Ein Interview mit Baden-Württembergs Agrarminister, Peter Hauk (CDU), der für das Jahr 2025 den Vorsitz bei der Agrarministerkonferenz (AMK) der Länder übernommen hat.
top agrar: Kurz vor der Bundestagswahl haben Sie zu Jahresbeginn den Vorsitz bei der Agrarministerkonferenz übernommen. Lähmen die politisch unsicheren Zeiten die Kompromissfindung?
Hauk: Nein, ich glaube nicht. Die Tatsache, dass die Agrarministerkonferenz, wenn sie Entscheidungen trifft, nur konsensual erfolgen kann, gewährleistet, dass man immer auf alle Strömungen eingehen muss. Es gibt Mehrheitswünsche, aber am Ende können Entscheidungen in der AMK nur einstimmig sein.
Welche Akzente wollen Sie persönlich als Vorsitzender der AMK 2025 setzen?
Hauk: Ein Schwerpunkt ist 2025 natürlich die Ausrichtung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). In der zweiten Jahreshälfte wollen wir für die Grundstrukturen eine Gemeinsamkeit der Länder herstellen. Bisher ist uns das bei jeder neuen Gemeinsamen Agrarpolitik gelungen. Da müssen alle ein Stück weit loslassen.
Und das geht in Wahlkampfzeiten, dass alle loslassen?
Hauk: Der Wahlkampf geht noch vier Wochen, über die GAP reden wir deutlich länger. Der Schwerpunkt wird vor allem in der zweiten Jahreshälfte sein. Es lohnt sich aber, in den kommenden Wochen genau hinzuschauen, wer welche Pläne für die Landwirtschaft hat. Das wird für die GAP und die weiteren Beratungen wichtig sein.
Der Bürokratieabbau beschränkt sich nicht auf ein Ministerium.
Der nächste Bundeslandwirtschaftsminister könnte von der CDU bzw. CSU kommen. Welche Folgen hätte das für die Abstimmung unter den Ländern in der AMK und im Bundesrat?
Hauk: Man muss jetzt erstmal dafür kämpfen, dass es zu einem Regierungswechsel kommt. Ich kämpfe für die CDU und einen Wechsel, der unseren Bauern entgegen kommt. Wir brauchen wieder eine pragmatischere Politik, die auf die gute fachliche Praxis setzt. Ein Hauptthema der Bauernproteste, die vor einem Jahr stattfanden, war die Bürokratie.
Der aktuelle Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir entschuldigt sich, indem er sagt, dass die meisten der Bürokratieabbauvorschläge sich nicht an das Bundeslandwirtschaftsministerium richten. Der Bürokratieabbau beschränkt sich natürlich nicht auf ein Ministerium, wir müssen in allen Lebensbereichen erreichen, dass wir die zum Teil hohen Hürden abbauen. Aber als Bundeslandwirtschaftsminister muss man auch die anderen Politikbereiche im Blick haben, die Kollegen überzeugen und versuchen Lösungen zu finden und keine Ausreden.
Die Länder haben für den Agrarsektor eine Liste mit bis zu 200 Vorschlägen für einen Bürokratieabbau erstellt. Was sind für Sie die wichtigsten Maßnahmen, die Sie jetzt 2025 umsetzen wollen?
Hauk: Das Wichtigste ist das Düngegesetz. Der Bund hat den Vermittlungsausschuss angerufen, nachdem er mit seinem Gesetzesentwurf krachend im Bundesrat gescheitert ist. Die Stoffstrombilanz sollte demnach ersetzt werden durch eine Nährstoffbilanz. Egal ob es am Ende Stoffstrombilanz oder Nährstoffbilanz heißt, es bedeutet ein Mehr an Bürokratie für den Landwirt. Wir sind mit dem Willen reingegangen, dass wir möglichst schnell was hinbekommen. Die ersatzlose Abschaffung der Stoffstrombilanz wäre ein wichtiges Signal und ein gutes Beispiel für die Entbürokratisierung gewesen.
Ginge es nach der Union, gäbe es weder eine Stoffstrom-, noch eine Nährstoffbilanz.
Die Union hat die Gespräche aber verlassen und es bleibt jetzt alles wie es ist: Die Betriebe müssen ihre Stoffstrombilanzen vorlegen. In den Roten Gebieten müssen sie weiterhin minus 20 Prozent Stickstoff düngen, egal ob sie gewässerschonend arbeiten oder nicht. Wie lange dauert die von Ihnen versprochene Abschaffung der Stoffstrombilanz nun?
Hauk: Wenn es nach der Union gegangen wäre, gäbe es weder eine Stoffstrom-, noch eine Nährstoffbilanz. Wir haben die Gespräche beendet, weil wir keine faulen Kompromisse auf dem Rücken der Bauern machen. Nach der Wahl braucht es eine Lösung, ich gehe davon aus, dass wir bis zur Jahresmitte deutlich weiter sind. Ob wir gesetzgeberisch schon durch sind, ist die Frage. Aber das wird eine der ersten Maßnahmen sein.
Wir werden unmittelbar nach der Bundestagswahl länderseitig, und zwar parteienübergreifend, eine Arbeitsgruppe einsetzen, die auch die Monitoringverordnung vorbereitet. Das ist der Baustein im Düngungsgesetz, den wir brauchen. Da sind die Erfahrung und die Kompetenz der Länder bei der Umsetzung wichtig. Denn wir sind es am Ende, die es realisieren müssen. Wir werden dem Bund Vorschläge liefern, mit denen er keine Bauchlandung im Bundesrat erlebt.
Unser Ziel ist, bis zu Jahresmitte ein Gesamtpaket zu schnüren.
Gewässerschonend wirtschaftende Betriebe warten auf Ausnahmen von den Düngeeinschränkungen in den Roten Gebieten. Wie und bis wann wollen Sie das hinbekommen?
Hauk: Wir werden uns ein Mischsystem überlegen, dass wir den Betrieben an die Hand geben, sodass auch betriebsbezogene Ausnahmen oder flächenbezogene Ausnahmen möglich sind. Beides ist denkbar. Unser Ziel ist, das alles bis zu Jahresmitte zu haben und ein Gesamtpaket zu schnüren, sodass wir zügig in das Gesetzgebungsverfahren eintreten können.
Wir haben in Baden-Württemberg ein System im Wasserschutz, das mit Anreizen funktioniert und gemonitort wird durch die Wasserbehörden. Sie erhalten ein enges Grundwassermessstellennetz, das müsste bundesweit noch ein Stück weit verdichtet werden, zumindest in den roten Gebieten. Damit hat man einen ständigen Überblick, wie sich die Situation im Grundwasser darstellt.
Das Zweite ist, dass wir dann auch regelmäßig Bodenproben ziehen, staatlicherseits: Im Oberboden, in 30 cm Bodentiefe, in 70 cm Bodentiefe. Die Bodenproben geben Aufschluss über die Bewirtschaftung. So können Empfehlungen mit den Landwirten gemeinsam erstellt werden, wie dann zu verfahren ist. Wir dürfen die Betriebe beim Monitoren nicht allein lassen. Es ist nicht nur eine Frage der Bilanzierung, sondern der Behandlung von Kulturen. Pauschale Vorgaben sind immer problematisch und Kalenderwirtschaft erst recht.
Beim GAP-Agrarantrag hat es zuletzt viele Änderungen gegeben und 2025 wird es wieder neue Vorschriften geben. Wie wollen Sie die Betriebe für eine erneute Reform nach 2027 gewinnen?
Hauk: Die Gemeinsame Agrarpolitik wird und muss sich weiterentwickeln. In der Vergangenheit war das immer verbunden mit weiteren Auflagen, weiteren Beschränkungen in der Betriebsführung und einem höheren Maß an Bürokratie. Hier brauchen wir eine Trendwende. Eine Weiterentwicklung kann auch darin liegen, Bürokratie spürbar abzubauen.
Flächenbezogene Regelungen sind bei den Ländern besser aufgehoben.
Heißt das, GLÖZ- und Öko-Regelungen kommen wieder weg? So wie es teilweise jetzt schon in Anträgen zwischen den Länderagrarministern in Deutschland verhandelt wird?
Hauk: Die Weiterentwicklung muss gut überlegt sein. Wenn man mehr ökologische Regelungen will, dann ist es kein guter Weg zu sagen, ich mache Öko-Regelungen auf Bundesebene. Sobald es flächenbezogene Regelungen sind, sind die bei den Ländern besser aufgehoben. Die Länder können die Öko-Regelungen dann nach ihrem Bedarf justieren.
Der Bund könnte ein paar von den GLÖZ-Regelungen raus nehmen und Themen wie des Risikomanagement bundesweit regeln. Ob das Versicherung heißt oder ob das Fondslösungen sind, bleibt zu klären. Auch die Unterstützung des Biolandbaus und der Junglandwirte könnte man bundesweit regeln.
Der zweite Punkt ist das gesellschaftliche Interesse an der ökonomischen Weiterentwicklung. Das wir dezentrale Strukturen erhalten und die Ernährungssicherheit und die regionale Produktion in den Vordergrund stellen. Es ist auch Zielsetzung, dass sich die Agrarpolitik nicht in eine Industrialisierung zu Großkonzernen entwickelt. Wir brauchen regionale Wirtschaftsstrukturen und mittelständische Betriebsstrukturen, nicht nur in der Verarbeitungsindustrie, sondern eben auch in der Produktion.
Der EU-Agrarhaushalt ist sehr umkämpft. Müssen die Länder mehr Geld in die Agrarpolitik stecken, weil aus der EU nicht mehr kommen wird?
Hauk: Der EU-Agrarhaushalt ist umkämpft, das war er schon immer. Dass wir auch Landesgelder in die Hand nehmen, machen wir Südländer und die Sachsen bereits in erheblichem Umfang vor. Ich glaube, dass das ein richtiger Verantwortungsweg ist. Aber das geben manche Länderhaushalte so nicht her. Perspektivisch muss man schon dafür kämpfen, dass mehr Länder das entsprechend tun. Das Thema Landwirtschaft wird in den Ländern wieder eine größere Rolle spielen, wenn sie die Kompetenzen haben, entsprechend zu wirtschaften.
Dass der Agrarhaushalt auf europäischer Ebene ausgeweitet wird, ist eher nicht zu erwarten. Den Europäern ist aber seit dem Ukraine-Krieg bewusst, dass man für die eigene Produktion innerhalb der Europäischen Union auch etwas tun muss. Es lohnt daher, die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft zu verbessern, damit die Betriebe wieder besser werden, um Produktion hier zu halten.
Was wir als Staat nicht notwendigerweise brauchen, kann weg.
Beim Bürokratieabbau hatten Sie das Thema Düngegesetz angesprochen. Welche weiteren Vereinfachungen soll es von den langen Bürokratieabbaulisten geben, welche die Landwirte auch zu spüren bekommen?
Hauk: Wir haben uns als Länder schon auf einige Beispiele geeinigt. Nur der Bund hat sie nicht umgesetzt. Da geht es um Baumaßnahmen im Außenbereich von landwirtschaftlichen Betrieben und die Dokumentations- und Informationspflichten in der Tierhaltung oder die Fragen bei der Investitionsförderung. Auch in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung muss man wieder zu vernünftigen Regelungen finden, die auch Übergangsregelungen umfassen und die Investitionszeiträume berücksichtigen.
Als weiteres Thema für Bürokratieabbau sind die Alters- und Größenklassenkategorien und Meldetermine in der Schweinehaltung zu nennen. Dann haben wir in der Weinüberwachungsverordnung Vorschriften, die man überarbeiten und entbürokratisieren muss. Da hatten wir uns zur AMK in Oberhof schon darauf geeinigt, nur der Bund setzt es nicht um.
Wie schnell ist so ein Bürokratieabbau zu schaffen?
Hauk: Bürokratie entsteht natürlich erst einmal bei allen Themen, die man politisch gestalten will. Das muss man sich von Fall zu Fall anschauen. Was gibt es, was wir als Staat nicht notwendigerweise brauchen. Das kann weg.
Es ist notwendig, dass wir zu einer Mehrwertsteuer-Finanzierung kommen.
Die Union will das von der Ampel eingeführte Tierhaltungskennzeichnungsgesetz wieder rückabwickeln. Was wollen Sie alternativ tun, um den tierhaltenden Betrieben eine Perspektive aufzuzeigen?
Hauk: Wenn sich Betriebe für mehr Tierwohl entscheiden, kannst du nicht jedes Jahr die Kriterien ändern. Da brauchst du Verlässlichkeit. Und das trifft gerade für das Thema Stallbauten zu. Landwirte glauben derzeit nicht mehr daran, dass wenn sie heute bauen und investieren, das in drei Jahren noch werthaltig ist. Der zweite Punkt ist, wir werden natürlich auch Geld brauchen.
Die Borchert-Kommission hat klare Vorgaben zur Finanzierung gemacht. Gehen Sie bei der Idee, dafür die Mehrwertsteuer auf Fleisch zu erhöhen, mit?
Hauk: Ich sehe es als notwendig, dass wir zu einer mehrwertsteuerfinanzierten Komponente kommen. Denn es gibt ja nicht viele Möglichkeiten zur Finanzierung. Verbunden mit der Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch muss es aber eine klare Reform der Mehrwertsteuer als Ganzes geben. Sie müsste dahin gehen, dass wir gesplittete Mehrwertsteuersätze, zum Beispiel 20 %/ 10 %, erhalten. Das gilt dann durchgängig für Essen und Trinken bis zum Gastronom, unabhängig, ob der jetzt über den Tresen das Essen abgibt oder auf den Tisch serviert. Und dann hätte man in der Summe auch ein Aufkommen, das man verlässlich für landwirtschaftliche Zwecke und für das Thema Tierwohl, Investitionen und Betrieb der Ställe nutzen kann.
Halten Sie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für tierische Produkte auch in Zeiten hoher Inflation und vor dem Hintergrund der Weltpolitik gerade noch für durchsetzbar?
Hauk: Wenn, dann sollte man die einfachen Varianten nehmen. Eine Steuer, die bereits vorhanden ist, könnte in Teilen umgewidmet werden.
Wie soll die Finanzierung über die Mehrwertsteuer funktionieren, wenn es kein staatliches Tierhaltungskennzeichen mehr gibt?
Hauk: Die Form des Tierhaltungskennzeichens, so wie es gemacht worden ist, macht meines Erachtens keinen Sinn. Es gibt mit der Initiative Tierwohl ein Labeling, das privat getragen wird. Ich muss doch nicht staatlich etwas machen, was privat schon funktioniert.
Aber ein privates Tierhaltungs-Labeling können Sie ja nicht staatlich finanzieren?
Hauk: Aber die Haltungsbedingungen kann ich finanzieren. Und die sind dann kontrollierbar. Und da erwarte ich einfach eine Kooperation der Regierung mit privaten Initiativen und Landwirten. Die nächste Regierung muss ein schlüssiges Konzept für die Tierhaltung liefern, dass die Finanzierung umfasst. Und das kann ich dann den Leuten auch erklären.
Vielen Dank für das Gespräch.