so organisieren, dass wir unsere Ernährung in den eigenen Händen behalten.
Günther Felßner

Dass wir also sowohl bei Lebensmitteln als auch Energie möglichst unabhängig vom Ausland werden. Biomasse muss künftig Erdöl und fossile Rohstoffe ersetzen, zum Beispiel in Kunststoffen. Dafür brauchen wir eine größere grüne Ernte.

Und um das alles langfristig zu sichern, muss der Schutz von Boden, Luft, Wasser und Artenvielfalt gewährleistet sein. Kaskadennutzung und Tierhaltung sind wichtige Bestandteile davon. Und ja, ich bleibe dabei: Ein Nutztier ist klimaneutral. Die Tierhaltung mit fossilen Anteilen noch nicht, das Tier aber schon. Deswegen braucht es einen komplett anderen Blick auf die Nutztierhaltung.

Das ist vielleicht eine vergleichsweise hohe Flughöhe, aber so verstehe ich eine nachhaltige Agrarpolitik. Es würde mich sehr freuen, wenn der nächste Minister oder die nächste Ministerin diese Impulse aufnehmen und einen solchen Kurs einschlagen würde. Ich werde das aus meiner Position heraus konstruktiv begleiten.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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